Der Kapstädter Großbrand im April machte weltweit Schlagzeilen. Die freiwillige Feuerwehrfrau Kelly Vlieghe rettete im Inferno einen Kollegen
13:49 Uhr: „Wütender Brand beschädigt Teile des Rhodes Memorial Restaurants“
15:48 Uhr: „UCT [Anm. d. Red., Universität von Kapstadt] evakuiert Studierende während Waldbrand außer Kontrolle gerät“
Am Nachmittag des 18. April überschlugen sich die Meldungen auf den südafrikanischen Nachrichtenseiten.
Kelly Vlieghe kletterte mit einem Freund in Felsen, als sie die Rauchschwaden in der Ferne bemerkte. Wenig später klingelte das Handy. „Wir haben den Einsatzaufruf erhalten. Mein Freund und ich sind von dort dann direkt zur Feuerwache geeilt“, erinnert sich die 34-Jährige. Beide sind Mitglieder der „Voluntary Wildfire Services“ (VWS), einer freiwilligen Feuerwehr für Waldbrände in Kapstadt.
18:31 Uhr: „UCT-Bibliothek in Flammen“
Am frühen Abend schossen haushohe Flammen, gespeist von Tausenden Büchern, aus der Universitätsbibliothek. Als sich schließlich die Nacht über die Stadt legte, leuchtete das orange Licht des brennenden Tafelbergs kilometerweit. Kellys Schicht endete gegen 20:00 Uhr, die Nachtteams von VWS fingen da erst an. In den sozialen Medien riefen viele Kapstädter*innen zum Gebet für die Feuerwehrkräfte auf.
Bei 1,57 Metern Körpergröße liegen Kellys Augen meist auf Schulterhöhe der männlichen Feuerwehrkollegen. Ihre Sätze sind kurz, Füllwörter und Floskeln fehlen. Die tiefe Stimme hebt sie selten. Oft schaut sie am Gegenüber vorbei oder auf den Boden. Kelly scheut das Belanglose. Bei der freiwilligen Feuerwehr sprechen sie nicht über das Wetter, um Stille zu füllen, sondern weil es Trainingsbedingungen und Brandwahrscheinlichkeiten beeinflusst.
Zu acht verschiedenen Bränden ist sie seit Januar ausgerückt, manchmal über mehrere Tage. „Es war eine ruhige Waldbrandsaison für mich dieses Jahr“, meint sie dazu. Im Durchschnitt werden die freiwilligen Feuerwehrleute von VWS zwischen November und April 30 bis 40 Mal in Kapstadt und Umgebung zur Hilfe gerufen. Viele kleine Feuer löschen sie bevor sich diese ausweiten können. Auch bei Großbränden ist die Millionenmetropole auf Ehrenamtliche angewiesen. Am 18. April, dem Höhepunkt des Aprilfeuers, kämpften 100 VWS-Freiwillige neben 80 bis 90 Professionellen gegen die Flammen, so schätzt die Kapstädter Berufsfeuerwehr.
Ironischerweise sind es gerade die Katastrophen, die VWS weitere Mitglieder bescheren. Zum bereits zweiten Einführungstraining seit dem Aprilfeuer stehen am 8. Mai um 8 Uhr morgens 4 Frauen und 11 Männer vor der Wache. Die Jüngsten haben das Einstiegsalter von 18 Jahren wohl gerade erreicht, zwei Endfünfziger sind auch dabei. Kelly übernimmt bei VWS zusätzliche Managementaufgaben und koordiniert das Training im Hintergrund.
Die Neulinge lernen in Gruppen das korrekte Ent- und Aufrollen von Schläuchen, proben Feuerwehrkommandos und verteilen sich zwischen Bäumen, deren Kronen in der Morgensonne grün oder gelb leuchten, um den Umgang mit Walkie-Talkies zu üben. Dazu strahlt der Himmel in blau. Die Schatten der Bäume ergänzen die Kulisse um starke Hell-Dunkel-Kontraste. Im Hintergrund thront der 1.086 Meter hohe Tafelberg, um dessen Gipfel sich eine schneeweiße Wolkendecke legt.
Als Kelly zuletzt im April Walkie-Talkies in den Händen hielt, übermalte schwarzer und grauer Rauch weite Teile des Himmelblaus. Ein YouTube-Video zeigt, wie eine durch Winde anwachsende Feuerwand ihr Team auf die Stadtautobahn M3 zurückdrängte. „Einige Feuerwehrleute von anderen Organisationen erlitten schwere Brandverletzungen, darunter einer von der Stadtfeuerwehr. Wir konnten uns in Sicherheit bringen und sahen zum Glück, wie er sich aus dem Rauch rettete. Wir haben ihn auf die M3 getragen, einen Krankenwagen gerufen und erste Hilfe geleistet“, erinnert sich Kelly.
Während des Einführungstages schaut sie oft still aus der Distanz zu. Vor den beiden Hubschrauberlandeplätzen erklärt sie, wie die Hubschrauber Feuerwehrleute zu schwer zugänglichen Bränden fliegen. Dass sie selber am 20. April auf den Tafelberg flog, erzählt Kelly erst auf Nachfrage. „In manchen Jahren fliegen wir ein oder zwei Mal mit, in anderen gar nicht“, erklärt sie. Wie oft sie schon mitgeflogen sei, wisse sie nicht genau.
Das Aprilinferno brannte in den ersten beiden Tagen eine Fläche von 400 Hektar nieder. Am 2. Mai, 14 Tage nach dem Ausbruch, löschte der Verbund aus Berufsfeuerwehr und Freiwilligen die letzten Brandherde. Der Kampf um die Universitätsbibliothek ging verloren. Dort, wo sich einst Zehntausende Bücher aufreihten, krümmen sich nun verbogene Stahlträger der Dachkonstruktion den Aschebergen auf dem Boden entgegen. Die Feuerwehrkräfte trugen aber dazu bei, dass der bedrohte obere Campus nicht vollständig verloren ging. Der Brand verletzte sechs Feuerwehrleute, einen davon direkt neben Kelly.
Während der Rettungsaktion für den Kollegen sei sie in einem Überlebensmodus gewesen. „Als das Feuer vorüber war, habe ich Videos gesehen, wie Andere gegen das Feuer kämpften, besonders an der UCT, wo ich studiert habe. Da wurde ich emotional“, erinnert sie sich.
Aber Kelly macht weiter, immer weiter. Trotz Vollzeitjobs investiert sie pro Woche 10 bis 15 Stunden in Trainingseinheiten und Planungsaufgaben für die freiwillige Feuerwehr. Bei Bränden unter der Woche verhandelt sie mit ihrem Arbeitgeber. Für den Löscheinsatz im April tauschte sie zum Beispiel Urlaubszeit ein. Kelly sagt: „Es ist auf eine Weise eine unvergleichliche Flucht aus dem normalen Leben.“
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