Ob spazieren, flanieren oder wandern: Manchmal taugt das Gehen sogar zur Kunstform. Wie bei Christos Installation, mit der auch Atheisten übers Wasser wandeln können
ANTHROPOLOGIE
Der aufrechte Gang ist evolutionstheoretisch betrachtet ein heißes Eisen. Die ältesten Hinweise auf die Bipedie sind über drei Millionen Jahre alt. Unsere Haltung hat uns dabei nicht nur Bandscheibenvorfälle und Blutstau, sondern auch eine an Theorien reiche Ideengeschichte beschert. Die hat der Philosoph Kurt Bayertz 2012 in seinem Buch Der aufrechte Gang zusammengetragen.
Platon (➝ Philosophie) beschrieb die menschliche Zweibeinigkeit erstmals als Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und Schwein. Lange Zeit später erklärte Darwin, das Aufrichten des Menschen sei nötig geworden, um die Hände zum Gebrauch von Waffen und Werkzeugen frei zu haben. Wie viel an den verschiedenen Theorien nun dran ist, wird sich final kaum klären lassen. Darüber nachzudenken, lohnt sich dennoch immer, gerade wenn man es mit den Stoikern hält. Die meinten, der aufrechte Gang sei Ausdruck der menschlichen Fähigkeit zur Kontemplation. Benjamin Knödler
OLYMPIA
Geheimtipp im olympischen Feld sind die Geher. Seit 1932 ist Gehen
olympisch, ein durchaus beliebter Sport ist es bereits seit dem 18. und
19. Jahrhundert. Schon damals gab es in Großbritannien ambitionierte
„Pedestrianism“-Wettbewerbe. Der Ehrgeiz hat sich bis heute gehalten,
auch hier wird kräftig gedopt, der Weltrekord im 50-Kilometer-Gehen der
Männer liegt bei beachtlichen 3:32:33.
Trotzdem zeigen sich manche Zuschauer nicht restlos begeistert, was auch mit den Regeln zu tun hat, die vorschreiben, dass die Geher nie die Bodenhaftung verlieren dürfen und das vordere Bein immer durchgestreckt werden muss. Wer sich nicht daran hält, wird disqualifiziert. Die Folge sind ernst dreinblickende, hüftsteif watschelnde Menschen, die einen etwas obskuren (➝ Silly Walks) Eindruck hinterlassen. Aber zwischen all den olympischen Paradedisziplinen gibt das diesem Sport eben seinen besonderen Touch. Benjamin Knödler
Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 26/16 der Wochenzeitung "der Freitag".