Anastasia Rastorguev

Redakteurin (Online & Video), Hamburg

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Echte Frauen haben Kurven - und was ist mit mir?

Warum es nicht in Ordnung ist, dünne Menschen fertig zu machen

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Wohlfühlgewicht. Kurven. Weiblichkeit. Das sind drei Dinge, die mir immer wieder abgesprochen werden.
Denn ich bin dünn.

Oder mit anderen Worten: ein Hungerhaken. Flach wie ein Brett. Nur attraktiv für Hunde, denn die stehen auf Knochen, während echte Männer echte Frauen mit echten Kurven bevorzugen.

Andere unterstellen mir Magersucht, Bulimie und sogar mangelnde Fruchtbarkeit bei diesem schmalen Becken.

Wie voller Sorge praktisch Fremde plötzlich werden können!

"Bitte werft der dürren Frau einen Burger zu, die bricht ja gleich durch in der Mitte!", rief neulich beim Mittagessen eine dicke Frau in meine Richtung.

"Bitte nehmt der fetten Frau den Burger weg, der Stuhl bricht ja gleich durch in der Mitte!" Hätte ich das geantwortet, wären alle mit Heugabeln auf mich losgerannt.

Jedem ist klar, dass Kommentare übers Dicksein beleidigend und falsch sind. Aber warum ist das andersrum so salonfähig? Warum muss ich mir immer wieder anhören, dass mit meinem Körper etwas nicht stimmt?

Ich bin 1.65 groß und wiege 47 Kilo. Unverändert, seit ich 16 bin.

Und schon damals ging es los mit Kommentaren wie "Warum wächst denn da nichts?", mit Fingerzeig auf meine Brüste, und: "Wo, wo nur? - das wird dein Freund schreien, wenn er deinen BH auszieht."

Und was bin ich demnach für eine Frau, mit kleinem Busen und Po? Keine Richtige? Eine Falsche?

Damals waren ein Po wie der von JLo und Shakira göttliche Kurven der Gipfel der Schönheit.

Also ziemlich magere Zeiten für skinny bitches wie mich.

Ich versuchte alles, überfraß mich täglich, um zuzunehmen - doch selbst als ich Gewalt gegen meinen Körper anwandte und wochenlang täglich Schnitzel und Fast Food zu mir aß, nahm ich einfach nicht zu.

Dafür taten es die Kommentare - alle haben zu meinem Körper eine Meinung.

Wollen nur mein Bestes, machen sich Gedanken, tun mir einen Gefallen, indem sie mich auf Dinge hinweisen, die ich vielleicht übersehen haben könnte beim täglichen Blick in den Spiegel.

Echte Frauen haben Kurven, so das Motto. Das ist häufig genug der Titel von irgendwelchen Texten über Plus-Size-Models, vor einigen Jahren gab es sogar einen Film.

Und was bin ich demnach für eine Frau, mit kleinem Busen und Po? Keine Richtige? Eine Falsche?

Weiblich und dünn geht anscheinend nicht zusammen. Entweder oder.

Und das nennen wir dann Body Positivity.

Was mich daran stört: Body Positivity bedeutet ja eigentlich, dass alle Körper schön sind. Dass es nicht den perfekten Körper gibt. Aber oft genug gilt das nur für Dicke, Kurvige, Pummelige. Bei dünnen Menschen ist dann Schluss.

Braucht man dieses Abgrenzen, um sich selbst akzeptieren zu können? Müssen Frauen vergleichen, bewerten, über andere urteilen, um sich entsprechend besser oder schlechter zu fühlen?

Ist das Missgunst? Das, was wir an dem eigenen Körper nicht mögen, wird am Gegenteil kritisiert. Wenn ich mich schon nicht mag, soll der andere doch auch unzufrieden sein.

Ein anderer Punkt, der mich stört: So oder so werden Frauen objektifiziert.

Was Frauen egal welcher Körperform gemeinsam haben: den unerträglichen Eindruck, sie seien verbesserungsbedürftig. Den unerträglichen Zustand, dass sie objektifiziert und gemessen werden.

Ich kenne so viele verschiedene wunderschöne Frauen mit ganz unterschiedlichen Figuren - und keine einzige ist mit ihrem Körper zufrieden.

Wer profitiert eigentlich davon?

Genau jene, die diese Komplexe wohl erfunden haben. Wenn alle Frauen ein gutes Selbstwertgefühl hätten, egal welche Körperform, wäre es ja gar nicht mehr nötig, Unmengen von Geld für Diätprodukte, Fitnessstudiomitgliedschaften, Cellulitecremes und Therapien auszugeben. Unser ganzes kapitalistisches System würde womöglich zusammenbrechen.

Ich kenne so viele verschiedene wunderschöne Frauen mit ganz unterschiedlichen Figuren - und keine einzige ist mit ihrem Körper zufrieden. Nicht mal skinny oder curvy Models. Niemandem reicht's, niemand fühlt sich je schön genug.

Gerade deswegen wäre es so wichtig, dass endlich Schluss ist mit diesen Kommentaren. Dass wir empathischer werden und lernen, was unsere Aussagen bei anderen hinterlassen. Und das können wir selbst lernen, selbst entscheiden und auch selbst weitergeben.

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