Christin Hartard

Journalistin. Video. Text. Foto., Ravensburg

2 Abos und 1 Abonnent
Artikel

Die einzige Frau auf der Baustelle

Lisa Gandolfo arbeitet gerne auf der Baustelle. Trotzdem: Für die Weiterbildung zur Bautechnikerin will sie bald wieder die Schulbank drücken. Foto: Hartard

Ellwangen - Es ist heiß, 30 Grad im Schatten. Die Sonne brennt. Kleine Schweißperlen haben sich auf Lisa Gandolfos Stirn gebildet. Plastikgeruch liegt in der Luft. Die 20-Jährige blickt konzentriert auf die Styroporplatte vor sich, die sie unter dem lauten Geheule der Fräsmaschine auf Maß bringt. „Später einmal sollen die Styroporplatten für die Dämmung im Haus sorgen“, erklärt Gandolfo.

Wo in Winterbach vor kurzem noch ein großes Loch die Erde zerfurchte, haben sie und ihre Kollegen in den vergangenen Wochen das Fundament für den Anbau eines Pflegeheims errichtet. Genau das ist es, was Lisa Gandolfo an ihrem Job so faszinierend findet. „Ich sehe bei meiner Arbeit jeden Tag den Fortschritt, habe immer vor Augen, was ich schon geschafft habe“, erklärt die Maurerin aus Fachsenfeld.


Rauer Ton

Vor drei Jahren begann sie ihre Ausbildung beim Bauunternehmen Hermann Fuchs in Ellwangen. Seit wenigen Wochen hat sie nun ihr Gesellenzeugnis in der Tasche. Im Ostalbkreis ist sie dieses Jahr die einzige Maurergesellin, wie die Handwerkskammer Ulm verrät.


Auf der Baustelle sieht es nicht anders aus. Kranfahrer, Bauleiter, Vorarbeiter und die anderen Maurer: alles Männer. Doch Gandolfo stört das nicht – zumindest nicht mehr. „Gerade in den ersten Wochen war es schon hart. Da gab es Tage, an denen ich dachte, morgen packe ich das nicht mehr“, erinnert sie sich. Der doch manchmal raue Ton auf der Baustelle, aber auch die körperlich anstrengende Arbeit: Daran musste sie sich erst gewöhnen.


„In den letzten Jahren habe ich dafür ganz schön an Muskeln zugelegt“, sagt Lisa Gandolfo und schaut lachend auf ihre braunen Oberarme.

Dabei habe sich, was die körperliche Beanspruchung angeht, in den vergangenen Jahrzehnten schon viel zum Besseren gewendet, sagt Steffen Fuchs, Geschäftsführer von Gandolfos Ausbildungsbetrieb. Was er während seiner Ausbildung noch von Hand heben musste, wird heute oft mit Minibaggern oder kleinen Kränen transportiert. Über zu wenig Interesse am Beruf kann Fuchs nicht klagen. „Im Herbst fangen vier neue Auszubildende bei uns an“, verrät er.


Das ist zum Teil auch Lisa Gandolfos Verdienst. Als Ausbildungsbotschafterin erzählt sie in Schulen vom Maurerhandwerk und der Ausbildung. „Hellhörig werden die meisten beim Gehalt“, sagt sie. Denn im dritten Lehrjahr verdienen die Maurer-Azubis immerhin um die 1000 Euro.


Maurer aus Familientradition

Für Michael Flechsler war das nicht der entscheidende Punkt. Er ist seit September Maurer-Azubi. Das Maurer-Gen wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Sein Großvater und sein Vater haben vor ihm schon den gleichen Berufsweg beim gleichen Bauunternehmen eingeschlagen. „Ich hätte schon auch was anderes machen dürfen, so ist es nicht, aber ich mag die Arbeit an den Maschinen draußen an der frischen Luft. Außerdem kann ich nach so einem Arbeitstag immer gut schlafen“, scherzt Flechsler. Für die nächsten Wochen scheint fester Schlaf garantiert. Denn auf der Baustelle gibt es jede Menge zu tun, im Oktober soll der Rohbau stehen.


Zwei Jahre will Lisa Gandolfo noch auf der Baustelle schuften. Dann drückt sie wieder die Schulbank. „Weiterbildung zum Bautechniker“, verrät sie. Wenn sie danach zurückkommt, wird sie sich um Ausschreibungen kümmern, Bauzeichnungen anfertigen, Materialien bestellen und die Abläufe auf der Baustelle koordinieren – und wer weiß, vielleicht hat sie ja bis dahin weibliche Unterstützung.

Zum Original