Die Polkappen, Gletscher und Permafrostböden tauen stärker ab, der Meeresspiegel steigt stärker an, noch mehr Korallen verschwinden, Extremwetter werden häufiger - die Modellierungen des Weltklimarats zeigen, dass die Folgen für Natur und Menschen auf der Erde ab einer Erwärmung von 1,5 Grad deutlich schlimmer werden.
Kippelemente können den Klimawandel beschleunigenHinzu kommt: Je mehr sich die Erdatmosphäre erwärmt, desto größer ist das Risiko, dass Erdsysteme aus dem Gleichgewicht geraten und sich irreversibel zu verändern drohen. Die Gefahr dieser sogenannten Kippelemente liegt darin, dass sie sich ab einem bestimmten Punkt - dem Kipppunkt - immer weiter selbst verstärken und damit auch den Klimawandel beschleunigen können.
"Das ist wie bei einem Stift, den man mit dem Finger immer weiter über eine Tischkante hinaus schiebt. Erst passiert nichts - dann fällt er." (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung)Ein internationales Forschungsteam hat auf der Erde einige "Kippelemente" identifiziert, die bei weiter steigenden Temperaturen radikal aus dem Gleichgewicht geraten könnten. Und: Die sich auch gegenseitig anstoßen können.
Beispiel 1: Grönlands EisschildGrönlands Eisschild liegt in der Arktis am Nordpol und ist nach der Antarktis das zweitgrößte Eisschild der Erde. Doch in den letzten Jahren messen Forschende hier einen immer stärkeren Eisverlust mit Schmelzraten, die es vorher nicht gab. Die Gletscher fließen ins Meer und im Sommer schmilzt die Eisdecke stärker ab. Die Forschenden gehen davon aus, dass wenn ein bestimmter Punkt des Abschmelzens überschritten wird, sich der Prozess verselbständigt.
Das liegt vor allem an zwei Mechanismen. Durch das Abschmelzen rutscht das Eis in immer tiefere und wärmere Luftschichten, wo es immer schneller auftaut. Und: Wenn Eismassen kleiner werden, wird die Oberfläche dunkler und heizt sich schneller auf, das ist der so genannte Albedo-Effekt. Auch dadurch könnte das Abschmelzen immer schneller ablaufen.
Sobald eine bestimmte Schwelle überschritten wird, könnte der gesamte Eisschild über Hunderte oder Tausende von Jahren vollständig schmelzen. Das hätte einen globalen Meeresspiegelanstieg von mehr als 7 Metern zur Folge und könnte andere Kippelemente beeinflussen, z.B. die Atlantische Umwälzzirkulation.
Beispiel 2: Atlantische UmwälzzirkulationDie Atlantische Umwälzzirkulation ist ein gewaltiges System von Meeresströmungen im Atlantischen Ozean, zu dem auch der Golfstrom gehört. Die Zirkulation wirkt wie ein riesiges Förderband: Sie bringt warmes Wasser in den Norden und kaltes Wasser in den Süden. Der Motor dieses Kreislaufs ist die Temperatur und der hohe Salzgehalt im Meer vor Grönland, wodurch das kalte Wasser in die Tiefe sinkt und wieder nach Süden strömt. Messungen zeigen, dass diese Zirkulation schwächer geworden ist.
Ein Grund ist das Abschmelzen von Grönlands Eisschild. Je mehr schmelzendes Süßwasser ins Meer strömt, desto stärker verändern sich der Salzgehalt und die Wasserdichte. Folge: Das Absinken wird langsamer - und dadurch könnte dann auch die ganze Maschinerie der Umwälzzirkulation langsamer werden oder irgendwann sogar stoppen. Das hätte Auswirkungen auf Temperatur und Wetter. Mögliche Folgen sind z.B. weniger Regen in Afrika und Asien, eine Erwärmung der Südhalbkugel und die Austrocknung von Gebieten nahe der Sahara und dem Amazonas-Regenwald, der dadurch seine Funktion als Kohlenstoffsenke verlieren könnte.