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SPD-Bürgermeister gewinnt mit 87 Prozent - was die Partei daraus lernen kann

Claus Jacobi von der SPD ist einer der großen Sieger der NRW-Kommunalwahl am vergangenen Sonntag. Landesweit wurde die CDU stärkste Kraft. In Gevelsberg aber, einer Stadt mit 31.000 Einwohnern zwischen Dortmund und Wuppertal, wurde Jacobi mit 87 Prozent als Bürgermeister wiedergewählt, in der Ratswahl holte seine Partei 63 Prozent. Was macht Jacobi so erfolgreich? Und was kann die SPD daraus lernen?

ZEIT ONLINE: Herr Jacobi, hat sich Olaf Scholz schon bei Ihnen gemeldet?

Claus Jacobi: Nein, hat er noch nicht. Es würde mich zwar freuen, wenn er mal vorbeikommen würde, aber erwarten tue ich das nach der Wahl in einer 31.000-Einwohner-Stadt nicht, selbst bei so einem fulminanten Ergebnis.

ZEIT ONLINE: Was kann die auf Bundesebene von Ihnen lernen?

Jacobi: Ich glaube, dass wir in Gevelsberg ein Gemeinschaftsgefühl leben, dass in idealtypischer Weise von der SPD repräsentiert und mit ihr verbunden ist. Die Menschen hier sind alle auf ein Zentrum bezogen, lokalpatriotisch, in Vereinen organisiert. Die SPD hat es geschafft, sich mit allen gesellschaftlichen Gruppen in der Stadt zu verbinden. Wenn Sie sich die wichtigsten SPD-Leute hier vor Ort anschauen, haben Sie ein Spiegelbild der Stadt. Das Konzept kann man übertragen, aber das schafft man nur als Team und nicht in einer Legislaturperiode allein. Man muss sich langfristig darauf einlassen. Es gibt Rückschläge, Störfeuer und Flügelkämpfe, die eine Partei immer wieder von ihrem Ziel abbringen. Das erlebt man in der SPD vermutlich mehr als in jeder anderen Partei. Diskussion ist auch wichtig, aber sie darf die Partei nie vom langfristigen Kurs abbringen.

ZEIT ONLINE: Ist die Partei schon auf dem richtigen Kurs?

Jacobi: Nicht ganz. Wir brauchen wieder eine SPD, die alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppierungen innerhalb der Partei repräsentiert. Eine Volkspartei braucht die arbeitende Mitte: Facharbeiter, Beamte, Lehrer, Ingenieure. Die muss die SPD viel stärker bespielen. Und zwar ohne die wirtschaftlich abgehängten Menschen dabei zu verlieren.

ZEIT ONLINE: In Gevelsberg fand ein Bündnis aus Grünen, FDP, CDU und Freien Wählern keinen Kandidaten aus den eigenen Reihen. Die vier Parteien mussten ihren Kontrahenten per Annonce finden. Haben die alle Angst vor Ihnen?

Jacobi: Das wäre schade, denn ich glaube, eigentlich ein ganz netter und integrativer Kollege zu sein. Da sind wir schon wieder bei der Repräsentation. Die anderen Parteien haben niemanden aus den eigenen Reihen gefunden, der die Stadt authentisch repräsentiert. Die Konkurrenz muss ja etwas falsch gemacht haben, was bei uns richtig lief. Sonst wäre es nicht zu diesem eklatanten Unterschied gekommen.

ZEIT ONLINE: Was haben Sie denn konkret in Gevelsberg erreicht als Bürgermeister?

Jacobi: Ich habe konsequent auf die Arbeit meiner Vorgänger aufgebaut, die vieles schon in den Achtzigerjahren angestoßen haben. Die Innenstadt war damals völlig verstopft. Damals hat der Rat mit dem Bauen eines 350 Meter langen Tunnels begonnen, um den Verkehr zu entlasten. Das war umstritten und hat die Partei zeitweise sogar die Mehrheit gekostet.

ZEIT ONLINE: Aber man hat den Kurs gehalten, so wie Sie sich das von der Bundes-SPD wünschen?

Jacobi: Als ich 2004 ins Amt kam, war der Tunnel als Ortsumgehung fast schon fertig. Ich konnte mit großer Unterstützung der Bürger die gesamte Innenstadt zu einer Geschäftsstraße mit breiten Boulevards ausbauen. Die Straße ist einen Kilometer lang und hat kaum ein leerstehendes Geschäft.

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