Annika Zieske

Redakteurin & Autorin, Berlin

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Kurz, Schwarz und wandelbar: 90 Jahre nach seiner Erfindung fasziniert das "kleine Schwarze" die Designer noch immer

Als Coco Chanel in den 20er-Jahren das berühmte "kleine Schwarze" erfand, nannte sie es eine "Uniform für alle Frauen mit Geschmack". 90 Jahre später ist dieses kurze, schlichte Cocktailkleid eine Art Modemythos geworden, der noch immer in vielen Kollektionen auftaucht. Auch Berliner Designer sind auf der Suche nach ihrem ganz eigenen Stil für das kleine Schwarze. "Ich habe eigentlich in jeder Kollektion ein kleines Schwarzes", erzählt die junge Designerin Karlotta Wilde. Sie hat im Sommer ihre dritte Kollektion auf der Berliner Fashion Week gezeigt, gilt mit ihrem schlichtem, leicht rockigen, coolen Stil als Nachwuchstalent. Doch der Klassiker fasziniert sie. "Ich will, dass meine Sachen zeitlos sind, und nicht nur einem Trend folgen", sagt Wilde, und erklärt, warum genau darin oft die Schwierigkeit liegt: "Ein kleines Schwarzes zu entwerfen, das innovativ ist, super sitzt und eventuell ein Verkaufsschlager wird, das ist eine echte Herausforderung für jeden Designer." Das kleine Schwarze gefällt ihr vor allem deshalb, weil es "einfach ein Allrounder ist. Man kann es im Sommer und im Winter tragen, abends schick, tagsüber leger, und mit Strumpfhosen ist es sogar bürotauglich." Aber was ist die wichtigste Regel für ein gelungenes kleines Schwarzes? "Ich finde, es darf auf keinen Fall zu kurz und zu sexy sein", meint Wilde. In ihrer ersten Kollektion, der Sommerkollektion 2011, setzte die Designerin den Klassiker in einem etwas weiteren Schnitt um. Das Kleid besteht aus gewaschener, matter Seide, an den Schultern befinden sich kleine Details aus gefaltetem Leder. Wilde hat ganz bewusst zwei unterschiedlichen Materialien kombiniert: "Ich arbeite gerne mit natürlichen Stoffen und ich mag es, wie Leder immer andere Nuancen aufweist. Es ist nicht einfach Schwarz, sondern hat meist einen leichten Blau- oder Silberschimmer." Die Kontraste zwischen grob und fein machen Wildes kleines Schwarzes spannend - und genau das wollte sie erreichen. äIch wollte es nicht zu schlicht halten, sondern das Ganze ein bisschen auflockern." Das hat offenbar geklappt. äTatsächlich war das kleine Schwarze dann auch das Kleid, das sich aus der ersten Kollektion am besten verkauft hat", erzählt die Designerin. Auch in der folgenden Herbst-/Winter-Kollektion gibt es ein solches Modell, vom Schnitt her ganz ähnlich, aber aus einen dichtem Wollstoff gefertigt und mit Dreiviertelärmeln. Was das Styling betrifft, empfiehlt sie, die Sache eher locker und etwas rockig anzugehen. In Karlotta Wildes Lookbook trägt das Model zum kleinen Schwarzen deshalb viel schweren Nietenschmuck und High Heels. "Klar, das Lookbook ist für mich ja eine der wenigen Möglichkeiten, wo ich ein bisschen zeigen kann, wie meine Sachen getragen werden können", sagt Wilde. In ihrem eigenen Kleiderschrank ist das kleine Schwarze sogar mehrfach vertreten: "Der Inhalt meines Schranks besteht hauptsächlich aus schwarzer Kleidung", gesteht sie lachend. "Ich habe ein kleines Schwarzes, das mich schon ewig begleitet, das habe ich schon seit mindestens acht Jahren." Im Moment arbeitet Wilde an ihrer nächsten Kollektion und reist über die Stoffmessen. "Ich will noch nicht zu viel verraten, aber es sieht sehr danach aus, als würde es wieder dunkel werden bei den Stoffen." Selbst Labels, die sich eigentlich nicht für Modemythen interessieren, kommen vom kleinen Schwarzen nicht so ganz los - auch wenn sie es vielleicht nicht so nennen. Regina Tiedeken und Tom Keller vom Label Tiedeken nannten ihre erste Kollektion "Blue is the new black" und verwendeten "entschieden kein Schwarz". Auch sonst stehen sie eher für viel Muster und viel Farbe, doch sie haben auch schlichte, schwarze Kleider im Sortiment. "Generell sind uns klassische Modemythen nicht so wichtig", sagen die Designer. "Es gibt aber fast in jeder Kollektion so etwas wie ein kleines Schwarzes, weil wir die Kleiderschnitte meist eben auch in Schwarz anbieten. Schwarz als Farbe hat einfach eine natürliche Eleganz und Klasse." Doch hier ist Vorsicht geboten: "Da die Farbe eigentlich nicht wahnsinnig aufregend ist, muss der Schnitt des Kleides schon was hermachen, sprich irgendwie interessant und anders sein. Ansonsten ist es zu gewöhnlich", sagt Keller. Bei der kommenden Sommerkollektion setzen die Tiedeken-Designer deshalb auf Elemente wie geschnürte Ärmel, um Langeweile zu vermeiden. Dunkle Farben kennzeichnen auch das Label Don't shoot the messengers, wo fast ausschließlich in Schwarz gearbeitet wird, weil die Nicht-Farbe "gleichsam mysteriös und sexy ist", wie die Designer Kyle Callanan und Jen Gilpin erläutern. Das kleine Schwarze hat für sie "viele Bedeutungen, es kann ein Cocktailkleid sein, aber auch experimentellere Schnitte sind möglich." Sie haben für das kleine Schwarze kurzerhand einen eigenen Namenerfunden: "The little black cloud" (die kleine schwarze Wolke). Das kann dann auch mal ein übergroßes Kleid sein, das an ein Cape erinnert. Klein und Schwarz geht es auch bei Antonia Goy zu. "Das Modell von Coco Chanel war so schlicht und perfekt, dass es sofort zum Bestseller avancierte", sagt Goy. Seitdem gelten bestimmte Grundregeln: "Nicht zu auffällig und immer etwas mystisch". Für Goy ist vor allem die Farbe der Erfolgsgarant des kleinen Schwarzen. "Ich glaube, es geht auch um die Zeitlosigkeit der Farbe Schwarz. Schwarz ist eigentlich gar keine Modefarbe, sondern eine Konstante in jeder Saison und in jedem Modetrend", meint die Designerin. Für ihre Sommerkollektion war Rauch die Inspiration, und auch hier gibt es einige schwarze Kleider. "Smokey" ist kurz, mit sanften Drapierungen im Brustbereich und ohne Ärmel - die Partyvariante. "Dust" kommt dagegen etwas alltäglicher daher, knielang, gerafft und mit einer Art Wasserfallkragen. Vielfältigkeit ist wichtig für die Designerin, denn was ein richtiges kleines Schwarzes ist, muss letztlich jede Trägerin für sich selbst entscheiden. "Es gibt in jeder Kollektion von Antonia Goy ein Kleid, das zum kleinen Schwarzen werden kann. Oft ist es aber die Kundin selbst, die es letztendlich dazu macht". Und egal, für welche Variante die Trägerin sich entscheidet: Sie kann sicher sein, dass sie für jeden Anlass passend gekleidet ist. ------------------------------ Gute Adressen Karlotta Wilde Linienstraße 159, 1. Hinterhof, Mitte, (Atelier) www.karlottawilde.com Tiedeken Almstadtstraße 7, Mitte, Tel. 24 04 73 88, mail@tiedekenstudios.com; Mi-Fr 13-19 Uhr, Sa 12-16 Uhr Don't shoot the messengers Rückerstraße 10, Mitte, www.dont-shoot-the-messenger.com; Mo-Sa 13-20 Uhr Antonia Goy Brunnenstraße 5, Mitte, Tel. 44 65 03 86, www.antoniagoy.com; Mi-Fr 12-20 Uhr, Sa 13-19 Uhr ------------------------------ Foto: Designerin Karlotta Wilde vor ihrem Atelier in einem kleinen Schwarzen aus ihrer Sommerkollektion 2011

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