Annika Zieske

Redakteurin & Autorin, Berlin

4 Abos und 3 Abonnenten
Artikel

Drucksache und Farbenlehre: Berliner Modelabels bedrucken ihre Stoffe mit eigenwilligen Mustern

Julia Heuse und Ben Klunker sind die Designer, die hinter dem seit 2006 bestehenden Label Juliaandben stehen. Für die limitierte T-Shirt-Kollektion "Contemporary Totem Worship" entwarfen die beiden einen speziellen Schwarz-Weiß-Druck. Was von der Form an einen Totempfahl erinnert, setzt sich eigentlich aus verschiedenen Motiven zusammen. Abgebildet sind Accessoires und Designerstücke, darunter auch ein Kleid aus der eigenen Kollektion. "Drucke und Muster sind für mich eine Art Brücke, die zum auch Beispiel hilft, einzelne Kleidungsstücke miteinander zu kombinieren", erklärt Klunker. Spannender als diese mit dem herkömmlichen Siebdruckverfahren bedruckte Edition ist aber eine neue Technik, die die beiden Designer entwickelt haben, um ihre Stoffe zu bearbeiten. Genau genommen ist das, was die beiden für die kommende Herbst-/Winter-Kollektion fabriziert haben, kein klassisches Druckverfahren mehr, eher eine Mischform aus Färben und Drucken. Heuse und Klunker rollen Metallstücke verschiedenster Form und Herkunft in ihre Kleidungsstücke ein, zusammen mit Essig und Salz. Dadurch bildet sich Rost, der den Stücken sehr spezielle Muster und Farben verleiht. "Das ist wie eine Signatur für das Kleidungsstück", erklärt Klunker, "dadurch grenzen wir uns von der industriellen Massenanfertigung ab, bei uns ist eben jedes Teil anders als alle anderen." Inspiriert ist die neue Technik durch den Arbeitsraum der beiden Designer. "Unser Atelier ist sehr roh, mit kaputten Oberflächen und bröckelnden Wänden, das hat uns dahingehend beeinflusst, auch unsere Stoffe zu bearbeiten." Das Thema von Verfall und Veränderung scheint sich geradezu in das Kleidungsstück einzuschreiben. Aber es entstehen Muster, die mit ein wenig Abstand aussehen wie Landschaftsaufnahmen von Wüsten oder dem Himmel. Oder aber man assoziiert geometrische Formen wie Linien und Kreise, die den Formen der eingewickelten Metallstücke entsprechen. Vielleicht liegt es an der harmonischen, durch den Rost entstandenen Farbpalette aus Rot- und Brauntönen, aber Juliaandben haben es geschafft, ganz nebenher die zwei Dinge zusammenzubringen, die viele als gegensätzlich begreifen. Sie kreieren raffinierte Muster, die gleichzeitig angenehm schlicht wirken. Ein Label, das seit seinem Entstehen 2004 auf Print und Muster setzt, ist C. Neeon. Das sind Doreen Schulz und Clara Leskovar. Letztere hat nicht Mode-, sondern Textildesign studiert. Die bunten Prints und Muster, die Leskovar für ihr Label entwirft, gehören zu den wichtigsten Bestandteilen der Designästhetik von C. Neeon. "Daran erkennen uns die Leute", berichtet Leskovar, "wir produzieren zwar auch einfarbige Teile, aber nur bei den bedruckten sagen die Leute: ,Ah, das ist C. Neeon', obwohl wir selbst genau so viel Wert auf die Schnitte wie auf die Prints legen". Bloße Aufmerksamkeit ist aber nicht das, was Leskovar durch ihre Druckmotive erzeugen will. "Der Print soll den Schnitt des Stückes unterstreichen und umgekehrt, es muss eine Verbindung geben", erklärt sie. Auf der Berliner Fashion Week im Juli stellten die Designerinnen die Frühling-/Sommerkollektion "Boa Perlina" vor. Der Name stammt von einem Wesen, das eine Mischung aus Schlange und Perlenkette zu sein scheint und von der Dada-Künstlerin Hanna Höch 1945 für ein Kinderbuch entworfen wurde. Die Muster auf den teils aufwendig drapierten und ineinander verschlungenen Kleidern der Kollektion sind an die Ästhetik der Künstlerin angelehnt. Schmetterlinge, Vögel und andere Tiermotive, wurden im Collagenstil über und nebeneinandergelegt, kombiniert mit ornamentalen Mustern. Höchs Ästhetik war in diesem Fall eine sehr direkte Inspiration. Die Ideen für ein Muster können aber auch abstrakter sein und sich zum Beispiel durch das Hören eines Musikstückes entwickeln, wie Leskovar betont. Neben dem Siebdruckverfahren, bei dem mithilfe einer Druckschablone Farbe durch ein feinmaschigeres Gewebe auf das zu bedruckende Kleidungsstück aufgetragen wird, arbeiten Leskovar und Schulz auch mit Digitaldruck. Bei diesem Verfahren gibt es keine Schablone, das Motiv geht vom Computer direkt an die Druckmaschine. Die Designerinnen von C. Neeon haben die Arbeit mit dem Muster mittlerweile zwar perfektioniert, weniger Aufwand wird es dadurch jedoch nicht. "Was viele nicht wissen, ist, wie teuer es ist, mit Prints zu arbeiten. Mit einfarbigen Teilen verdient man mehr, denn Stoff hochwertig zu bedrucken ist drei- bis viermal teurer", so Leskovar. Der Kostenfaktor ist sicher ein Grund, warum viele Designer im Moment wenig Drucke benutzen. Katja Schlegel, Designerin des Labels Starstyling, sieht aber noch einen anderen: "Die Mode an sich ist gerade sehr bieder, da haben Prints nicht viel verloren." Starstyling schließt sich diesem Trend zur Biederkeit - oder auch nur Schlichtheit - nicht an. Die Kollektionen sind eine Explosion von Farben, Drucken, und Formen. Die Sommerkollektion 2011, "Anti Avanti", ist da keine Ausnahme. Hippie-Romantik trifft hier auf Neonfarben und Glitzer, lange Gewänder werden mit bunten Drucken versehen, die wie Vinyl-Schallplatten aussehen. Ebenfalls bunt gemischt sind die Techniken, mit denen Starstyling die Motive auf den Stoff bringt. Die Palette reicht von Siebdruck über Transferfolien, aber auch Bemalung bis zu Stickereien. Muster sind ihr wichtig, sagt Schlegel, "weil sie eine weitere Ebene neben Silhouette und Oberfläche sind". Außerdem garantieren sie Aufmerksamkeit. "Man muss mindestens zweimal hinschauen." Überfrachten will die Designerin ihre Stücke aber keineswegs, bedruckt wird nur, "wenn es der Klamotte dient", erklärt sie. ------------------------------ Gute Adressen C. Neeon Atelier: Sewanstraße 122, Lichtenberg, Tel. 42 10 54 79, www.c.neeon.de; Öffnungszeiten nach Vereinbarung Juliaandben Torstraße 230, Mitte, Tel. 22 43 42 95, www.juliaandben.com; Di-Sa 12-20 Uhr Starstyling Mulackstraße 4, Mitte, Tel. 97 00 51 82, www.starstyling.net; Mo-Sa 12-19 Uhr ------------------------------ MARMORIERT Leyla Piedayesh ist die Designerin hinter Lala berlin. In der Winterkollektion 2010 hat sie viel mit gedeckten Tönen gearbeitet, Beige und Grau, ab und zu ein paar Glitzerfäden. Kombiniert hat sie dazu aber auch einige bedruckte Teile. Die Idee für das Marmormuster kam ihr unterwegs. "Ich hatte in einem Secondhand-Laden einen ähnlichen Print aus den Sechzigerjahren gesehen, den ich sehr schön fand", erzählt die Designerin. "Um das Muster herzustellen, haben wir dann von Hand eine riesige Fläche marmoriert und das Resultat digitalisiert." In der Frühling-/Sommer-Kollektion 2011 geht's wilder zur Sache, mit auffälligen Leo- und Streifenmustern. Lala Berlin Mulackstraße 7, Mitte, Tel. 65 79 54 68, www.lalaberlin.com; U-Bhf. Rosa-Luxemburg-Platz, Weinmeisterstraße, Tram M8; Mo-Fr 12-20 Uhr, Sa 12-18 Uhr ------------------------------ GRAFISCH "Wir haben beide nicht mit Mode angefangen, sondern erst mal als Grafikdesigner gearbeitet", berichtet Silvia Salvador, neben Nando Cornejo eine Hälfte des Designduos Potipoti. Aus einer T-Shirt-Kollektion wurde mehr, seit 2005 entwerfen sie ganze Kollektionen. Die diesjährige Frühling-/Sommer-Kollektion trägt den Namen "The human body river" und ist von einem Fluss aus Spanien inspiriert. Für das bunte Muster, das die beiden hier verwenden, haben sie Steine im Wasser fotografiert und anschließend grafisch verfremdet. In der Winterkollektion sind gestrickte Teile vorherrschend, auch hier waren ursprünglich gedruckte Muster das Vorbild, ihre Linien wurden nur einfach in Strick übersetzt. Potipoti Rosenthaler Staße 66, Mitte, Tel. 88 76 03 21, www.potipoti.com; U-Bhf. Senefelderplatz, Bus 240, Tram M1, M8; Mo-Sa 12-20 Uhr ------------------------------ ORNAMENTAL Hinter Mono.Gramm stehen Gunhild Kranz, Kai von Rabenau und Vera Cheng. Sie wollen tragbare Mode entwerfen: elegant, aber zurückgenommen. Hinter dieser allgemein klingenden Weisheit steckt das Prinzip, dass das Kleidungsstück den Träger kleiden und dessen Charakter und Figur unterstützen und nicht dominieren soll. Schlichte Teile bestimmen daher auch die Frühling-/Sommer-Kollektion 2010, doch es gibt ein auffälliges, immer wiederkehrendes Element. Am Kragen von Kleidern und Blusen zieht sich ein ornamentales Muster entlang. Der Druck wirkt wie der verschnörkelte Rahmen eines Spiegels oder Gemäldes, der dem Träger umgehängt wurde. Schmuck wird hier unnötig, das Muster ist Accessoire genug. mono.gramm Köpenicker Straße 175, Kreuzberg, post@mono-gramm.com ------------------------------ KONTRASTREICH Gegründet hat Faye Smith ihr Label in London, seit 2008 logiert sie aber wieder in ihrer Heimatstadt Berlin. In diesem Jahr war sie für den "Start your fashion business"-Award nominiert, schaffte es aber nicht ins Finale. Die Designerin interessieren vor allem die Brüche und Ungereimtheiten, und das spiegelt sich in ihren Entwürfen wider. Feminin verspielte Stoffe, Spitzen und Rüschen treffen auf Lederelemente oder Metallschnallen. Die Kollektionen tragen geheimnisvoll und düster wirkende Namen wie "Ghost" oder "Caligari". Gerichtet ist die Mode an moderne Großstadtbewohnerinnen: elegant, aber modern und edgy. Styleserver Showroom, Oderberger Straße 49, Prenzlauer Berg, Tel. 76 21 96 18, www.styleserver.de; U-Bhf. Eberswalder Straße, Tram M1, M10, 12; Mo-Sa 12-20 Uhr ------------------------------ Foto: Ben Klunker und Julia Heuse von Juliaandben produzieren ihre Stoffmuster mit einfachen Mitteln wie Rost.

Zum Original