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Netflix-Doku über Hollywood-Ikone: Wie starb Marilyn Monroe?

Die Kamera machte sie unsterblich: Norma Jeane Baker alias Marilyn Monroe. Bild: Netflix.

Eine Netflix-Doku gibt vor, sie wisse über den Tod von Marilyn Monroe Neues. Doch was wir hier sehen und hören, ist altbekannt. Ein Etikettenschwindel.

Als sich die junge Norma Jeane Baker ihre braunen Locken wasserstoffblond färbte, dürfte sie wohl kaum geahnt haben, dass sie mit diesem Look in die Geschichte eingehen würde. Filmikone und Sexsymbol - Marilyn Monroe ist Archetyp des Hollywood-Glamours, aber auch tragische Figur in einem misogynen System. Eine neue Netflix-Doku rekonstruiert nun die letzten Stunden im Leben der Schauspielerin. Dem offiziellen Bericht nach starb Marilyn Monroe am 4. August 1962 an einer Überdosis Schlafmittel. 60 Jahre später ranken sich immer noch Verschwörungstheorien um ihren rätselhaften Tod. War es Suizid? Ein Versehen? Oder gar Mord? Der Titel der Dokumentation „Mysterium Marilyn Monroe: Die ungehörten Bänder" verspricht viel - und hält wenig.

Regisseurin Emma Cooper stützt sich auf die Recherchen des irischen Journalisten Anthony Summers, der auch als Erzähler durch den Film führt. In mehr als 650 Interviews versuchte er zu Beginn der 1980er-Jahre, den Tod der Monroe aufzuklären. Die Tonbänder waren bis heute unter Verschluss. Gewiss ist es ergreifend, die Interviews mit der Familie von Monroes Psychiater oder mit Regisseur Billy Wilder in Originalaufnahme zu hören, neue Erkenntnisse liefert das jedoch nicht. Bereits 1985 hat Summers seine Recherchen in einem Buch veröffentlicht. Wieso Netflix fast 40 Jahre später eine große Enthüllungs-Doku daraus macht, bleibt fraglich.

Der roten Faden der Doku: Marilyns Beziehungen zu einflussreichen Männern. Als Protegé des Agenten Johnny Hyde schaffte sie den Aufstieg ins Filmgeschäft, die Casting-Couch war damals eine Selbstverständlichkeit. Unvergessen bleibt ihr Auftritt als männermordende Femme fatale in „Niagara“. Ein Promo-Bild aus jenem Film verarbeitete Künstler Andy Warhol in seinen neonfarbenen Siebdrucken. Die salbeiblaue Version kam gestern bei Christie’s unter den Hammer – zu einem Schätzwert von 200 Millionen Dollar, der mit einem Zuschlag von 195 Millionen fast exakt erreicht wurde.

In ihren finanziell erfolgreichsten Filmen mimte Marilyn Monroe die naive Schönheit auf Männerjagd. Unter dem Stereotyp des dummen Blondchens litt sie zeitlebens. Sie wollte ernst genommen werden als seriöse Schauspielerin, doch war sie in erster Linie Objekt der Begierde. Eine Kunstfigur, geschaffen für den männlichen Blick, den die feministische Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey als „Male Gaze“ bezeichnet. In „Blondinen bevorzugt“ soll Marilyn selbst die Zeile hinzugefügt haben: „Ich kann intelligent sein, wenn es darauf ankommt, aber die meisten Männer mögen das nicht.“

Kein Platz in Camelot für Marilyn

Männer waren schon seit der Kindheit die große Krux in Marilyns Leben. Den Vater kannte sie nicht, die Mutter kam in die Psychiatrie. Nachdem ein Pflegevater zudringlich geworden war, lebte Norma Jeane Baker eine Zeit lang im Waisenhaus. Mit 16 wurde sie verheiratet, vier Jahre später ließ sie sich scheiden. Trennungsgrund: Langeweile und der Drang nach Hollywood. Auch die Ehe mit Baseball-Spieler Joe DiMaggio hielt nicht lange. Die berühmte Szene aus dem Film „Das verflixte 7. Jahr“, in der ein Luftzug aus dem U-Bahn-Schacht ihr weißes Kleid nach oben wehte, verewigte sie auf heute inflationär verkauften Dekoartikeln und verärgerte DiMaggio, der krankhaft eifersüchtig gewesen sein soll. Nur vier Wochen nach besagtem Luftzug-Ereignis reichte Marilyn die Scheidung ein. Ihre dritte und letzte Ehe mit Dramatiker Arthur Miller endete damit, dass Miller sie als Hure bezeichnet haben soll, als Ehefrau, die genauso fehlerhaft sei wie seine davor.

Gefeiertes Sexsymbol einerseits, private Probleme andererseits – diese Dichotomie fand ihre Zuspitzung in der Art, wie Marilyn diese Zerrissenheit zu bekämpfen suchte: Amphetamine gegen die innere Leere, Barbiturate, um die chronische Schlaflosigkeit in den Griff zu bekommen. Zwei einflussreiche Männer verkomplizierten das Ganze obendrein: Präsident John F. Kennedy und sein Bruder, Robert „Bobby“ Kennedy. Mit beiden soll sie verbandelt gewesen sein. Dass John F. Kennedy kein Kind von Traurigkeit war, ist allgemein bekannt. Von Camelot, der glitzernden Märchenwelt, die Ehefrau Jackie nach dem tödlichen Attentat auf ihren Mann medienwirksam beschwor, blieb in der Realität nicht viel übrig.

Spielball mächtiger Männer

Mit Bobby Kennedy, seinerzeit Justizminister, brachte man Marilyn Monroe zunächst kaum in Verbindung, doch war es wohl er, dem sie in ihren letzten Lebensmonaten zugetan war. Die beiden sollen moralische Fragen von Atomtests besprochen haben, kurz bevor er in der Wüste Nevadas einem Atombombentest beiwohnte. Kuba, die Schweinebucht – Am Höhepunkt des Kalten Krieges war es fatal, derart zu plaudern. Obendrein galt Marilyn Monroe als Linke, dank Ex-Ehemann Arthur Miller und kommunistischer Freunde. In einem Anruf soll Bobby Kennedy die Liaison beendet haben.

Erst im letzten Drittel rekonstruiert die Doku jene schicksalhafte Nacht vom vierten auf den fünften August, enthüllt jedoch nichts, was nicht vorher schon bekannt gewesen wäre. Bobby Kennedy soll am Nachmittag noch bei ihr gewesen sein. Angeblich habe man gestritten. Marilyn fühle sich herumgereicht und benutzt. Ein Sanitäter behauptet, dass sie noch lebte, als man sie fand. Erst im Krankenwagen sei sie verstorben. Man habe sie dann zurück ins Haus gebracht, um Kennedy genug Zeit zu geben, die Stadt zu verlassen.

Anthony Summers ist davon überzeugt, dass die Umstände ihres Todes bewusst vertuscht worden sind, um Kennedy zu schützen. Von Mord geht er nicht aus, ob es Selbstmord oder ein Versehen gewesen sei, könne er nicht sagen. Der offizielle Obduktionsbericht hingegen schließt ein Versehen aus, die Menge der Tabletten sei dafür zu hoch gewesen. Andere Hobbydetektive meinen, Beweise dafür gefunden zu haben, dass Marilyn alles öffentlich machen wollte und Bobby sich ihrer mit einem Gift-Cocktail entledigt habe.

All diese Vermutungen und Behauptungen sind wohl kaum mehr als ein paar Puzzleteile im Leben und Sterben der Marilyn Monroe. Die Netflix-Doku zeigt sie als Opfer ihrer Umstände, in einer männerdominierten Welt, in der die Frau schön auszusehen und sexuell verfügbar zu sein hat. Monroe soll sich immer nach einer Familie und Liebe gesehnt haben, nach jener Wertschätzung, die ihr in der Kindheit verwehrt wurde. Ihre Schauspielkollegin Jane Russell sagte einst über sie: „Wenn die Kamera lief, war es, als würden überall die Lichter angehen.“

Die Doku Mysterium Marilyn Monroe: Die ungehörten Bänder läuft bei Netflix.

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