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Studium im Corona-Lockdown: "Eigentlich müssten alle, die zu Prüfungen kommen, getestet werden"

In Zelten, Messehallen, per Video: Die Prüfungsphase könnte chaotisch werden für Studierende. Oder? Ein Interview mit dem Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz

Die Klausurenphase steht an und viele Hochschulen müssen sich überlegen, wie sie die Studierenden prüfen können. In den Bundesländern gelten unterschiedliche Maßnahmen und Sonderregelungen. Viele Studierende sind verwirrt und überfordert. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Peter-André Alt spricht im Interview über aktuelle Probleme, Chancen, das kommende Sommersemester und fordert von der Politik weitere finanzielle Unterstützung für Studierende.

ZEIT Campus Online: Herr Alt, Sie sind Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), führen Gespräche mit Professorinnen, Universitätsmitarbeitern und Studierenden, wie würden Sie die allgemeine Stimmung an Hochschulen und Universitäten beschreiben?

Peter-André Alt: Die Stimmung ist gedämpft.

ZEIT Campus Online: Viele Studierende wissen gerade nicht weiter. Wie viel bekommen Sie davon mit?

Alt: Wir hören das ja allenthalben! Von der verfassten Studierendenschaft oder auch von Einzelpersonen. Sie alle klagen darüber, dass sie nun schon im zweiten Semester aus häuslicher Distanz lernen. Die Hochschule als sozialer Raum fehlt. Das ist natürlich auf Dauer belastend. Man sitzt den ganzen Tag vor dem Rechner, sieht Menschen nur digital. Das geht uns ja allen so. Es bedeutet eine Beeinträchtigung der Lebensqualität und in dieser Einseitigkeit sicher auch eine Beeinträchtigung der Lernqualität.

ZEIT Campus Online: Dennoch beginnt im Februar, im verlängerten , die Klausurenphase. Wie gehen die Hochschulen damit um? Können Sie ein kurzes Bild der Lage zeichnen?

Alt: Die Hochschulen verfahren zweigleisig. Es gibt viele digitale Prüfungen, gerade im Bereich der mündlichen Examina. Das ist generell unproblematisch. In den großen Fächern mit erheblichen Studierendenzahlen - etwa Jura, Psychologie, BWL - werden Klausuren nach Möglichkeit weiterhin im Präsenzbetrieb geschrieben, dann unter Wahrung des notwendigen Abstands in entsprechenden Hochschulräumen. Manchmal mietet man Räume an oder nutzt sogar Zelte. Richtig ist, dass wir in beiden Modellen keine ganz idealen Bedingungen haben.

ZEIT Campus Online: Wo liegen die Probleme?

Alt: Bei digitalen Prüfungen können wir nicht immer einen fairen Prüfungsablauf sicherstellen. Es besteht das Risiko, dass unerlaubte Mittel eingesetzt werden. Wenn die Prüfung gefilmt wird, gibt es datenschutzrechtliche Bedenken. Bei den Präsenzprüfungen besteht die Sorge um den Infektionsschutz. Eigentlich müssten alle, die zu Prüfungen kommen, getestet werden, aber dazu fehlen momentan die Kapazitäten. Ich hoffe, dass sich das in den nächsten Wochen ändert.

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ZEIT Campus Online: Mitten in der Corona-Krise haben die Universitäten und Hochschulen noch immer kein einheitliches Konzept für Prüfungsmodalitäten. Dabei geht es um Prüfungen, auf die sich Studierende wochenlang vorbereiten müssen. Wäre eine frühzeitig erkennbare, klare Linie da nicht für alle Beteiligten hilfreich?

Alt: Bei den Prüfungsformaten ist Flexibilität angesagt, das ist leider unvermeidlich. Dabei sind die Möglichkeiten je nach Fächern und Lernstoff unterschiedlich. Wenn beispielsweise die Zahl der Studierenden sehr hoch ist, kann man kaum mündliche Prüfungen anbieten. Denkbar ist im Maximalfall die Bildung von Vierergruppen für Prüfungen, aber auch da gibt es natürlich Kapazitätsgrenzen.

ZEIT Campus Online: An der Universität Regensburg mussten 200 Studierende kurz vor Weihnachten noch eine Klausur schreiben. Die Goethe-Uni in Frankfurt plant 450 Klausuren bis zum Semesterende. Muss das sein?

Alt: Man muss in jedem Einzelfall die Rahmenbedingungen betrachten. Wichtig ist, dass die Studierenden möglichst gut abgesichert werden: Neun von 16 Bundesländern haben dazu aktuell schon eine erneute Verlängerung der Regelstudienzeit um ein weiteres Semester beschlossen, analog zum Sommersemester. Drei sind im Begriff, das zu tun. Bei vier weiteren haben wir noch keine Entscheidungslage.

ZEIT Campus Online: Was bedeutet das für Studierende?

Alt: Das bedeutet, dass Studierende keine Nachteile durch Überschreitung der Regelstudienzeit haben, wenn sie einer Prüfung aus dem Weg gehen wollen. Wo die Regelstudienzeit verlängert wird, kann auch das BAföG länger bezogen werden. Sind Studierende also zu einer Prüfung nicht in der Lage, weil sie sich schlecht vorbereitet fühlen oder weil sie den Weg zum Prüfungsort aus Angst vor Infektionen scheuen, verlieren sie deswegen kein Semester für die Förderung. Es gibt auch Sonderregelungen in manchen Bundesländern, in denen eine nicht bestandene Prüfung nicht zählt, also den sogenannten Freiversuch. Die Hochschulen müssen und wollen aber in jedem Fall einen regulären Betrieb aufrechterhalten und dazu zählt auch, dass geprüft wird.

ZEIT Campus Online: Welche Möglichkeiten gibt es für die kommenden Semester?

Alt: Wir brauchen bei den virtuellen Klausuren Rechtssicherheit. Das heißt, wir benötigen in allen Bundesländern Verordnungen für digital erbrachte Prüfungsleistungen. Die gibt es so schon in Bayern und NRW, auch Rheinland-Pfalz ist im Begriff, eine Verordnung zu verabschieden. Es bleiben die praktischen Herausforderungen des Datenschutzes. Wenn beispielsweise eine Kameraüberwachung stattfindet, müssen die Daten nach der Prüfungskorrektur verlässlich gelöscht werden und es dürfen keine Elemente der Privatsphäre von Studierenden durch die Kamera erfasst werden. Aber mit flächendeckenden Verordnungen hätten wir klarere rechtliche Grundlagen.

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