Wie ein schlichter Game-Trailer längst besiegt geglaubte Phobien auslösen kann...
Uns Männern fällt es ja nicht gerade leicht, zuzugeben, wenn wir Angst vor etwas haben: Ich zum Beispiel habe, ähm, ein bisschen, naja, Angst vor Spinnen. Jetzt ist es raus. Wenn eine Frau mit weit aufgerissenen Augen auf so ein haariges Tier mit dickem Hinterleib starrt, wie es da so lauernd in der Zimmerecke hockt, dann wäre ich gerne derjenige, der sich zwischen ihr und der Spinne aufbaut, heldenhaft, und der Bestie den Garaus macht – bin ich aber nicht. In solchen Momenten habe ich selbst immer gerne jemanden in der Nähe, der das für mich erledigt.
Woher die Phobie bei mir kommt, glaube ich zu wissen: Meine Eltern erzählen mir seit 25 Jahren immer die Geschichte von der Urlaubspension im Thüringer Wald, in der ich eines nachts aufwachte, weil meine Mutter kreischte. Sie hatte auf meiner Bettdecke gleich mehrere ausgewachsene Spinnentiere ausgemacht, vielleicht war unter meinem Bett ja ein Nest, ein Hort des Bösen. Vorher fand ich Spinnen eigentlich nur spannend, seit dieser Nacht habe ich Angst vor ihnen. So läuft das ja immer, wir ahmen unsere Eltern nach. Das muss eben nicht immer gut sein.
Nun kann man sich entweder in seinen Ängsten häuslich einrichten - oder sich ihnen stellen. Konfrontationstherapie nennt das der Psychologe. Ich habe heute per Zufall eine Konfrontationstherapie begonnen: Als ich den Trailer zu Limbo zum ersten Mal gesehen habe. Diese albtraumhafte Szenerie in einem dunklen Wald, ganz in Schwarz-Weiß, aber mehr schwarz als weiß. Ein Ort ohne Geräusche bis auf das bedrohliche Grollen ab und zu. Der kleine Junge, der von einer fiesen Falle in die nächste rennt, und immer wieder: Riesige Spinnen, die ihn lebendig in einen Kokon einspinnen, wenn er Glück hat - oder ihn mitleidslos mit einem ihrer Beine pfählen, dass das Blut spritzt, wenn er Pech hat. Die Szene hab' ich mir heute wieder und wieder angeschaut, fasziniert vom wohligen Grusel. Genauso sehen meine Albträume auch aus, wenn Spinnen darin vorkommen. Ich bin der kleine Junge.
Zwar hat es mich fast eine Stunde meines Arbeitstages gekostet, und mit Sicherheit habe ich ziemlich bescheuert dabei ausgesehen, wie ich an der selben Stelle des Trailers jedesmal zusammengezuckt bin - aber es hat geholfen. Ich habe jetzt, sagen wir, eher Respekt als Angst vor Spinnen. Und will Limbo unbedingt spielen. Insgeheim hoffe ich, dass in der Vollversion möglichst schockierende Szenen vorkommen, die gegen Flugangst, Höhenangst, Bindungsangst und Angst vor Altersarmut helfen. Aber das ist vielleicht ein bisschen viel verlangt...
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