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Geboren in Marokko, aufgewachsen in Spanien, verliebt in Paris - und seit 50 Jahren in Konstanz: Die lange Reise des Schmuckdesigners Michael Zobel

Michael Zobel war einer der ersten Goldschmiede in Konstanz. | Bild: Wetschera, Wiebke

Der Konstanzer Designer Michael Zobel prägte gemeinsam mit anderen Künstlern die Schmiedekunst der Stadt. Bevor er vor einem halben Jahrhundert sein Zuhause in der Stadt fand, hatte er schon viel von der Welt gesehen. Und das beeinflusst sein Schaffen bis heute.

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Michael Zobel steht in seiner Werkstatt. In der Hand hält er eine blaue Brosche. Königin der Nacht hat er sie getauft, als er sie 2006 entworfen und gefertigt hat. Denn Zobel ist gelernter Goldschmied und Schmuckdesigner. Die Königin der Nacht ist eins seiner "historischen" Unikate, wie er jene Schmuckstücke nennt, die er schon vor einigen Jahren hergestellt und verkauft hat.


Zobels Schrank ist voller weiterer Schmuckstücke in Gold und Silber, Ringe, Armreife, Ketten. Schmuck für Männer und Frauen. Zobel selbst trägt ein dunkelblaues Hawaii-Hemd. Den silbernen Ring um seinen linken Zeigefinger hat er selbst hergestellt. Das war im Jahr 2005, wie die Gravur im Inneren des Rings verrät. Seine Lederschuhe sind grün. Die Brille mit den runden Gläsern schmückt sein Gesicht, dessen Mund von einem weißen, buschigen Bart umrandet ist. Zobel lächelt ununterbrochen, nur wenn er spricht, scheint er ganz konzentriert zu sein. Er überlegt kurz, legt seine Stirn in Falten und antwortet dann.


Ein Goldschmied aus Marokko

Geboren ist Zobel in Tanger in Marokko. Das war 1942. "Meine Eltern haben zu der Zeit dort gelebt", berichtet Zobel. Sein Vater arbeitete als Händler. "Wegen des Krieges sind wir dann nach Spanien geflogen", erinnert sich der Goldschmied. Nach kurzer Zeit in Madrid zog Zobel mit seinen Eltern im Alter von sechs Jahren nach Barcelona. Dort ging er auf eine frisch gegründete deutsche Privatschule. Seine berufliche Richtung stand schnell fest: "Ich wollte künstlerisch tätig sein", sagt Zobel. Eine Zukunft als Architekt oder Modedesigner schwebte ihm vor.


"Das war zu einer Zeit, in der man bei der Berufswahl noch auf seine Eltern gehört hat", sagt Zobel rückblickend. Sein Vater fand, Goldschmied sei ein guter Beruf für den noch jungen Sohn. "Damals ging man davon aus, dass ein Golschmied auch goldenen Boden hat", erzählt Zobel und lacht. Obwohl sein Vater ihm die Entscheidung förmlich abnahm, hat Zobel diese bis heute nicht bereut.


Mit 16 Jahren zog es ihn nach Deutschland - in die Uhren- und Schmuckstadt Pforzheim. Zobel absolvierte dort seine Ausbildung als Goldschmied und ging danach für ein Studium auf die Kunst- und Werkschule. "Einer meiner Professoren hat mir damals die Augen geöffnet und gezeigt, was Gold schmieden bedeutet", sagt Zobel. Er habe einen silbernen Armreif in die Hand gedrückt bekommen und gelernt, was damit alles machbar sei.


Der Weg führt in die Schmuckstadt Konstanz

Sein erstes Schmuckstück war eine Brosche. Als Lehrling musste er dort ein Muster hineinsägen. Erinnern kann er sich daran noch gut, auch wenn er die Brosche nicht bis heute behalten hat. Nach seinem Studium zog es den jungen Goldschmied nach Paris. "Wie es sich gehört, habe ich mich dort auch verliebt", sagt Zobel.

Annick war und ist der Name der Französin, die heute seine Frau ist. Sie ist auch die Namensgeberin für die Schmuckmarke von Michael Zobel: Annick Schmuckdesign. Auf die Zeit in Frankreich folgten ein Jahr in Luxemburg und ein Jahr in Kiel. 1968 kam Zobel in die Schmuckstadt Kobstanz und ist hier bis heute geblieben. Hier hat sich mit Zobel und vielen anderen Künstlern die Schmiedekunst etabliert.


Mit seinem Auftreten passt Zobel in die klassische Vorstellung eines Designers. Er ist quicklebendig, strahlt Kreativität und etwas Verrücktheit aus. Das zeigt sich auch an der Art, wie er über seine Schmuckstücke spricht. Mutter Natur sei die größte Künstlerin, sie sei eine große Inspiration, so Zobel. "Jede schöne Frau beeinflusst mich", sagt Zobel. "Ich denke mir dann: Am Hals würde ihr eine Kette gut stehen oder dort noch ein Armreif passen." Ein Designer mit Haut und Haaren. Das zeigt sich auch an den hergestellten Schmuckstücken - eins ist ausgefallener als das andere. Er fertigt beispielsweise Ketten aus Kokosnuss- oder Straußeneierscheiben.


Die Fertigung in der Werkstatt

Alle Schmuckstücke sind Unikate. Deshalb finden vor allem Kunstliebhaber und Sammler daran ihren Gefallen. Einen Armreif herzustellen, kann innerhalb eines Tages passieren. Es kann aber auch mal eine Woche dauern. "Manchmal habe ich eine Idee innerhalb von einer Minute", sagt Zobel. An anderen Tagen müsse er sehr lange grübeln. Die Skizzen der Schmuckstücke gibt er seinem Goldschmied. Der setzt die Ideen in der Werkstatt in die Tat um.

Manchmal setzt sich Zobel auch noch selbst in die Werkstatt, um ein Schmuckstück zu fertigen. Ansonsten hat er sich mittlerweile voll auf seine Tätigkeit als Designer konzentriert: "Mit dem Alter kann man nicht mehr so gut sehen und die Hände sind auch nicht mehr so ruhig", sagt Zobel.


Die Kreativität geht ihm nicht aus

Die Ideen gehen ihm auch nach jahrzehntelanger Arbeit nicht aus. "Dauernd" kreiere er ein neues Stück. Entweder für die Vitrine oder für das Lager. "Jedes Schmuckstück lässt sich unendlich variieren", sagt Zobel. Auch seine Frau und seine zwei Töchter dienen zur Inspiration. Zur Geburt seiner ersten Tochter Laetitia, vor 49 Jahren, hat er eine Brosche mit dem gleichen Namen entworfen. Heute leben seine Töchter in Kenia und Paris. 


Die Besuche bei ihnen inspirieren ihn immer wieder, etwas ganz Neues auszuprobieren. "Ich habe schon einen orientalischen Einfluss durch meine Zeit in Spanien und Frankreich", sagt Zobel. Eins erfüllt den Designer mit Stolz: Wenn er ins Konstanzer Theater geht und dort jemand seinen Schmuck trägt. "Das finde ich richtig schön", sagt Zobel und lächelt. Auch mit 76 Jahren denkt er noch nicht ans Aufhören. Seine kreative Energie will er auch in Zukunft weiter in Schmuckstücke umsetzen. Ketten, Ohrringe, Armreife, die seinen Namen eingraviert haben.


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