Wenn ich richtig informiert bin, produzierst du deine Songs selbst. Liegt es daran, das du niemand anderen deine Songs anvertrauen möchtest oder weil sonst niemand deinen Beatgeschmack trifft?
Ja genau, ich produziere die Beats, mische und mastere die Songs. Wobei ich das Mastern gerne abgeben will, ich weiß nur noch nicht in welche Hände. Als ich vor ca. fünf Jahren mit dem Produzieren angefangen habe, wollte ich noch mehr Kontrolle über meinen eigenen Sound und habe natürlich viel aufgeschaut zu Künstlerinnen und Künstler, die sich selbst produzieren und für mich deswegen sehr einzigartig klingen.
Tua ist da so ein Beispiel. Ich hatte auch das Gefühl mit Worten nicht immer alles sagen zu können. Einerseits ist es natürlich entspannter, wenn du dich wirklich nur um Lyrics bemühen musst. Auf der anderen Seite gibt es einfach unheimlich viel Freiraum und Möglichkeiten, sich auszudrücken, wenn man auch die Klangkulisse, über die man abliefert, gestaltet.
Ich denke vielen Künstlerinnen und Künstlern reicht es heute auch nicht mehr, einfach nur die Beats vorgespielt zu bekommen. Die wollen aktiv beim Produktionsprozess dabei sein und vielleicht auch mal eine Snare oder einen Synthi aussuchen. Emotionen werden in Songs ja oft auch durch gewisse Melodien oder Harmonien ausgedrückt und ich selbst habe schon immer viel Musik ohne Lyrics oder Vocals gehört. Irgendwann war selbst zu produzieren der logische nächste Schritt für mich.
Ansonsten, doch, es gibt genug Produzentinnen und Produzenten mit krassen Beats, über die ich gern mal was machen würde, das kommt auch immer mal wieder vor. Beispielsweise sind die Collabs mit Bambus ("Guide" und "Flucht") auf Beats von Vanta und philchef entstanden, zwei Produzenten die ich sehr schätze. Shouts!
Wie hast du überhaupt mit dem Rappen angefangen?
Ich glaub, mit dem Rappen habe ich angefangen, als ich 17 oder 18 Jahre alt war. Ich habe aber schon in meiner Jugend in einigen Bands gespielt und Songs am Klavier geschrieben und daheim recordet. Mein Interesse an Rap war schon immer da, und mein ältester Bezug dazu sind die etwas älteren Tapes von den Black Eyed Peas, vor allem „Bridging the Gaps".
Ich erinnere mich auf jeden fall daran wie ich das mit einem Discman in der 7. oder 8. Klasse gepumpt habe, obwohl Mp3-Player auf jeden Fall langsam ein Ding wurden. Ich bin schlecht mit Technik und Jahreszahlen. Ich musste etwas älter werden bevor ich mich mit deutschsprachiger Musik auseinandergesetzt habe.
In meinem Freundeskreis hat keiner Rap gepumpt, da lief fast nur DnB, Dubstep und generell eher elektronische Musik. Ich hatte Glück im Internet auf das VBT und damit auf rappers.in zu stoßen, wo ich Kontakte mit anderen Rappern geknüpft habe, die mich teilweise sogar heute noch begleiten und auch noch Musik machen.
Mein Klickmoment im Rap kam, als ich das erste Mal „Kids" von Maeckes gehört hab, da war ich 19 Jahre alt. Ab dem Moment hab ich angefangen, mich wie ein Irrer durch deutschen Rap zu fressen und eigentlich durch alles, was die deutsche Künstlerszene so an Musik zu bieten hatte. Es war wie eine zweite Schule durch die ich ging.
Baust du erst den Beat oder schreibst du ersten den Text, wenn du ein Thema im Kopf hast? Oder kommt beim Beatbauen die Idee?
Ich fange meistens mit dem Beat an. Oft bleibt es dann auch bei diesem Beat, außer ich habe eine nette Zeile oder Melodie, um einen ganzen Song anzufangen. Dann verfolge ich diesen Gedanken, bis irgendwann der Song ganz da ist.
Im Podcast „Auf Gästeliste" hast du gesagt, dass du viele Songs herumliegen hast, an denen du immer wieder mal arbeitest und die dann auch rauskommen. Was muss ein Song von dir haben, dass du ihn veröffentlichst?
Manchmal merke ich, dass ein Song fertig ist, nur daran, dass ich ihn loslassen kann und will. Wenn ich einen Song nicht richtig loslassen kann, ist er nicht fertig oder ich bin einfach noch nicht bereit, das Gefühl, das ich auf dem Song verarbeite, mit der Welt zu teilen.
Ich habe oft auch das Gefühl, meine Lieder haben für mich ein kurzes Mindesthaltbarkeitsdatum, was mit meiner Sprunghaftigkeit als Musikliebhaber und Mensch zusammenhängt. So nach dem Motto: Heute höre ich 'sad Pop-Musik' und bin traurig, morgen schreibe ich einen Song aus der Stimmung kommend, übermorgen höre ich progressive hardcore und bin fröhlich und finde den Song von gestern wieder scheiße. Songs bleiben auch oft liegen, weil ich sie einfach schnell nicht mehr gut finde.
Gibt es bestimmte Inspirationsquellen für dich? So wie es klingt, sind es eher die negativen Gefühle, Gedanke und Erlebnisse die du thematisierst.
Inspirationsquellen sind hauptsächlich andere Musik und mein Innenleben. Ich würde echt gerne mehr über die positiven Seiten des Lebens schreiben und erzählen, aber es fällt mir tatsächlich gar nicht so einfach, die über meine Musik auszudrücken.
Ich bin aber auch generell nicht so gut darin, gute Emotionen abzurufen oder nochmal in einem Song zu kanalisieren. Ich fühle die dann einfach nur und bin froh darüber und glaube, das letzte woran ich dann denke, ist es einen Song zu schreiben. Irgendwie voll merkwürdig!
Ich denke aber oft, das meine Beats sehr konträr zu dem Inhalt der Songs stehen. Oft sage ich traurige Dinge auf nicht ganz so traurigen Beats. Vielleicht trage ich so ja unterbewusst auch etwas Positivität in die Songs. Ich glaube wenn es mir gut geht, will ich keine Songs schreiben und da liegt vielleicht der Hund begraben.
3Plusss hatte so eine Line - ich find den Song gerade nicht - aber die Line ging glaube ich: "Schreib nur gute Lieder wenn ich unglücklich bin, bin nur glücklich wenn ich gute Lieder schreib." Irgendwie so was!
Hilft es dir die Gefühle zu verarbeiten, bzw. deine Gedanken zu sortieren?
Ja, es hilft mir auch voll, mich als Mensch besser kennenzulernen. Hin und wieder checke ich erst im Nachhinein, wenn der Song längst veröffentlicht ist und welche Gefühle mich dazu gebracht haben, etwas so oder so auszudrücken.
Es gibt Momente, in denen höre ich einen Song von mir und weiß: Das Gefühl von damals, als ich den Song geschrieben habe, ist jetzt durch. Vielleicht nicht komplett weg oder verarbeitet, aber ich hab es wahrgenommen, durch mich durchfließen lassen und kann es einordnen und benennen, wenn es wieder da ist. Eben weil ich vorher darüber geschrieben und damit musiziert hab.
Du warst bei der letzten Orsons-Tour bei vielen Tourstopps als Voract mit dabei und bist somit Nightliner gefahren. Hast du Tipps, wie man darin am besten schläft und zur Ruhe kommt?
Vermutlich Alkohol, definitiv Ohropax und vor allem Rücksicht.
Hast du dir musikalisch und für Live-Konzerte ein paar Dinge bei den Orsons abgucken können?
Sowohl als auch. Ich war vor den Support-Shows schon ziemlich lange ein Riesen-Fan der Orsons. Mal abgesehen davon, dass sie mich auch als einzelnen Künstler sehr geprägt haben, sind sie als Band einfach sehr mutig und virtuos, nicht nur was die Musik angeht, auch die Bühnenshows und ihre Performance.
Das sind super erstrebenswerte Eigenschaften für mich. Ich hab mich mit Tua ein wenig über meine Situation und Einstellung als Künstler unterhalten können und echt viel mitgenommen aus seinen Erzählungen. Vor allem darüber, was mit ihm so abging, als er in meinem Alter war. Zum Beispiel, das er sich aus heutiger Sicht gewünscht hätte, seine Sturheit und Unbelehrbarkeit gegenüber der Kunst früher abgelegt zu haben. Hab ich auf jeden Fall gefühlt!
Ist ein neues Release geplant?
Ja, ich hab die letzten Monate unter dem Arbeitstitel „healing" an Songs gearbeitet, aber merke so langsam, dass ich keine Lust habe, noch eine EP oder ein Album zu machen. Ich fühle einfach das Format gerade nicht.
Stattdessen möchte ich anfangen, nochmal an einem zweiten Playlist-Release zu arbeiten. Das hab ich 2018 schon einmal gemacht mit der „Future Cool Kid"-Playlist, die ich über einige Monate mit Singles befüllt hab. Ich mochte das Konzept schon damals, und außerdem ist „healing" ja auch ein Prozess im echten Leben, da passt eine Playlist, die diesen Prozess begleitet doch perfekt, oder?
Vielen Dank Odd John für deine Zeit.