Die Corona-Krise beschäftigt fast jeden mittlerweile täglich und berührt auch so gut wie alle Lebensbereiche. Neben gesundheitlichen Bedenken suchen viele Menschen Antworten auf Rechtsfragen. Der "Corona Legal Chatbot" soll niedrigschwellig helfen.
Neben den gesundheitlichen Bedenken und der Unsicherheit, wie das deutsche Gesundheitssystem langfristig mit der Situation umgehen wird, treiben viele Menschen gerade vor allem rechtliche Fragen um: Was passiert mit meiner gebuchten Reise? Kann mein Arbeitgeber mir kündigen, weil er seinerseits wirtschaftliche Rückschläge befürchtet? Mein Vermieter? Wann ist der Staat eigentlich in der Pflicht, mich zu unterstützen? Der "Corona Legal Chatbot" soll online möglichst unkompliziert bei solchen Fragen weiterhelfen.
Felix Wälder, Mitarbeiter der Geschaftsführung der Zentralen Beteiligungsgesellschaft der Stadt Mainz (ZBM), wurde auf das Projekt aufmerksam - und ist der Meinung, dass der öffentliche Sektor den Menschen in der Corona-Krise Antworten schuldet. Dabei digitale Medien wie Chatbots einzubinden sei eine gute Möglichkeit. Der Jurist Marvin Fechner hat das Projekt bei einem 48-stündigen Hackathon der Bundesregierung mit ins Leben gerufen.
Im Interview mit SWR Aktuell haben die beiden darüber gesprochen, wie der Chatbot auf unkomplizierte Art und Weise und ohne Kosten beim Finden von Lösungen helfen kann.
SWR Aktuell: Welcher Grundgedanke steckt hinter dem "Corona Legal Chatbot"?
Marvin Fechner: Das Projekt hat sich aus dem Gedanken heraus entwickelt, dass sich gerade die rechtlichen Rahmenbedingungen sehr schnell ändern. Und dann werden auch immer mehr Menschen mit zum Teil existenziellen Fragen konfrontiert. Das betrifft Einzelpersonen, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen. Unsere Idee war es, einen Chatbot zu bauen, um so online rechtliche Fragen beantworten zu können, die sich aus den neuen Rahmenbedingungen ergeben.
Felix Wälder: Die uns gerade beschäftigende Corona-Krise ist ein Thema, bei dem für jeden ganz klar wird: Die Politik muss agieren. Durch meine Tätigkeit bei der städtischen Holding ZBM, also bei der Stadt Mainz, erhalte ich ganz verschiedene Einblicke in das Geschehen in Mainz. Man muss bei so einem Thema immer die Bürgersicht mitdenken - und dann technische Lösungen finden und abstimmen: Was sind denn die Fragen der Bürger, was wird an die Stadt herangetragen? Und welche Fragen kommen bei anderen Institutionen wie Land und Bund an?
SWR Aktuell: Wie funktioniert der Chatbot?
Marvin Fechner: Wir konzentrieren uns auf Expertenwissen, das wir einholen. Das kann die Stadt Mainz sein, die ihre FAQs bereitstellt und die wir dann dem Chatbot übergeben. Und diese Fragen können auch regelmäßig aktualisiert werden, damit dann unter neuen Rechtsbedingungen immer noch aktuelle Antworten gegeben werden. Das ist die eine Seite, dass es da Städte und Kommunen gibt, die Antworten übergeben, aber auch Rechtsdienstleister wie Kanzleien, die die Informationen bereitstellen. Was wichtig ist: Dahinter steckt eine Künstliche Intelligenz (KI), die verschiedene Informationen aus den Antworten erkennt und sogenannten Intents, also Absichten hinter den Fragen, zuordnet. Im Prinzip können also beliebige und beliebig viele Fragen gestellt werden. Im Laufe des Chat-Verlaufs lernt die KI auch zum Kontext. Wenn ich zum Beispiel auf eine Nachfrage des Bots zum Thema Insolvenzrecht geantwortet habe, merkt sich die KI an dieser Stelle, dass ich Unternehmer bin.
SWR Aktuell: Wie kommen die Informationen und Antworten der Experten und Institutionen in die KI?
Marvin Fechner: Die Experten können sich online registrieren. Wir haben eine Excel-Vorlage für Behörden, Institutionen und Kanzleien erstellt, um den Vorgang zu erleichtern. Wir laden die Informationen aus dieser Vorlage dann in den Bot. Der Bot selbst funktioniert über den Nachrichtendienst Telegram. Der Nutzer meldet sich dort an, stellt eine Frage an den Chatbot und erhält dann seine Antwort. Wir stehen auch schon in Kontakt mit WhatsApp, brauchen aber die Zustimmung von Facebook. Um die zu erhalten, braucht man ein gewisses Gewicht - das versuchen wir im Augenblick zu erreichen, indem wir auf unser Projekt aufmerksam machen.
SWR Aktuell: Wie lief die Entwicklung des - aktuell schon als Prototyp zugänglichen - Chatbots ab?
Marvin Fechner: Am Freitagabend ging das Projekt um 18 Uhr los. Um 22 Uhr hatten wir unser Team aus acht Leuten zusammen und haben im Verlauf des Wochenendes noch weitere Mitglieder hinzugewonnen. Ich arbeite eigentlich in einer Kanzlei und mache dort Legal Tech - das heißt, ich habe die Aufgabe, anwaltliche Arbeitsprozesse online effizienter zu gestalten. Mein Partner bei diesem Projekt ist Software-Entwickler. Er hat den technischen Hintergrund, ich den rechtlichen. Auf der einen Seite musste die Software entwickelt werden, auf der anderen rechtlicher Inhalt geliefert werden. Zum Beispiel zu Fragen des Insolvenzrechts, zu Fragen der Kurzarbeit, Fragen des Reiserechts - aber auch zu ganz alltäglichen Fragen des Vertragsrechts wie "Was passiert jetzt eigentlich mit meinem Fitnessstudiovertrag?" So hat sich das dynamisch entwickelt - mit wenig Schlaf und viel Kaffee. Die Dynamik des Projekts insgesamt war beeindruckend. Am Sonntagabend haben wir dann unser Projekt vorgestellt und sehr gute Rückmeldungen von Kooperationspartnern bekommen. Unter anderem eben von Felix Wälder von der ZBM.
SWR Aktuell: Wo stehen Sie mit dem Projekt jetzt, kurz nach dem Hackathon?
Marvin Fechner: Wir befinden uns jetzt in der Phase, in der wir Expertenwissen gewinnen wollen. Nutzer können schon auf den Chatbot zugreifen, aber das Ziel ist es jetzt, ihn stetig weiterzuentwickeln. Dafür wäre institutionelle Unterstützung wichtig.
Felix Wälder: Städte machen sich seit Jahren Gedanken über einfache Verwaltungssprache, um Barrieren abzubauen. Man sieht in den letzten Jahren, und gerade in Krisensituationen, wie Social Media manchmal ungeregelte Wege läuft und dann Fake News die Runde machen. Es wäre, denke ich, schon auch an der Zeit, dass man bewusst Angebote macht, die jeder versteht und nutzen kann. WhatsApp hatte in den letzten Wochen einen Datenumsatz wie noch nie zuvor - ich denke, das sollte man auch aus behördlicher Sicht nutzen, bevor Falschinformationen die Runde machen.
SWR Aktuell: Städtische Behörden und Unternehmen können vom "Corona Legal Chatbot" also profitieren und gleichzeitig Bürgern unkompliziert helfen. Wie könnte das konkret aussehen?
Felix Wälder: Es gibt natürlich für Institutionen und Behörden unterschiedlichste Ansätze, Informationen online bereitzustellen - in Form etwa verschiedener FAQ-Bereiche auf schon verfügbaren Webseiten. Der Chatbot könnte eine Möglichkeit sein, um diese verschiedenen Quellen zusammenzubringen und den Bürgern einen einfachen und zeitgerechten Zugang zu den Informationen zu bieten. Die Stadt Mainz hat schon seit längerem einen Fokus auf die Digitalisierung gelegt und dann könnte das ein nächster Schritt sein. Information und Kommunikation sind in einer solchen Krisensituation eine der wichtigsten Aufgaben, um Vertrauen zu schaffen und auch die Auswirkungen der Krise möglichst gering zu halten.
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