Du willst gesund und fit alt werden? eVivam-Autorin Wibke Roth hatte das Glück, Johanna Quaas im August bei einem ihrer Wettkämpfe kennen zu lernen. Sie wollte wissen, wie sie so alt geworden und so fit geblieben ist. Hier die Antworten.
Vergangenes Jahr war Johanna Quaas bereits als Vorbild gebucht: Dazu turnte sie auf einem renommierten Fitness-Kongress vor mehreren hundert Studio-Managern und Trainern als Testimonial in Sachen Muskelkraft. Sie machte also Stützwaage und Schulterstand und beeindruckte mit ihrer Stärke. Und sie motivierte frei nach dem Motto: Wenn du dran bleibst und regelmäßig trainierst, kannst du auch so fit und gesund bleiben.
Quaas wird diesen Freitag 90 Jahre alt. Und Muskelkraft ist mit Sicherheit nur eine Seite der Medaille, warum ein Mensch so stark ist; so stark, dass er in diesem Alter noch Vorbild und - besonders mit ihrer Fähigkeit zu turnen - für viele sogar unerreichbar ist. Mich hat sie auf diesem Kongress jedenfalls so beeindruckt, dass ich sie kennen lernen wollte. Dazu bin ich nach Sachsen-Anhalt zu ihrem Lieblingswettkampf gefahren; ein paar Kilometer von ihrer Heimatstadt Halle entfernt.
Sie trägt ihren typisch grünen Gymnastik-Anzug und sticht auch durch ihre zarte Größe von 1,46 Meter auf dem Turnvater-Jahn-Fest hervor. Du glaubst nicht, wie viele - den Jahren nach - Alte hier turnen. Es ist gute 30 Grad Celsius heiß. Gerade hat sie ihre Königsdisziplin Barren erledigt. Und sie ist erleichtert. Sie freut sich. Ihre langjährigen Turnfreunde gratulieren ihr. Sie freuen sich gemeinsam. Denn trotz aller Leichtigkeit, die die Perfektion der Darbietung ja ausmacht: Diese Leichtigkeit ist Leistung und Ergebnis kontinuierlichen Trainings. Selbst an ihrer „Wackeldisziplin Bank" schlägt sie sich anschließend wacker.
Interessant wäre es ja zu wissen, wie es läuft, wenn etwas im Leben der laut Guinness Buch ältesten Wettkampfturnerin der Welt einmal nicht so gut läuft:
„Den hatte ich noch nie", sagt sie. Und lacht. Das tut sie übrigens oft. Und ich nehme ihr ihre Aussage ab. Vielleicht betrachtet sie das Leben ja einfach mit Humor. Oder vielleicht liegt ihre Authentizität daran, dass sie sich an der Natur erfreut, wie sie sagt. Oder, dass sie neben ihrem Turntraining auch noch zweimal in der Woche Bauch-Beine-Po-Kurse besucht. Und beim Tibeter-Training habe sie nach so vielen Jahren falscher Atmung endlich gelernt, wie wichtig die Ausatmung sei.
Okay: Ihre Disziplin, ihre Offenheit und ihre Lernbereitschaft scheinen also auch eine Rolle zu spielen, wenn du so erfolgreich alt werden willst. Bei meinen Beobachtungen auf dem Fest fällt mir auf, dass sie ein Mensch ist, der sich in der Gesellschaft anderer Menschen wohl fühlt, sich austauscht: mit Fans und Nachwuchs. Nach der Bank steht noch die Disziplin Boden auf dem Programm. Schnell noch reicht sie die CD an eine der Helferinnen. Dann geht es los.
Bodenständig auch bei Tisch: Sie isst gern eingelegten Hering und Kartoffelbrei Zwischen den Disziplinen spricht sie mit dem Turner-Nachwuchs, der es wie andere Sportarten im Vergleich zum Fußball nicht gerade leicht hat. Die Gegend ist berühmt für ihren Reebsaft. Bei einem Glas ortstypischen Rotkäppchen-Sekt nach dem Wettkampf erfahre ich, dass Frau Quaas auch Familienmensch ist. Oma ist sie längt. Sie und ihr Mann äßen gerne gemeinsam: „Zum Beispiel eingelegten Hering und Gurke mit Joghurt und Sahne, viel Gemüse, Bratwurst, Kartoffeln oder Kartoffelbrei, schnelle Suppen wie Linsensuppe." Ihr Vater habe sie eigentlich gern in dem Beruf der Sekretärin gesehen. Aha. Willensstärke scheint auch eine Rolle für ihr Lebensstärke zu spielen. Und geistige Flexibilität ebenfalls: Als die Besatzungsmächte Turnen als vermeintliche Wehrertüchtigung verboten, spielte sie Handball. Erfolgreich. Nach dem Verbot 1947 kehrte sie zum Turnen zurück und wurde unter anderem DDR-Meisterin.
Als ausgebildete Turnlehrerin brachte sie unter anderem die Olympionikin Barbara Dix-Stolz 1964 zu den Olympischen Sommerspielen. Und obwohl Johanna Quaas selbst nie bedeutende internationale Wettkämpfe bestritt, wurde sie als Mitglied in die New Yorker International Gymnastics Hall of Fame aufgenommen: Sportgeist scheint also für ein erfolgreiches Leben ebenfalls eine Rolle zu spielen. Bitte schwingen Sie weiter so vorbildlich durchs Leben.