Christin Hartard

Journalistin. Video. Text. Foto., Ravensburg

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Mit Rohren nichts am Hut

Aaron Giesin, Gabriel Tille und Aaron Hofmann machen eine Ausbildung zum Klempner. Höhenangst dürfen sie da nicht haben. Schließlich arbeiten sie viel an Dächern oder Häuserfassaden. Foto: Hartard

Ellwangen - In Baden-Württemberg heißen sie Flaschner, in anderen Teilen Deutschlands Spengler, Blechner oder Klempner. Viele Bezeichnungen für einen Beruf – nicht nur deshalb wissen die wenigsten, was Flaschner wirklich machen.

Vor gut 40 Jahren besingt Reinhard Mey in seinem Lied „Ich bin Klempner von Beruf“ Peter Stelzers Handwerk. Dieser berühmte Ohrwurm macht Stelzer noch heute zu schaffen, prägt er doch das Bild, das viele sich vom Klempnerberuf machen. Das beinhaltet vor allem undichte Abflüsse und Rohre, tropfende Wasserhähne oder kaputte Boiler. „Damit haben Installateure zu tun, wir überhaupt nicht“, sagt Stelzer schmunzelnd. Womit er und seine 18 Mitarbeiter sehr wohl etwas zu tun haben: Blech. Damit dichten sie Balkone oder Terrassen ab, stellen Regenrinnen oder Flachdächer her.

Silbern schimmern die Blechplatten in der Mittagssonne. Obwohl sie sich gleichen wie ein Ei dem anderen, ist jede eine Maßanfertigung. Die Flaschner arbeiten gerade daran, eine Hausfassade in Neuler zu verkleiden. Dafür messen sie zuerst auf der Baustelle aus, dann werden die Bleche in der Werkstatt zugeschnitten und bearbeitet, sodass am Ende alles auf den Millimeter genau passt. „So eine Blechfassade ist sehr pflegeleicht und langlebig. Nachstreichen muss man da nicht“, erklärt Stelzer.

Er führt das Unternehmen bereits in dritter Generation, 1999 übernahm er es von seinem Vater. Besonders wichtig für Stelzer, das Wissen weiterzugeben und den Nachwuchs zu fördern. Deshalb arbeiten drei Auszubildende im Betrieb – alle mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Vom Hauptschul- über den Realschulabschluss bis hin zum Abitur. Was sie verbindet? Sie schätzen die abwechslungsreiche Arbeit in ihrem Beruf. „Jeder Tag, jede Baustelle ist anders. Ich könnte nicht immer vor der gleichen Maschine stehen“, sagt der 18-jährige Gabriel Tille.

In seinem Ausbildungsbetrieb lernt er nicht nur die klassischen Flaschner-Arbeiten, sondern auch, wie Wetterfahnen, Ornamente und Blechdächer nach historischen Vorbildern angefertigt werden. Denn die Firma Stelzer arbeitet auch an denkmalgeschützten Gebäuden wie etwa der Basilika in Ellwangen, dem Kloster Neresheim oder der Wallfahrtskirche Schönenberg. „Und natürlich haben wir von den Gerüsten immer den besten Ausblick bei der Arbeit“, scherzt Tille.

Den kann seit wenigen Wochen auch Aaron Hofmann genießen. Der 21-jährige Abiturient hat nach einem Praktikum sein Elektrotechnik-Studium in Aalen abgebrochen und die Ausbildung zum Klempner begonnen. „Ich wollte einfach endlich praktisch arbeiten“, erklärt er seine Entscheidung. Weil er Abitur hat, konnte er das erste Lehrjahr überspringen und steigt jetzt im zweiten ein. Eine Berufslaufbahn, die so keiner aus seiner Klasse eingeschlagen hat – und auch die Eltern musste er erst einmal davon überzeugen.

Von wegen dreckig

Viele Leute hätten Vorurteile gegenüber Handwerkern, sagt Tille. „Die denken, wir sind dreckig oder stinken. Dass wir den ganzen Tag an der frischen Luft arbeiten, tolle Arbeitskleidung tragen und viel leisten, sehen die wenigsten.“ Die Zahlen sprechen da eine andere Sprache. Laut der Handwerkskammer Ulm entscheiden sich gerade Abiturienten immer öfter für eine Ausbildung im Handwerk. Für das kommende Ausbildungsjahr haben zwischen Jagst und Bodensee 160 Jugendliche mit Abitur einen Ausbildungsvertrag unterschrieben. Während der Anteil im vergangenen Jahr noch bei 11,5 Prozent lag, beträgt er 2016 14,6 Prozent.

An einer Sache hat sich jedoch wenig geändert: „Die wenigsten Menschen haben eine Vorstellung von unserem Arbeitsalltag, selbst Bekannte oder Freunde“, sagt Tille. Finden sie dann aber heraus, was Tille als Flaschner kann, ist die nächste Aufgabe meist nicht weit. Am Ende des Tages hatte Reinhard Mey wohl nicht mit allen Strophen unrecht: „Ein dreifach Hoch dem, der dies goldne Handwerk schuf.“

Am 18. September dreht sich in Ellwangen alles ums Thema Handwerk. Bei der Veranstaltung „Made by Hand“ zeigen über 20 Betriebe auf dem Marktplatz ihr Handwerk, laden zum Mitmachen ein und bieten ihre Produkte an. Im Vorfeld stellt die Ipf-und Jagst-Zeitung in ihrer Sommerserie jede Woche einen Handwerksberuf vor. Über 130 Ausbildungsberufe gibt es im Handwerk. Aktuell stehen im Ostalbkreis noch über 170 offene Ausbildungsstellen. Die Hand-werkskammer Ulm hilft gerne weiter unter 0731 / 1425 227

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