In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie monatlich auf die Seite legen. Hier berichtet der 58-jährige Bernd Rodenhausen, der am Münchner Volkstheater für die Requisite zuständig ist und zusätzlich als freier Künstler arbeitet.
Beruf: Ich arbeite fest angestellt am Münchner Volkstheater und kümmere ich mich als Requisiteur im Grunde um das "Spielzeug", mit dem die Schauspieler auf der Bühne interagieren. Andere Abteilungen wie das Kostüm, die Maske, das Licht oder die Bühnentechnik sind recht klar definiert - die Requisite ist für alles andere zuständig: von Pyrotechnik und Waffen über Möbel bis hin zu Geschirr und Lebensmitteln. Das ist eine Mischung aus künstlerischer und handwerklicher Arbeit: Wenn in einem Stück eine riesige Torte aus Weißwürsten gebraucht wird, dann basteln wir eine Weißwursttorte. Wenn drei Äpfel vorkommen, gehe ich zum Supermarkt Äpfel kaufen. Und wenn 100 Luftballons auf der Bühne schweben sollen, blase ich Luftballons auf. Dazu übernehme ich auch immer wieder Teile der Bühnenmalerei: Das kann eine verwitterte Mauer als Bühnenhintergrund sein oder ein überdimensionaler Finger aus Styropor, den ich für das Stück Friss mir nur mein Karlchen nicht! modelliert und bemalt habe. Es wird nie langweilig.
Zusätzlich arbeite ich noch frei als Künstler. Ich bin steuerlich als Kleinunternehmer gemeldet und mache das nicht nur als Hobby. Vor allem fertige ich Skizzen an und male Gemälde, ich habe aber auch Comics gezeichnet oder Plattencover illustriert. Viele meiner Werke sind Acrylgemälde von abstrakten Naturszenen. Ich stelle sie in Galerien aus und verkaufe sie dort auch. Reinhold Messner hat beispielsweise ein Bild von mir erstanden, das hängt jetzt in seinem Museum in Südtirol. Auch nach Mexiko habe ich ein Bild verkauft. Mein teuerstes Bild hat 4.000 Euro gekostet, aber die meisten kleineren Bilder sind günstiger. Ich bin natürlich kein weltbekannter Künstler, davon leben könnte ich nicht. Trotzdem ist es ein wichtiger Teil meines Berufs.
Diese Kombination aus dem sicheren Brot-Job am Theater und der freieren Arbeit gefällt mir sehr. Ich muss nicht zwanghaft kreativ sein oder mich den Kundinnen und Kunden anbiedern, um meine Miete zahlen zu können. Stattdessen kann ich mich beim Malen frei ausleben und ein Stück von mir auf der Leinwand verewigen.
Ausbildung: Ich habe das Gymnasium nach der elften Klasse verlassen. Nach einer abgebrochenen Lehre zum Industriekaufmann und dem Zivildienst als Fahrer beim Roten Kreuz bin ich ziemlich viel herumgekommen: Ich hatte 26 verschiedene Jobs in meinem Leben. Ich habe in Fabriken gearbeitet, ich war Waldarbeiter und im Sägewerk, ich habe auch im Büro gearbeitet. Es war eine wilde Zeit. Zwischendurch war ich anderthalb Jahre nicht krankenversichert und hatte keinen festen Wohnsitz, damals habe meistens irgendwo heimlich und illegal übernachtet. Mit 25 bin ich dann der Liebe wegen von Aschaffenburg nach gekommen. Das war wie in einem Filmklischee: Mit Gitarrenkoffer und Kleidersack bin ich nachts am Bahnhof angekommen. Dort habe ich mein Leben in geordnetere Bahnen gelenkt: Mit 26 Jahren habe ich an der Fachoberschule meine zweite schulische Laufbahn begonnen. Ich war also 1980 das erste Mal in der elften Klasse und 1990 das zweite Mal. Bei meinem Abschluss war ich Klassenbester. Anschließend habe ich Kommunikationsdesign studiert. Nach dem Grundstudium ging mir das aber zu sehr in Richtung Werbung. Weiterhin in München bin ich deshalb in den Studiengang Freie Malerei gewechselt. Und schon während des Studiums habe ich im Jahr 1994 angefangen, am Theater zu arbeiten. Ich habe tagsüber gemalt und abends als Requisiteur die Theatervorstellung betreut. Ich arbeite also eigentlich heute noch in meinem Studentenjob - mittlerweile in der 28. Spielzeit. Deshalb hatte ich auch vom Aushilfsjob bis zum Abteilungsleiter alle Positionen in der Requisite schon mal inne. Die Verwaltung habe ich mittlerweile abgegeben und genieße den Beruf als Requisiteur.
Arbeitszeit: Aktuell bin ich an vier Tagen pro Woche im Theater - also 32 Stunden. In der Theaterwelt bedeutet das aber, dass ich immer wieder zu unterschiedlichen Zeiten dort bin. Während mancher Schichten arbeite ich tagsüber, um Requisiten zu bauen und Stücke vorzubereiten. An anderen Tagen betreue ich dagegen die Vorstellung, arbeite also abends und auch am Wochenende. Nach manchen Stücken sieht die Bühne aus wie Sau und ich räume bis spät in die Nacht auf. Aber auch das gehört zum Job und gefällt mir. Ich will keinen langweiligen Nine-to-five-Job haben.
Schätzungsweise 20 weitere Stunden pro Woche arbeite ich an meinen Kunstwerken. Dazu habe ich mir eine klare Struktur geschaffen: Wenn ich abends im Theater bin, arbeite ich vormittags an meiner Kunst - oder eben andersrum. Gleichzeitig bedeutet das nicht, dass ich jeden Abend drei Stunden male. Als Künstler brauche ich Input und lese mich dazu abends in Themen ein oder kritzle vor mich hin. Ich kann nicht vorher sagen: "Heute geht was" oder eben nicht. Manchmal ist einfach keine Inspiration da. An anderen Tagen denke ich erst, es bringt alles gar nichts, doch dann überkommt mich plötzlich eine Idee.
Brutto: Im Theater verdiene ich für meine vier Arbeitstage 2.900 Euro brutto. Dazu kommen Zulagen, die aber abhängig sind von Schichten, die ich zugeteilt bekomme. Feiertage, Wochenenden oder Nachtarbeit werden besser bezahlt.
Netto: Von meinem Bruttogehalt bleiben 2.200 Euro übrig. dazu kommt das , das ich mit meiner Kunst verdiene. Das meiste, was ich mal durch den Verkauf meiner Bilder eingenommen habe, waren 13.000 Euro in einem Jahr. Da lief es richtig gut. Es gibt aber auch Jahre, da sind es nur 2.000 Euro. Irgendwo dazwischen bewegt es sich normalerweise. Manchmal denke ich, jetzt kommt der Durchbruch. Und in anderen Jahren läuft es sehr zäh. Im Schnitt könnte man netto vielleicht 4.000 Euro pro Jahr ansetzen. Man kann also zu meinem Monatseinkommen noch einmal knapp 350 Euro hinzuzählen, dann komme ich auf 2.550 Euro.
Meine Ausgaben:
Wohnen: Für unsere Dreizimmerwohnung in München zahlen ich und meine Frau, die als Therapeutin arbeitet, 1.100 Euro Warmmiete. Das ist für Münchner Verhältnisse natürlich wenig, aber wir wohnen seit 20 Jahren in dieser Wohnung und haben einen entsprechend alten Mietvertrag. Inklusive Strom kommen wir zusammen auf 1.150 bis 1.200 Euro. Diese Kosten teilen wir halbe-halbe, mein Anteil beträgt also etwa 600 Euro.
Lebensmittel: Gerade in der Corona-Zeit ist mir aufgefallen, dass ich mehr Geld ausgebe, wenn ich arbeiten gehe. Beim Bäcker zahle ich morgens etwa drei Euro. Neben dem Theater gibt es ein Restaurant, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein vergünstigtes Mittagessen bekommen, dafür zahle ich inklusive Getränk circa neun Euro. Dann holt man sich vielleicht nachmittags noch einen Kaffee. Bis ich abends zu Hause bin, gebe ich 15 bis 20 Euro aus. Auf den Monat gerechnet ergibt das ungefähr 350 Euro. Andererseits gehen wir selten in Restaurants essen. Wir kochen gerne zu Hause, weil wir beide berufstätig sind und es als erholsamen Luxus empfinden, diese Zeit zusammen zu verbringen. Für Lebensmittel geben wir etwa 500 Euro pro Monat aus. Zudem gönnen wir uns ein bis zwei Kneipenabende in der Woche – um aus der Wohnung rauszukommen, sich auszusprechen und den Kopf freizubekommen. Das kostet uns vielleicht 30 Euro. Rechnet man einen Restaurantbesuch im Monat dazu, geben wir ca. 300 Euro aus. Zusammen mit den Lebensmitteln sind das 800 Euro, mein Anteil an den gemeinsamen Ausgaben beträgt also 400 Euro. Zusammen mit den 350 Euro von oben komme ich auf 750 Euro im Monat.
Mobilität: Wir wohnen in der Innenstadt und besitzen deshalb kein Auto. Meine Frau fährt viel Fahrrad, ich nehme meistens den öffentlichen Nahverkehr. Für die Monatskarte zahle ich 540 Euro pro Jahr, das ergibt 45 Euro im Monat. Hinzu kommen gelegentliche Zugfahrten in die Heimat und auch mal ein Mietwagen für einen Transport. Das macht noch einmal 50 Euro. Insgesamt lande ich dann bei 95 Euro im Monat.
Handy/Internet: Was das angeht, bin ich ein ziemlicher Minimalist. Ich habe ein Prepaid-Handy, für das mir 30 Euro im Monat locker reichen. Zu Hause haben wir eine Internet-Festnetz-Kombination für 60 Euro, ich übernehme davon 30 Euro. Zusammengerechnet ergibt das für mich 60 Euro.
Körperpflege: Für den üblichen Alltagsverbrauch von Shampoo, Zahnpasta und so weiter würde ich für unseren Haushalt 50 Euro ansetzen. Hier sind wir auch eher sparsam. Was bei uns dazu kommt, sind medizinische Geschichten. Wir haben die chinesische Medizin für uns entdeckt und bestellen immer wieder Präparate und Nahrungsergänzungsmittel, die uns im voranschreitenden Alter guttun. Für uns ist das eine Mischung aus Medizin und Wellness. Das chinesische Fußbad kann ich zum Beispiel sehr empfehlen. Insgesamt geben wir dafür geschätzt 150 Euro im Monat aus. Für Körperpflege gebe ich zusammengerechnet etwa 100 Euro monatlich aus.
Kleidung: Hier bin ich sehr genügsam. Ich kaufe mir einmal im Jahr eine neue Hose und neue Schuhe. Vielleicht gebe ich 200 Euro im Jahr aus, das wären dann 16,50 Euro im Monat. Hemden schenkt mir oft meine Frau. Für den Theaterjob kriege ich Arbeitskleidung gestellt. Selbst wenn man also einen neuen Mantel alle paar Jahre mit dazuzählt, komme ich auf maximal 20 Euro im Monat.
Freizeit: Lange Jahre waren Musikkonzerte mein großes Ding. Doch in den letzten Jahren habe ich das stark reduziert und meide große Menschenansammlungen, gerade auch jetzt in der Corona-Zeit. Auch ins Kino gehe ich seltener. In meiner Freizeit mache ich wenige Dinge, für die ich Eintritt zahlen muss. Privat gebe ich das meiste Geld für Bücher und CDs aus. Ich lade wenig runter, weil ich Dinge gerne in der Hand halte. So gebe ich dafür sicher 80 Euro im Monat aus. Außerdem mache ich auch selber Musik. Ich habe jahrelang in einer Band gespielt und bin ein passabler Gitarrist. Viel kostet mich das nicht: Meine E-Gitarre habe ich mir als 16-Jähriger von meinem ersten Ferienjob gekauft, die ist jetzt 42 Jahre alt und immer noch top. Auch Geräte wie mein Verstärker halten lange. Für Neuanschaffungen und Reparaturen würde ich nicht mehr als 200 Euro im Jahr ansetzen. Und mehr ist es nicht: Inspiration für meine Kunst kann ich mir bei einem Spaziergang holen, dafür muss ich weder in alle Museen dieser Welt gehen noch zu einer Studienreise in die Toskana aufbrechen. Rund 95 Euro sind deshalb ein realistischer Wert für Freizeitausgaben.
Reisen: Was wir uns gönnen, sind jedes Jahr drei Wochen auf La Palma. Das ist einfach eine spektakuläre Insel für uns. Auch in diesem Sommer haben wir uns dort ein Haus gemietet – ziemlich nah neben dem Vulkan, der dort ausgebrochen ist. Es war trotzdem ein toller Urlaub, obwohl manche Wanderrouten gesperrt waren und die Seeluft durch die viele Asche nicht ganz so sauber war wie in anderen Jahren. Miete für das Haus und ein Auto, die Kosten für den Flug und für Restaurantbesuche – das alles zusammen kostet uns jedes Jahr circa 3.000 Euro. Zusätzlich zu La Palma kommen dann noch kürzere Ausflüge und Städtetrips dazu, für mehr fehlt uns einfach die Zeit. Zusammengerechnet sind das Reisekosten von 4.000 Euro pro Jahr, also 2.000 pro Person oder eben durchschnittlich 170 Euro im Monat.
Versicherungen: Ich bin in den meisten Fällen über meine Frau mitversichert, egal ob in Haftpflicht- oder Hausratsversicherung. Sie übernimmt bei uns oft die rationale Planung, da bin ich ganz Künstler. Über eine Berufsunfähigkeitsversicherung habe ich gelegentlich nachgedacht, sie aber nie abgeschlossen. Nur eine Zahnzusatzversicherung habe ich, für die ich 40 Euro im Monat zahle.
Altersvorsorge: Weil ich relativ spät angefangen habe zu arbeiten, wird meine Rente nicht übermäßig üppig ausfallen. Deshalb habe ich bei meiner Bank eine zusätzliche Rentenversicherung abgeschlossen, die mich monatlich 350 Euro kostet. Das war es mir aber wert, man will später als Rentner auch nicht von Tütensuppen leben müssen. Zusammen mit der gesetzlichen Rente fühle ich mich einigermaßen gut abgesichert.
Weiteres: Dazu kommen die Materialkosten für meine Kunst. Für Farben, Leinwände, Stifte und Rahmen fallen pro Monat vielleicht 40 Euro an. Kunst kostet Zeit und Muße, aber nicht viel an Material. Außerdem kommen Miete und Werbekosten für meine Ausstellungen hinzu. Je nach Anzahl schwankt das, im Schnitt würde ich 50 Euro pro Monat ansetzen. Zusammen komme ich also auf 90 Euro im Monat für den künstlerischen Bereich.
Was am Ende übrig bleibt
Was
mir ganz wichtig ist: Ich habe keine Schulden. Alles in meinem Leben
habe ich aufgebaut, ohne mir Geld zu leihen. Im Gegenteil, ein bisschen
kann ich aktuell ansparen. Das sind circa 150 Euro im Monat. Dafür muss
ich mich auch nicht besonders einschränken. Große Wünsche wie eine
Weltreise habe ich einfach nicht. Ich bin genügsam. Und wir kommen in
München zurecht. Wer hier lebt, weiß, dass das nicht ganz einfach ist.