"Berlinale - Ein Festival des Arabischen Frühlings", "Mein erster Tag in der Deutschschule" oder "Diese Integration ist eine große Lüge". So lauten die Schlagzeilen der aktuellen Ausgabe von Abwab, einer Zeitung von Flüchtlingen für Flüchtlinge. Sie erscheint auf Arabisch und richtet sich an Flüchtlinge aus Syrien und Irak. "Abwab" heißt Türen - der Name passt gut, denn die Zeitung will ein Türöffner sein. Die große Weltpolitik ist da gar nicht immer so wichtig, erzählt der Deutsch-Türke Necati Dutar, der die Zeitung mitentwickelt hat.
"Es geht mehr um das Leben hier in Deutschland. Wenn da jetzt über 500.000 Menschen als Community hier ansässig sind, dann gibt es genügend Themen - und vor allem, wenn man über so positive Dinge berichtet, ist das auch ein Ansporn für andere, die dann sagen: Mensch, wir sind jetzt hier für wer weiß wie lange und das Leben geht weiter, aber es gibt auch Kultur und andere Dinge, an denen wir teilhaben können."
Necati Dutar
Die Zeitung Abwab wird im oberfränkischen Hof gedruckt und seit Dezember 2015 einmal im Monat kostenlos in Flüchtlingsunterkünften in ganz Deutschland verteilt. Abwab wird durch Spenden finanziert und lebt vom Herzblut seiner Macher: Die Kosten für Druck und Verteilung übernehmen zwei große Sponsoren, die Journalisten arbeiten ehrenamtlich. Feste Redaktionsräume gibt es nicht. Der Chefredakteur sitzt in Köln, seine Autoren sind auf ganz Europa verteilt und der Grafiker lebt in Istanbul.
Die Vision der Macher ist, dass Abwab zur Integration der Flüchtlinge beiträgt. Deswegen liegt der Schwerpunkt auf Artikeln, die das Leben und den Staat in Deutschland erklären, die von News in der syrischen und irakischen Gemeinschaft in Deutschland berichten und die Themen wie Feminismus erklären. Natürlich ging es in einer der vergangenen Ausgaben auch um die Silvesternacht in Köln, erklärt Ramy Al-Asheq, Chefredakteur von Abwab, der selbst in Köln wohnt.
"Wir haben in der Redaktion schon darüber geredet, was an Silvester passiert ist. Für uns ist es aber wichtiger, was sein wird! Deswegen gibt es Artikel, in denen die Frauenrechte erklärt werden und die Gleichheit von Mann und Frau. Ein Islamwissenschaftler hat über Respekt geschrieben, auch gegenüber Flüchtlingen, aus einer neuen islamischen Sichtweise."
Ramy Al-Asheq, Chefredakteur von Abwab
Ramy Al-Asheq bezeichnet sich als Feminist, Atheist und Assad-Gegner. Er kommt aus Syrien und hat dort im Tourismus gearbeitet, bis 2011 die Revolution ausbrach. Danach hat er für syrische und ausländische Medien gearbeitet und ihnen geholfen, über das Assad-Regime zu recherchieren. Als er im November 2014 nach Deutschland gekommen ist, hätte er sich eine Zeitung wie Abwab gewünscht.
"Wir Flüchtlinge brauchen jemanden, der uns über das Leben in Deutschland informiert. Wir lernen ja gerade immer noch die neue Kultur kennen, die neue Gesellschaft, wie Deutsche mit ihrem System umgehen. Und auch jetzt, nach einem Jahr in Deutschland, habe ich noch ziemlich viele Fragen."
Ramy Al-Asheq
Al-Asheq betont, dass auch Flüchtlinge Information brauchen und über Politik und das Land, in dem sie jetzt leben, diskutieren wollen. Online-Angebote auf arabisch, wie sie viele deutsche Medien mittlerweile anbieten, reichen noch nicht.
"Es ist nicht so einfach, einen Internetzugang zu bekommen. Neuankömmlinge leben oft in Unterkünften, in denen es überhaupt keinen Internetanschluss gibt. Deswegen ist das Internet nicht immer hilfreich - und deswegen brauchen wir auch Zeitungen."
Ramy Al-Asheq
Trotzdem wird es auch bald von Abwab eine Online-Ausgabe geben, denn noch ist die Auflage der Zeitung mit 40.000 Zeitungen pro Monat zu klein, um alle arabischsprechenden Flüchtlinge in Deutschland zu erreichen. Ein weiteres großes Problem sind laut Ramy auch falsche Nachrichten, die über soziale Netzwerke verbreitet werden und dann die ganze Flüchtlingsgemeinschaft in Aufruhr versetzen. Umso mehr brauchen die Flüchtlinge Infos wie die von Abwab.