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Das Kurierfahrzeug des Drogenhändlers. Die Aktienpakete des betrügerischen Geschäftsmanns. Die Immobilie des Bandenführers. Richter in Baden-Württemberg dürfen Vermögenswerte von Straftätern einziehen, das Geld kommt dem Landeshaushalt zugute.
Allein im Jahr 2016 hat das Land darüber 24 Millionen Euro erhalten. 2018 waren es immerhin 4,4 Millionen Euro, wie das Landesministerium dem SÜDKURIER auf Anfrage mitteilte.
Langfristig könnten die Werte sogar noch steigen. Eine Gesetzesreform aus dem Jahr 2017 gibt Richtern mehr Handlungsfreiheit. Bargeld, Immobilien, Autos und Aktien können eingezogen werden, ohne dass diese nachweislich einem konkreten Verbrechen zugeordnet werden müssen.
Das bedeutet: Auch wenn für eine bestimmte Tat kein Täter verurteilt werden kann oder die Straftat verjährt ist. Auch der Verdacht, dass Vermögen mit organisierter Kriminalität oder Terrorismus zusammenhängt, reicht als Grund für die Pfändung aus.
Im Jahr 2016, mit 24 Millionen Euro, und im Jahr 2014, mit 15 Millionen Euro, erreichte die Vermögenspfändung Rekordniveau. Laut Landesjustizministerium sind diese auf zwei Strafverfahren in Stuttgart zurückzuführen. 2016 konnten durch zwei Großverfahren in Stuttgart allein 21,5 Millionen Euro abgeschöpft werden. Auch im Jahr 2014 konnte die Staatsanwaltschaft Stuttgart durch ein Großverfahren 12 Millionen Euro einziehen.
Auch wenn die Staatsanwaltschaften in unserer Region Vermögen abschöpfen, fließt das in den Landeshaushalt. Bei der Staatsanwaltschaft Waldshut wurden nach Angaben von Pressesprecher Florian Schumann im Jahr 2018 Vermögensabschöpfungsmaßnahmen in einer Höhe von 350 000 Euro angestrebt. „Ob dieser Betrag in vollem Umfang realisiert werden kann, hängt vom weiteren Verlauf der Verfahren ab", teilte Schumann auf Nachfrage mit.
Die Staatsanwaltschaft Ravensburg hingegen hat im vergangenen Jahr ein Vermögen im Wert von 1,7 Millionen Euro eingezogen. Diese Summe ist aber nicht nur in den Landeshaushalt geflossen, sondern wurde teilweise auch an Geschädigte übertragen. Bisher kamen aber nur 85 000 Euro davon im Landeshaushalt an.
Bei der Staatsanwaltschaft Konstanz gibt es wegen einer Umstellung des Systems keine verlässlichen Zahlen für das vergangene Jahr. In den ersten drei Monaten 2019 wurden aber Vermögensgegenstände im Schätzwert von 396 000 Euro vorläufig sichergestellt. Zudem wurden Vermögensgegenstände im Wert von 472 000 Euro endgültig abgeschöpft.
Wie Robin Schray, Pressesprecher des Landesjustizministeriums auf Nachfrage mitteilt, werden Immobilien und Luxusautos zugunsten der Staatskasse versteigert oder verkauft. Gleiches gilt für Aktien oder Bitcoins. Der Staat darf diese Vermögenswerte nicht nutzen.
Sehr wohl nutzen darf das Land aber das damit verdiente Geld.
Das kommt der Polizei für „Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung und für Finanzermittlungen" zu Gute, teilte Robin Schray mit. Konkret werde das Geld in die Telekommunikationsüberwachung investiert. Zudem werden sonstige Observationstechniken verbessert und die operative Fahndung ausgebaut.
Die bundesweite Reform erleichtert Gerichten die Vermögensabschöpfung. Bundesjustizminister Heiko Maas sagte nach ihrer Einführung: „Verbrechen darf sich nicht lohnen. Dieser Grundsatz muss auch in finanzieller Hinsicht gelten". Die Abschöpfung entziehe den Tätern nicht nur den Anreiz, sondern auch die finanzielle Basis für weitere Straftaten.
Das Landesjustizministerium beurteilt die Reform zurückhaltender, geht aber davon aus, dass die Richter durch die Erweiterung „zusätzliche Handlungsinstrumente zur Verfügung" hätten. Für eine Bewertung, ob die mit der Reform angestrebten Ziele erreicht wurden, sei es noch zu früh.