Irgendwie war es klar, dass es länger dauern wird. Als sich im Herbst abzeichnete, wie dramatisch die Energiekosten steigen werden, versprach die Bundesregierung schnelle Hilfe für die fast drei Millionen Studierenden in Deutschland. Die waren bei den vorherigen Hilfspaketen leer ausgegangen. Zügig und ohne viel Bürokratie sollte das ankommen. Doch wenn man im September mit Bildungspolitiker:innen der verschiedenen Fraktionen sprach, stellte sich schnell heraus: Es ist gar nicht klar, wie sofort die Soforthilfen auf den Konten der Studierenden landen sollten.
Nun liegt der Gesetzesentwurf vor und er zeigt: Erst Anfang nächsten Jahres können Studierende einen Antrag auf 200 Euro Heizkostenzuschuss stellen. Das ist nicht nur zu spät und zu wenig. Es zeigt auch, wie wenig krisenfest Deutschland ist.
Erst im nächsten Jahr Geld auszuzahlen, bedeutet für Studierende, die jetzt in finanzieller Not sind, eine psychische Belastung. Auch wenn im milden Oktober viele Haushalte noch nicht angefangen haben zu heizen und die Nebenkostenabrechnung noch gar nicht kam, haben einige Vermieter:innen die Mieten oder Abschlagszahlungen bereits präventiv im Voraus erhöht, sofern das in ihrer Macht lag. Gleichzeitig steigen überall in Deutschland die Mieten für WG-Zimmer und Studierendenwohnheime, die Kosten für Lebensmittel sowieso. Ungefähr ein Drittel aller Studierenden ist von Armut betroffen. Viele haben in der Pandemie ihren Nebenjob verloren und mussten deshalb ihre Ersparnisse aufbrauchen. Die Folgen davon sind immer noch spürbar.
Wer jetzt darauf verweist, dass die Ampel-Koalition erst diesen August das Bafög erhöht hat, übersieht: Die Sätze waren schon vor Inflation und Energiekrise zu niedrig. Genau deshalb war eine Erhöhung der Sätze seit Jahren überfällig. Die Inflation frisst die 5,75-Prozent-Erhöhung des Bafög jetzt direkt auf. Und nicht alle bedürftigen Studierenden haben einen Anspruch auf Bafög. Wer zum Beispiel getrennte Eltern hat, von denen ein Elternteil keinen Unterhalt zahlen will, wird bei der Berechnung des Anspruchs benachteiligt. Egal, wie man es dreht: 200 Euro sind einfach nicht genug.
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Warum es so lange dauert? Hinter dieser Antwort steckt ein viel größeres Problem. Denn ein Grund, warum die Hilfen nicht direkt im Herbst ausgezahlt wurden, ist der Zustand der Verwaltung. Es gibt keine Infrastruktur, mit der der Bund den Studierenden einfach Geld überweisen kann. Deshalb nimmt sich die Regierung jetzt vier bis fünf Monate Zeit, um eine Webseite aufzusetzen und ein Antragswesen zu installieren. Wohlgemerkt in einem Industrieland, das gerne betont, dass die Ressource der Zukunft ja das "Humankapital" sei, welches an den Hochschulen dieses Land gefördert werde. Jahrzehntelang wurde versäumt, in digitale Infrastrukturen der öffentlichen Verwaltung zu investieren. Viele europäische Nachbarstaaten sind da Deutschland um einiges voraus. Aber leider ist Krisenbekämpfung in diesem Land oft nur ein Kurieren von Symptomen, statt langfristig zu handeln. Gerade deswegen sollte man den Studierenden jetzt lieber schnell und vor allem nachhaltig helfen. Vielleicht braucht man ja noch ein paar gut ausgebildete Leute, um die Zukunft krisenfester zu machen.