Herr Liao, Ihnen wurde 15 Mal die Ausreise verweigert, Ihr Reisepass wurde annulliert, am Ende mussten Sie sich Ihre Freiheit für 40.000 Renminbi (damals 4.250 Euro) bei einem vietnamesischen Schlepper erkaufen. Hat Sie das wütend gemacht?
Liao Yiwu: Das war viel weniger Wut, als extreme Angst. Ich bin in meinem Leben zwei große Wagnisse eingegangen. Das eine war die Verbreitung meines Gedichts Massaker im Juni 1989, wofür ich ins Gefängnis musste. Das andere war diese Flucht. Ich war 53 Jahre alt und dachte: Wenn du jetzt nicht rauskommst, dann ist dein Leben vorbei. Zum Glück habe ich meinem Instinkt vertraut. Dass es auch anders kommen kann, hat man ja an Liu Xiaobo gesehen, der letztes Jahr mir nichts, dir nichts in der Haft gestorben ist. (...)
31. Mai 2018
Zum Original