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Berlins Polizeispitze gerät unter Druck

Erneut im Fokus: Die Berliner Polizeiakademie

SPD-Politiker sieht Verantwortung für Skandal an der Polizeiakademie bei der Polizeiführung. Präsident Kandt schreibt an Belegschaft.


Berlin. Nach dem Vorwurf gravierender Missstände an der Berliner Polizeiakademie sieht sich die Führungsspitze der Sicherheitsbehörde heftiger Kritik aus den Reihen der Berliner Regierungskoalition ausgesetzt. „Die Hauptverantwortung für die Misere haben die drei führenden Köpfe der Behördenspitze", sagte der Innenexperte der SPD-Fraktion, Tom Schreiber, der Berliner Morgenpost in Anspielung auf Polizeipräsident Klaus Kandt, Vize­präsidentin Margarete Koppers und den Leiter des Landeskriminalamtes, Christian Steiof.

Die Hinweise auf Probleme an der Polizeiakademie seien seit mindestens einem Jahr bekannt. „Sie wurden bisher aber nie ernst genommen", sagte Schreiber. Defizite und Strukturprobleme seien beschönigt worden. Die Polizeiführung erwecke den Eindruck, eine „moderne Hauptstadt-Polizei" zu sein. „Wenn man genau hinschaut, erinnert vieles bei der Polizeiakademie aber eher an eine kleine DDR", sagte Schreiber. Der Abgeordnete hatte die Polizeistrukturreform, mit der die Polizeiakademie etabliert wurde, bereits vor Jahren kritisiert und hinterfragt.

Polizeipräsident Kandt und seine Stellvertreterin Koppers wandten sich am Dienstag an die Belegschaft der Polizei. In dem internen Schreiben, das der Berliner Morgenpost vorliegt, kritisieren sie das Verhalten einiger Mitarbeiter, räumten jedoch ansatzweise auch eigene Fehler ein. Es habe sich „eine Dynamik entwickelt, die uns große Sorgen bereitet", heißt es. Vorgesetzten fehle im Umgang mit frustrierten und verängstigten Beamten vielleicht das nötige Handwerkszeug.

Das Verhalten der Auszubildenden, denen in einer Audiobotschaft Hass, Lernverweigerung und Gewalt vorgeworfen worden war, werde man prüfen und notfalls „disziplinarisch nachbearbeiten". Gleichzeitig kritisieren Kandt und Koppers ein weiteres anonymes Schreiben als „hasserfüllt". Ein von Polizisten verbreiteter Comic sei „rassistisch". In der Polizei müsse man sich „auch Gedanken machen über die Feindbilder in unseren Köpfen".

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hatte zuvor berichtet, dass mindestens ein Polizeischüler der Akademie Kontakt zu einem kriminellen Clan und einem Motorradclub gehabt haben soll. Anfang September seien LKA-Beamte bei der Kontrolle einer Bar außer auf Mitglieder des als kriminell geltenden Miri-Clans auch auf einen Polizeianwärter gestoßen. Laut RBB sollen zudem Studenten an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, wo die Führungskräfte der Polizei ausgebildet werden, bei Prüfungen Doppelgänger geschickt und Hausarbeiten von Ghostwritern haben schreiben lassen.

Das nordrhein-westfälische Innenministerium prüft unterdessen den Verdacht, dass bei der NRW-Landespolizei ein Mitglied einer Berliner kriminellen Großfamilie angestellt sein könnte. Grund sind Einträge auf Facebook, in denen der Mann mit einem hinlänglich bekannten Clanchef posiert. In weiteren Posts erweckt er durch seine Kleidung und die Inhalte seiner Einträge den Eindruck, Polizeibeamter des Landes Nordrhein-Westfalen zu sein, was allerdings vorgetäuscht sein könnte. „Wir nehmen die Hinweise sehr ernst", sagte ein Ministeriumssprecher der Berliner Morgenpost. Das Landeskriminalamt prüfe den Fall mit der gebotenen Sorgfalt.

Am Mittwoch befasst sich in einer Sondersitzung auch der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses mit den Vorwürfen.


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