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Sie hat drei Jahre lang mitten in der kanadischen Wildnis gelebt

Barbara Koutny lebte drei Jahre in der kanadischen Wildnis. Heute wohnt sie in Konstanz. | Bild: Oliver Hanser

Barbara Koutny wanderte mit 21 Jahren in die Nordwest Territorien in Kanada aus. Dort begann für sie ein Leben zwischen Eiseskälte und wilden Tieren. Jetzt will sie ihre Geschichte auch in einem Buch erzählen.

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Barbara Koutny war schon immer eine Rebellin: Geboren in West-Berlin hatte sie immer den Traum, eines Tages auszuwandern. Durch Zufall stieß sie im Alter von 18 Jahren dann auf eine Anzeige in der Zeitung: Ein deutscher, ehemaliger Förster suchte weiblichen Briefkontakt. Drei Jahre schrieben die beiden sich Briefe hin und her, verliebten sich und verlobten sich sogar. Mit 21 Jahren ließ Koutny ihr Leben in Berlin hinter sich und wanderte aus. Nach Fort Wrigley, mitten in den Nordwest Territorien.


Der Ort Fort Wrigley lag direkt am Mackenzie-Fluss. Der nächstgrößere Ort, Wrigley, lag auf der anderen Seite des etwa ein Kilometer breiten Flusses. Zu Fuß dauerte der Weg etwa 1,5 Stunden. Als Barbara Koutny in Fort Wrigley ankam, sah sie ihren Verlobten der schon sieben Jahre dort lebte, dann zum ersten Mal. Der neun Jahre ältere Deutsche, den sie später auch heiratete, wohnte in einer Blockhütte, die er selbst gebaut hatte.

Diese war nur vier auf vier Meter groß. "Mehr braucht man nicht, um glücklich zu sein", sagt Koutny. 


Die Hütte lag mitten im Wald. Trotzdem gab es drinnen alles, was die beiden zum Überleben brauchten. Die Temperaturen lagen im Winter mit -45 Grad weit unter dem Gefrierpunkt. Eben deshalb war der Fluss auch von Oktober bis Mai zugefroren. "Wenn wir mal -30 Grad hatten, dann haben wir uns die Ärmel hochgekrempelt", sagt Koutny. Auch im Haus war es deshalb nicht viel wärmer: alles musste in der Hütte warm gehalten oder hochgestellt werden.


Das neue Zuhause gehörte mit zu einer Indianersiedlung mit zwölf Häusern. Vor allem die Indianer weckten schnell die Neugier der geborenen Berlinerin. Für die Lebensmittel, die im Sommer mit dem Schiff gebracht wurden, gab es neben der Blockhütte noch ein Lagerhaus. Dort wurden die Dosen das ganze Jahr über gelagert. Drei Monate lang arbeitete ihr Mann im Straßenbau, das Geld reichte den beiden das ganze übrige Jahr zum Leben. 


In einem etwa 900 Kilometer entfernten Ort waren die beiden dann für die Zeit wohnhaft. Koutny wünschte sich für ihr Haus in der Wildnis stets eine Veranda, auf der sie und ihr Mann morgens frühstücken konnten. "Ich träumte immer von einer Almhütte", sagt sie. Deshalb bauten die beiden das Haus um, sodass es bald etwas größer war. Mit mitgebrachten Stoffen aus Deutschland verzierte Koutny das ganze Haus mit bunten Stoffen.


Ein besonderes Ereignis gab es jährlich Ende Mai, wenn der zugefrorene Mackenzie-Fluss aufbrach. Die etwa drei bis fünf Meter dicke Eisschicht stapelte sich dann an den Rändern des Flusses. In der kanadischen Wildnis war für Koutny plötzlich auch das Leben mit wilden Tieren Alltag. "Ich musste erstmal die Buschtauglichkeit lernen", erklärt Koutny. "Das war für mich wirklich mühsam." Denn rund um die Hütte gab es zahlreiche Tiere - von Bären über Hirsche bis hin zu Luchsen.


Viele Leute hätten sie bereits gefragt, was sie den ganzen Tag gemacht hätten. Koutnys Antwort lautete dann immer: "Wenn man nichts kaufen kann, dann ist man die ganze Zeit nur mit der eigenen Existenz beschäftigt", sagt sie. Denn das Essen muss erst gejagt werden und das Feuer zum Kochen braucht Holz. "Die Jagd war etwas, an das ich mich erst gewöhnen musste", sagt Koutny. Doch auch das gehörte zum Alltag dazu: Das Gewehr war bei Ausflügen in den Wald immer mit dabei.


Ein Fortbewegungsmittel im Winter, mit dem das Paar über den zugefrorenen und eingeschneiten Fluss fahren konnte, war der Hundeschlitten mit Huskies. Die Hunde gehörten den Indianern, durften aber ausgeliehen werden. So wurde der Hundeschlitten auch zur Hochzeitskutsche für Koutny und ihren Mann.


Alle zwei Wochen kam ein Flugzeug und brachte Post. So erfuhren Koutnys Freunde und Verwandte auch per Post über die Geburt ihres Sohnes. Kleine Fußabdrücke zierten die Briefe mit der frohen Nachricht. Doch schon bald stellte sich heraus: Das Leben mit dem Kind in der Wildnis war nicht einfach, weshalb Koutny zwei Jahre später wieder zurück nach Deutschland kam. Seit 14 Jahren lebt sie mittlerweile in Konstanz, weil ihr der See und die Berge gefallen. Aktuell schreibt sie an einem Buch über ihre Zeit in Kanada.


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