Es ist schwer verdauliche Kost, die der deutsch-ägyptische Politologe Hamed Abdel-Samad in seinem Buch "Der islamische Faschismus" serviert. Eine seiner Grundannahmen lautet, dass Islam und Faschismus verwandt seien, denn beide würden sich aus der gleichen Geisteshaltung speisen. Allein dafür schon haben radikale muslimische Geistliche zu Abdel-Samads Ermordung aufgerufen. Nicht zum ersten Mal. Bereits im Jahr 2009 wurde er für seine Kritik am radikalen Islam mit einer Fatwa belegt.
Faschismus gleich Islamismus?"Der moderne Islamismus", schreibt Abdel-Samad, sei zeitgleich mit dem Faschismus in den 1920er-Jahren entstanden. Beide, sowohl Faschismus als auch Islamismus, würden die Welt in Freund und Feind einteilen, ihre Anhänger mit Ressentiments und Hass vergiften und ihren Gegnern mit Vergeltung drohen. Davon ist Abdel-Samad unerschütterlich überzeugt. Beide Ideologien würden sich gegen die Moderne, gegen den Marxismus, gegen Juden richten und Militarismus sowie Opferbereitschaft bis in den Tod glorifizieren. Abdel-Samad zeigt Parallelen zwischen beiden Ideologien auf und fügt als Fußnote islamistischer Literatur die Vordenker der ägyptischen Muslimbruderschaft, Hassan al-Banna und Sayyid Qutb, ein.
Muslimbruder Abdel-SamadManche historische Details zeugen von Detailwissen, immerhin war der Sohn eines ägyptischen Imams selbst drei Jahre lang Mitglied der berüchtigten Muslimbrüder in Ägypten und kennt deren Strukturen gut. Während seines Studiums an der Kairoer Universität fand er eine soziale und geistige Alternative, fernab von der Umgebung seines religiösen Vaters, wie er später erzählen wird.
Auf 224 Seiten schlägt Abdel-Samad einen Bogen von den Schriften des Propheten über die Radikalisierung der muslimisch geprägten Jugend in Europa bis hin zur Entstehung der Muslimbruderschaft. Dabei beruft sich der Autor leider nur auf einzelne Protagonisten, es sind Politologen und umstrittene Geistliche. Hierbei fehlt die Faktendichte, die bei diesem Thema, das von erheblicher Komplexität ist, unumgänglich erscheint.
Kaum sachliche DifferenzierungEs ist schwer, die drastischen Thesen des 42-Jährigen durchgehend ernst zu nehmen. Es fehlt die notwendige Differenzierung, die zu einer klaren Einordnung führt. Abdel-Samad lässt den Raum für Spekulationen offen, dies ist gerade vor dem Hintergrund seiner Absicht, den islamischen Faschismus hinreichend zu analysieren schädlich. Auch wenn er nur durch Polarisierung wachrütteln wollte, wie er beteuert.
Besonders spürbar wird das vor dem aktuellen ägyptischen Kontext, den Abdel-Samad beschreibt. Für ihn ist die Absetzung des Präsidenten Mohammed Morsi und seiner Anhänger ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung, gleichzeitig erwähnt er kaum, dass auch nun Teile der Muslimbrüder ins Visier genommen wurden.
Gegen Salafismus und PolitisierungSchließlich fordert Abdel-Samad, dass sich die große schweigende Mehrheit der Muslime in Deutschland, die im Übrigen sehr friedlich lebt, stärker zu Wort melden soll. Sie seien aufgefordert, Debatten zu entfachen und Kritik am starken Einfluss von politisierten Islamverbänden und autonomen Salafistengruppen zu äußern.
Abdel-Samads Aufruf zu mehr öffentlicher Kritik an jenen Vereinen in Europa, die demokratiefeindliche Ziele verfolgen, ist zu begrüßen. In der Tat fehlt die sachliche Kritik an vorhandenen Zuständen, willfährige Handhabung war bislang die Praxis seitens der Politik - das Ergebnis liefern etliche Berichte über die Verbreitung von Salafismus in Deutschland und auch in Österreich. Dass Abdel-Samad die große Mehrheit der moderaten Muslime mit seinen besonders radikalen Thesen und harschen Tönen erreichen kann, ist aber zu bezweifeln. Sein Buch wird eher zu weiteren Reibungen als zur sachlichen Auseinandersetzung beitragen. ( Toumaj Khakpour, daStandard.at, 7.5.2014)