Eine Holzpuppe und eine alte Frau in meerblauer Seide. Mehr braucht es nicht, um einen ganzen Bezirk zu verändern. Plötzlich tauchen überall vietnamesische Hüte auf, die Leute werden freundlicher, reden mehr miteinander und überhaupt wird alles anders.
Karin Kalisa hat sich in ihrem Roman "Sungs Laden" an ein spannendes Gedankenexperiment gewagt: Was passiert, wenn sich in Berlin Pankow plötzlich die Kultur der Ostberliner mit jener der vietnamesischen Arbeiter, die vor dem Mauerfall ins Land kamen, vermischt? Äußere Zeichen wie die Hüte, das Essen oder die "Affenbrücken", die plötzlich den Bezirk von Dach zu Dach miteinander verbinden, werden überschattet von der inneren Veränderung. Plötzlich muss sich Ladenbesitzer Sung damit auseinandersetzen, dass er und sein Sohn die vietnamesische Kultur kaum kennen und dass seine Mutter Hien seine große Schwester nach der Geburt weggeben musste. Eine deutsche Kunstlehrerin bringt einen griesgrämigen vietnamesischen Tischler zum Lächeln. Und die Hochzeitsstatistik schießt in die Höhe.
Wie ein bisschen Offenheit und Umdenken die Welt verändern kann, das stellt Kalisa recht idyllisch dar. Die Exotik Vietnams trifft auf die ruppige Liebenswürdigkeit der Ostberliner. So liest sich auch Kalisas Stil: Sie meandert zwischen träumerischen Beschreibungen der Veränderungen und der Dunkelheit schmerzhafter Erinnerungen ihrer Charaktere hin und her. Wie ein Kaleidoskop fügen sich die Splitter der individuellen Geschichten der Charaktere zu einem großen Kunstwerk zusammen, bis schließlich der Schuldirektor der die Veränderung unabsichtlich angestoßen hatte, das Jahr revuepassieren lässt.
Der Roman begeistert durch ansprechende, leicht lesbare Sprache und eine Geschichte, die einen wünschen lässt, dass sie wirklich so passiert wäre. Eine wirklich gelungene Sommerlektüre, die sowohl im Büro als auch am Strand zum Träumen von einer besseren, kommunikativeren Welt einlädt.