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Nach Fluglärm-Einigung: Der Streit tobt weiter

Ein Flugzeug im Landeanflug auf den Flughafen Zürich-Kloten. Auch der geplante Ausbau der Startbahn treibt die Fluglärmgegner auf die Barrikaden. Foto: dpa

Die Politiker sind noch damit beschäftigt, die neuen Regelungen im Flugverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz zu loben, da melden sich schon die Kritiker zu Wort - und kündigen Klagen an.

Waldshut/ Zürich - Die Tinte war noch nicht trocken unter dem Staatsvertrag, da meldeten sich bereits die Fluglärmgegner zu Wort. Am Montag erst hatten sich die Verkehrsminister Deutschlands und der Schweiz nach fünf Verhandlungsrunden in Zürich auf einen Kompromiss geeinigt. Doch die durch Vorabinformationen alarmierten Kritiker hatten längt ihre ablehnenden Voten abgesetzt. Auch am Tag danach hielt das mediale Sperrfeuer unvermindert an. Der Tenor kann für die Verhandlungsführer niederschmetternder nicht sein: außer den beteiligten Politikern ist die Einigung niemandem recht. Schon jetzt kündigen Bürgerinitiativen erbitterten Widerstand oder Klagen an. Der bilaterale Vertrag muss noch von den Parlamenten beider Länder ratifiziert werden.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und seine Schweizer Kollegin Doris Leuthard (CVP) hatten den Vertrag unterzeichnet. Er sieht unter anderem vor, dass von 2013 an eine Stunde früher - 20 statt bisher 21 Uhr - kein Flugverkehr aus Zürich über Deutschland abgewickelt wird. Der Vertrag ist an die Bedingung geknüpft, dass der Flughafen bis 2020 seine Pisten so ausbaut, dass der Verkehr vermehrt in Ost-West-Richtung läuft. Unter der Woche soll Südbaden nur noch von 6.30 bis 18 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen von 9 bis 18 Uhr überflogen werden. Im Gegenzug verzichtet Deutschland darauf, die Zahl der Anflüge zu begrenzen. Derzeit gibt es jährlich 105 000 Anflüge von Norden über Deutschland, von Süden sind es 11 000 Anflüge und von Osten her 18 000 Anflüge.

Die „gute Lösung" führt zu negativen Reaktionen

Deshalb soll der bisher von den Schweizer Luftverkehrsbehörden aus Sicherheitsgründen abgelehnte „gekröpfte Nordanflug" ermöglicht werden - um die Züricher im Süden und Osten zu schonen. Ministerin Leuthard hatte das Verhandlungsergebnis einen „fairen Vertrag" und „passable Lösung" genannt. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) freute sich über das „Ende des Streits", das er als „positives Zeichen für die guten nachbarschaftlichen Beziehungen" wertete. Verkehrsminister Ramsauer sagte, mit der Einigung habe man „einen dicken Knoten zerschlagen" und einen jahrelangen Konflikt gelöst.

Angesichts der fast ausnahmslos negativen Reaktionen auf beiden Seiten kann davon aber schwerlich die Rede sein. Der Kompromiss führe zu einer zusätzlichen Belastung der Südbadener in den frühen Morgenstunden, kritisierte in Düsseldorf der Vizepräsident der Bundesvereinigung gegen Fluglärm, Berthold Fuld. „Das ist nicht hinnehmbar", sagte Fuld. Man werde die Ausarbeitung der Regelungen abwarten und dann eine Klage prüfen. Dass die Kompromisslösung der von allen Abgeordneten, Bürgermeistern und Kommunen getragenen „Stuttgarter Erklärung" aus dem Jahr 2009 eklatant widerspricht, stößt Fluglärmgegnern in den Landkreisen Waldshut, Konstanz und Schwarzwald-Baar heftig auf. Dort wird unter anderem die Aufhebung des Warteraumes Rilax und der Verzicht auf den gekröpften Nordanflug gefordert. Die Landräte der drei südbadischen Landkreise hatten dem Staatsvertrag dennoch zugestimmt. Man habe die Forderungen nicht „umfänglich durchsetzen können", bedauerten sie.

Gegen den „gekröpften Nordanflug" wird es Einsprüche geben

In der Schweiz stößt Gegnern auf, dass dort künftig 20 000 Anflüge neu auf Schweizer Seite verteilt werden müssen. Hanspeter Lienhardt, der Präsident der IG Nord, die zwölf Züricher, 24 Aargauer und zwei Gemeinden im Kampf gegen den Fluglärm repräsentiert, sagte der Lösung den Kampf an. „Unsere Region wäre außerordentlich stark betroffen." Lienhardt kündigte Einspruch gegen den gekröpften Nordanflug an. Fritz Kauf vom Bürgerprotest Fluglärm Ost zeigte sich „bestürzt" über das Ergebnis. Und der Gemeindepräsident der Klotener Nachbargemeinde Rümelang will den Staatsvertrag bekämpfen, da die Piste 28 in Richtung seiner Kommune erweitert werden soll.

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