Asiatische Teigtaschen gibt es in allen Formen. In Berlin sind vor allem chinesische Varianten auf dem Vormarsch
Es dauert nur ein paar Sekunden. Ein Löffel Füllung in die Mitte des Teigs platzieren, andrücken, Teig zusammendrehen, fertig ist der Dumpling. Wir befinden uns in der Dunckerstraße 60, in einer neuen Manufaktur für asiatische Teigtaschen. Ins Leben gerufen wurde sie von den Gastronomen Guanfeng Guan und Axel Burbacher (Foto Mitte). In deren Restaurants, dem Yumcha Heroes, in dem größtenteils Dumplings auf der Karte stehen, und dem Long March Canteen, wurde es langsam zu eng für die Produktion der vielen Teigtaschen. Es musste eine eigene Produktionsstätte her. In einer ehemaligen Fleischerei werden jetzt täglich tütenweise Dumplings geformt. Und zwar von ausgebildeten Meistern. Denn Dumplings zu fertigen erfordert in China eine eigene Ausbildung. Die Meister fertigen ausschließlich die Teigwaren, mit Woks und Töpfen kommen sie nicht in Kontakt. In der Manufaktur in der Dunckerstraße entstehen die kleinen Taschen im Minutentakt. Alles wird von Hand gemacht, die einzige Maschine, die zum Einsatz kommt, ist ein Fleischwolf, und trotzdem werden viele Zutaten, wie zum Beispiel der gekochte Schweinebauch, noch von Hand geschnitten. In der Manufaktur wird klar, wie aufwendig die Produktion von Dumplings eigentlich ist. In nur einer Tasche vereinen sich sowohl rohe als auch gekochte und gebratene Zutaten, die jeweils einzeln zubereitet werden.
In den nächsten Monaten soll im vorderen Teil der ehemaligen Fleischerei auch eine kleine Garküche eröffnen, in der man die frischen Dumplings gleich probieren kann. Solche Dumpling-Buden sind in China ganz normal, haben sich in Berlin aber noch nicht etabliert. Der riesige rote Tresen, der den Großteil des Raumes einnimmt, steht schon mal, wann eröffnet wird, ist leider noch nicht klar. Eine gute Idee ist so eine Dumpling-Garküche, das finden auch andere. Mengling Tang (Foto unten), Inhaberin des Traditionsrestaurants Peking Ente, träumt ebenfalls davon: "Wenn wir in Berlin an leerstehenden Lokalen vorbeilaufen, scherzen wir, dass wir dort eine Dumpling-Bude aufmachen", erzählt sie. Denn während sich die Teigtaschen in London oder New York längst zum trendigen Zwischensnack gemausert haben, den man an jeder Straßenecke bekommt, sind sie in Berlin immer noch eher als Vorspeise bekannt. "In New York oder London leben einfach viel mehr Chinesen und Asiaten. Da hat man eine Basis für so etwas", meint Tang. Doch auch in der Peking Ente bestellen die Gäste immer öfter einfach mehrere Portionen Teigtaschen als Hauptgericht. Genauso, wie Tang es aus dem Norden Chinas kennt.
Dumplings gibt es in den verschiedensten Ausführungen, aus Weizenmehl, Reismehl oder Hefeteig. Die Form variiert von rund, halbmondförmig bis zu länglich. Eine große Auswahl von Teigtaschen gibt es z.B. im traditionellen chinesischen Restaurant Aroma in der Kantstraße 35. Die besondere Spezialität in der Peking Ente sind Jiaozi, Teigtaschen aus Weizenteig. Auch die gibt es in verschiedensten Varianten. "Im Grunde hat jede Familie ihr eigenes Rezept", erzählt Tang. Auch das Rezept, nach dem sie in der Peking Ente zubereitet werden, ist natürlich ein Familienrezept. Es stammt von Tangs Mutter und beinhaltet neben Schweinefleisch, Garnelen und Schnittlauch noch einige Geheimgewürze, die die Tochter natürlich nicht verraten darf. "Jiaozi wurden bei uns als Sonntagsessen gegessen", erzählt Tang. Für sie ist die Zubereitung von Dumplings eine Kindheitserinnerung, während sie ihre Hausaufgaben machte, beobachtete sie ihre Eltern und ihre Großmutter beim Kochen: "Meine Mutter machte die Füllung. Das dauerte schon eine halbe Stunde, weil sie alles von Hand mit einem Messer schnitt. Meine Oma knetete den Teig. Wenn Füllung und Teig fertig waren, kam mein Vater ins Spiel. Der schnitt den Teig in kleine Stückchen und rollte ihn aus." Die Familie war aufeinander eingespielt, denn die Zubereitung von Dumplings erfordert Teamarbeit und gleichbleibendes Tempo. Die Teigblätter dürfen sich nicht stapeln, sonst kleben sie aneinander oder werden trocken.
Außer sonntags isst man Jiaozi in China auch zu einem ganz besonderen Anlass, nämlich dem chinesischen Silvesterabend um Punkt zwölf Uhr. Zu dieser Zeit sind die Teigtaschen doppelt symbolisch aufgeladen. Der Name Jiaozi bezeichnet nämlich nicht nur Dumplings, sondern auch den Zeitraum zwischen elf und ein Uhr nachts, also die Zeit, wenn ein Tag in den nächsten übergeht. In der Silvesternacht wechselt außerdem noch das Jahr, darum soll das Verspeisen der Dumplings dann besonders viel Glück bringen. Neben dieser Bedeutung steht die runde Form und das Zusammendrehen des Teiges für den Zusammenhalt in der Familie. Kein Wunder, dass das essbare Symbol auch außerhalb Chinas sehr erfolgreich ist. In Japan heißen die Jiaozi zum Beispiel Gyoza. "Wir haben die Teigtaschen von den Chinesen übernommen, mittlerweile ist es in Japan ein typisches Alltagsessen", sagt Chizuru Shirato, Inhaberin des japanischen Restaurants Zensaiya. Das Prinzip der reinen Gyoza-Buden, in denen ausschließlich Teigtaschen auf der Karte stehen, gibt es auch in Japan. Doch hier verlangen die Gäste noch vermeintlich typische Gerichte wie Sushi. Doch jetzt kommt eine neue Zeit, in der sich Gäste ohne Ablenkung auf die Teigtaschen konzentrieren - sie beginnt spätestens dann, wenn die Dumpling-Bude in der Dunckerstraße eröffnet.
Text: Annika Zieske
Foto: Susi Krautwald, Sarah Heuser, Esther Suave / HiPi
Aroma Kantstraße 35, Charlottenburg, Tel. 37 59 16 28
Long March CanteenWrangelstraße 20, Kreuzberg, Tel. 0178-884 95 99, www.longmarchcanteen.com
Peking Ente Voßstraße 1, Mitte, Tel. 229 45 23, www.peking-ente-berlin.de, Mo-Fr 11.30-23.30 Uhr, Sa+So 12-23.30 Uhr, Küche bis 23 Uhr
Yumcha Heroes Weinbergsweg 8, Mitte, Tel. 76 21 30 35, www.yumchaheroes.com, tgl. 12-24 Uhr
Ackerstraße 155, Mitte, Tel. 27 57 26 86, www.zensaiya.com, Mo-Fr 12-23 Uhr, Sa+So ab 17 Uhr
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