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Viele Menschen engagieren sich still und leise...

Täte es uns allen nicht mal auch gut, den Blick auf positive Nachrichten aus Sachsen zu richten? Dass zum Beispiel das Aktionsbündnis „Leipzig nimmt Platz" für seine Zivilcourage den Gustav-Heinemann-Preis gewonnen hat? Der mit 10.000 Euro dotierte Preis geht also nach Sachsen, so wollten es die TeilnehmerInnen des öffentlichen Online-Abstimmungsverfahrens.


So gesehen ist das doch eine gute Nachricht für Sachsen, oder etwa nicht? Doch der Preis für Zivilcourage ist für manch(e) LeipzigerIn noch längst kein Grund, sich auszuruhen - denn seit einigen Wochen ist schon das nächste Projekt für Weltoffenheit und Zivilcourage angelaufen. Diesmal: Um „Druck (zu) machen. Für ein anderes Sachsen".

Die Leipziger Initiative ist neu gegründet. Auch hier: Gegen Legida, gegen Pegida, gegen die Offensive für Deutschland, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Rassismus, gegen Hass und Hetze. Doch „Druck machen. Für ein anderes Sachsen" versteht sich vielmehr als sachsenweite Organisation. Initiiert hat es Christin Melcher, sie kennt man als Vorstandssprecherin bei den Bündnis 90/die Grünen in Leipzig, sie ist erfahren und involviert im Bündnis „Leipzig nimmt Platz". Sie sagt, man könne nach Heidenau, Freital und erst recht nach Clausnitz nicht einfach so weitermachen wie vorher. Bei „Druck machen" arbeite man eng mit anderen Initiativen zusammen, mit ihnen gemeinsam sollen sachsenweite Forderungen artikuliert werden. Vor allem sei man nicht „so sehr Protest", sondern wolle eher konstruktiv und eben in die konstitutionelle Veränderungen von Sachsen gehen.

Ein dezidierter Forderungskatalog, gerichtet an die sächsische Staatsregierung, soll erstellt werden. Ziel sei es, Forderungen von verschiedenen Initiativen zusammenzuführen - denn je mehr sich daran beteiligen, umso höher wäre der Druck, so Melcher. Bislang fehlte es daran. „Nur wenn wir viele sind, können wir tatsächlich soviel Druck aufbauen, dass eine CDU-Regierung auch mal darüber nachdenkt, wie man Sachsen tatsächlich besser gestalten könnte." Man wolle nicht nur die Vereine, sondern auch die Leute mitnehmen, die tatsächlich auch in der Ankommenskultur arbeiten und sich engagieren. Der Unterstützerkreis ist groß, die Zahl der Erstunterzeichnenden kann man hier nachlesen.

Sie betont, dass diese auch von Leuten käme, die sagen: „Ok, wir möchten nicht mehr, dass das Sachsen immer wieder mit rassistischen Übergriffen in Verbindung gebracht wird und wir wollen tatsächlich etwas ändern, und auch konstruktiv dagegen wirken, dass solche Vorfälle nicht mehr passieren." In einer Passage auf der Seite „Druck-machen.org" heißt es „Sächsische Verhältnisse" seien „längst zu einer Chiffre für unhaltbare Zustände geworden" und weiter „Institutioneller Rassismus" sei „weit verbreitet in der Sächsischen Verwaltung und Justiz".

Das heißt: Für Melcher seien diese Probleme in der politischen Kultur verankert, in einer Entpolitisierung der Gesellschaft während der DDR-Zeit und durch die 25 Jahre CDU-Regierung habe sich diese Lage verschärft. So käme Racial-Profiling tagtäglich vor, vor Allem gebe es ein enormes Demokratiedefizit in staatlichen Institutionen. Sie kritisiert insbesondere die Kriminalisierung des Gegenprotestes seit Beginn von Pegida und Legida. Hitler-Grüße hingegen würden nicht strafrechtlich verfolgt, doch von einer Zivilgesellschaft, die aufsteht, wolle man, also die sächsische Regierung, nichts wissen. „Ganz nach dem Ausdruck: Wir haben kein Problem mit Rechtsextremismus", so Melcher.

Dass Sachsens Image so schlecht sei, das läge an denen, die den Protest gegen Rassismus auf die Straße bringen, so beispielsweise Verlautbarungen von der CDU Fraktion (Frank Kupfer). Melcher wird konkreter: „Der Fall von Juliane Nagel (Hinw. d. Red.: Die Linke, sächsische Landtagsabgeordnete) ist auch ein ganz eindringliches Beispiel: weil sie zum Widerstand gegen die Nazi-Kundgebung aufgerufen hat wird sie strafrechtlich verfolgt, und wie da auch mit einer Konsequenz, mit einer Vehemenz vorgegangen wurde, ist schon erschreckend."

Die Initiatorin von „Druck machen" sieht es realistisch, Sachsen sei nicht so schnell veränderbar, es sei ein Prozess, das passiere nicht von heute auf morgen. Melcher setzt auf Langfristigkeit, auf eine bessere Kommunikations- und Vernetzungsstruktur, denn es gebe viele Leute, auch im ländlichen Raum, die sich engagieren, gegen Rassismus. „Druck machen" wolle das alles zusammenbringen, deutlich machen, dass es ein anderes Sachsen gebe.

Nicht alles müsse man hinnehmen. Aber unabhängig davon müsse auch immer wieder betont werden, dass es nicht nur in Sachsen ein Problem mit Rassismus gebe. Allerdings dürfe man nicht wegschauen, nur weil keine Flüchtlingsheime brennen, hieße das nicht, dass das Problem mit Rassismus beseitigt sei. Christin Melcher bleibt optimistisch: „Wir wollen Sachsen natürlich einfach auch nicht aufgeben. Und es gibt viele Menschen, die sich engagieren, die machen es eben still und leise..."

Info: Konferenz mit Workshops fand am 30.April im Polnischen Insitut in Leipzig statt. Weitere Termine sind in Planung. Weitere Infos gibt es unter Druck-machen.org


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