Sommer, Sonne, Wasser – dazu gehört der Geschmack von Eis am Stil, der Geruch von Sonnencrème und - wenn wir uns am Rande eine Pools befinden – auch dieser Sound: Schreien und Platschen. Das typische Geräusch von Arschbomben eben. Einer Wassersprungvariante, der ich persönlich zwar nie viel abgewinnen konnte - die aber Jungs in Bermuda-Shorts Jahr für Jahr aufs Neue zu faszinieren scheint. Jedenfalls stehen die Schlange an den Dreimetertürmen, um mit möglichst hohen Fontänen ins Wasser einzutauchen. Dass diese vermeintlich primitive Form der Sprungkunst durchaus das Zeug zur Perfektion hat, mag überraschen, aber genau darum geht es bei der Arschbomben- oder wie es dann heißt Splashdiving Weltmeisterschaft im Freibad Sindelfingen dieses Wochenende. Bis zuletzt haben die Anwärter auf den Titel noch trainiert. Mit dabei war mein Kollege Tobias Krone. Hallo Tobias.
Hallo Katja.
Tobias, mit wem warst du denn da genau wo unterwegs?
An diesem Tag hat die Nachwuchsmannschaft der deutschen Splashdiver ihr Trainingsbecken in Bayreuth verlassen und ist ins Fichtelgebirge gefahren, mitten im Wald liegt ein See. Wir haben an einem Waldweg geparkt und sind dann gemeinsam durchs Gebüsch gekraxelt.
Warum so weit ab vom Schuss – das klingt ziemlich versteckt..
Die genaue Ortsangabe muss geheim bleiben, denn dieser See ist im Privatbesitz. Und nur Oliver Schill, der Trainer der Nationalmannschaft, hat die vertragliche Erlaubnis, dort mit seiner Mannschaft von den Felsen runterzuspringen. Das ist ein alter Granitbergbau, heute ein Krater, in dem sich opalgrünes Wasser gesammelt hat – der Anblick war tatsächlich berauschend – und respekteinflößend, auch für den Splashdiving-Nachwuchs.
Oliver Schill: „Jungs, hier, 12 Uhr, eure Absprungstelle, satte 17 Meter, auf 12 Uhr.“
- „Geil.“
- „Scheiße, ist das hoch!“
Oliver Schill: „Ja das ist hoch, und kalt, aber jetzt kommt gleich die Sonne rein, und dann wird das alles 26 Grad Badesituation...“ (Lachen.)
Viele von denen haben ja zum ersten Mal die Arschbombe von der Felswand aus 17 Meter ausprobiert. Normalerweise springen die ja maximal vom 10-Meter-Turm. An diesem Tag haben sie den speziellen Kitzel gesucht. Also gewissermaßen die Off-Road-Variante des Turmspringens.
Warum nennen die sich eigentlich Splashdiver und nicht einfach Arschbomber?
Da spielt mal wieder der Funsport-Aspekt mit eine Rolle, es klingt einfach cooler. Und wird auch dem internationalen Anspruch gerecht, den die deutsche Arschbomben-Gemeinde erhebt.
Oliver Schill: „Am Anfang hießen wir auch nur Arschbombe, ja? Nur wir mussten dann jemanden aus Nigeria erklären, was Arschbombe bedeutet, weil wir in den Medien plötzlich populär wurden und man hat Filme bei Youtube und sowas dann auch im Ausland gesehen, und es ist relativ schwierig gewesen, das Wort Arschbombe dann im Ausland zu erklären, und deswegen gab es dann das Wort Splashdiving.“
Also hinter dem Wort steckt auch so eine Art Missionierungseifer: die Arschbombe in der Welt zu verbreiten. Zumindest haben sie schon eine recht professionelle Marketingstrategie, denn Oliver Schill, ist auch ganz offiziell der Inhaber der Marke Splashdiving. Wenn er nicht Arschbomber trainiert, dann arbeitet er als Kommunikationsdesigner, weiß also auch, wie er seine Marke voranbringt. Mit eigens verfasstem Regelwerk und internationalen Wettkämpfen.
Will er das auch zu einem richtigen anerkannten Sport machen, also vielleicht sogar zu einer olympischen Disziplin?
Die Frage steht ja im Raum, aber die Sache ist ambivalent. Denn einerseits sehen die Arschbomber sich mit ihren akrobatischen Sprüngen als Sportler, andererseits soll das natürlich die Lässigkeit eines Funsports nicht verlieren. Deshalb hat Oliver Schill dann auch konsequenterweise das Ziel 2072 in die Statuten geschrieben. Also in 60 Jahren soll Splashdiving olympisch sein.
Siehst du auch olympisches Potential in der Arschbombe?
Ich kann sagen: Die bereiten sich wirklich ernsthaft vor. Sogar mit Aufwärmtraining am Ufer.
TK: „Jetzt gibt’s die Skigymnastik für die Splashdiver.“
Oliver Schill: „Skigymnastik für Arschbomber genau.“
TK: „Und was muss man da jetzt so aufwärmen?“
Oliver Schill: „Wie bei jedem Sport ist es bei uns auch, die ganze Muskulatur, und auch Dehnübungen, dass wir hier nicht stocksteif beginnen, das ist also ganz wichtig.
Ein ganz schöner Vorlauf, bis man mal zum wirklichen Springen kommt. Warum muss man sich so aufwärmen?
Man muss dazusagen, der Splashdiving-Coach Oliver Schill ist ein ausgebildeter Trainer für Turmspringen. Und so sind die Jungs dann erstmal joggen gegangen und haben die Sprungmuskulatur aufgewärmt.
Hast du das auch mal ausprobiert?
Du, ich hatte das wirklich – sozusagen – 'felsenfest' vorgehabt. Aber zum einen war da die Wassertemperatur von 12 Grad, dann die Außentemperatur von etwa 16 Grad im Schatten – die Jungs hatten ihre Neoprenanzüge dabei – und ich dachte mir: Ach, mir reicht es, zuzuschauen.
Platsch!
„Das ist einfach Freiheit pur, weil man fliegt und man fliegt und man fliegt. Und irgendwann knallt man auf das Wasser, das ist ein richtiger Schlag, aber man fühlt sich einfach richtig gut. Das ist der Wahnsinn, unbeschreiblich.“
Wow, das war ja überzeugend! Aber diese Freiheit, die erkauft man doch auch mit Schmerzen, oder? Jeder, der schon mal ein Arschbombe gemacht hat weiß: Dass tut weh, schon wenn man vom Einer springt....
Klar, da das ja Arschbomber sind, springen die nicht so einfach ins Wasser, sondern müssen, damit es eine richtig schöne Fontäne gibt, da ja richtig auf der Wasseroberfläche aufklatschen. Und das führt dann zu einem entsprechend heftigem Aufprall. Oliver Schill hat dann auch zugegeben: Früher mal hat er sich hier beim Klippenspringen das Steißbein gebrochen.
Ist da nicht auch irgendwo so ab einer gewissen Höhe eine Grenze erreicht? Wie hoch kann man da gehen?
Die Grenze bisher hat Christian Guth erreicht. Der hat 2013 von einem Helikopter aus eine Arschbombe aus 43 Metern gemacht – und ist dabei nur knapp an einer Querschnittslähmung vorbeigeschrammt. Aber das zählt Oliver Schill schon klar zu den Stunt-Sprüngen und nicht zum regulären Splashdiving, das bleibt ein Schwimmbadsport und geht nur auf zehn Meter hoch.
Nachdem wir jetzt über die Risiken gesprochen haben - haben die eigentlich gar keine Angst, wenn die von da oben runterspringen? Wegen der Gefahren, aber auch wegen der Höhe. Im Schwimmbad war für mich schon der 5er das höchste der Gefühle….
Diese Frage habe ich auch gestellt – und zwar dem Jüngsten in der Runde, dem 15 Jahre alten Ömer Hidir aus Lübeck.
TK: „Welche Rolle spielt Angst bei dem was Ihr hier tut?
Ömer Hidir: „Eine sehr große Rolle. Man kann zum Beispiel Angst vor einem Sprung haben – und den deshalb nicht machen, man kann Angst haben und während man den Sprung letztenendes dann doch macht, dann also aus Angst irgendwie abbrechen und dann verliert man seine Rolle total und vergeigt den Sprung komplett, oder – naja, das beste ist eigentlich, dass man, wenn man Angst hat, probiert, die Angst zu überwinden. Aber man sollte nicht, wenn man sehr viel Angst vor einem Sprung hat, den einfach durchziehen, sondern erst wenn man sich sehr sicher ist. ((Gerade bei so etwas, weil hier sind die Verletzungsrisiken viel höher als beispielsweise – also wie im Vergleich in der Schwimmhalle.))“
PLATSCH!
Ömer Hidir: „Woooow! Voll in den Ripper rein. (Ruft) war das ein Ripper?“
TK: „N Ripper heißt?“
Ömer Hidir: „Ähnlich wie eine Kerze, außer, dass der Körper glaub ich um 30 Grad gedreht ist, in leichter Rückenlage.“
Aua, klingt schmerzhaft, der Ripper – ist das von den Figuren her vergleichbar mit dem Turmspringen, wo es dann auch Schrauben, Saltos, Kerzen usw gibt?
Ja, kann man so sagen, nur, dass man beim Splashdiving nicht möglichst elegant ins Wasser eintaucht, sondern mit einer Riesenfontäne. Und da gibt es dann ganz viele Varianten.
Die einzelnen Sprungformen hat der Trainer Oliver Schill zu einem Typologien-Katalog zusammengefasst. da gibt es die Kartoffel – Bombe mit dem Kopf voraus – da gibt es die schmale Katze oder den offenen Elvis... Hinter den Namen steckt viel Akrobatik gepaart mit Anarcho-Coolness, aber auch diese urmännliche Lust daran, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Vielleicht machen das deshalb auch nur junge Männer. Die Splashdiver beklagen einen chronischen Frauenmangel in ihren Reihen.
Hier der tapfere ‚Ripper‘ Philipp Kinkel, als er aus dem Wasser steigt.
Verschiedene Stimmen:
„Das sah so geil aus.“
„Das war der Wahnsinn. Du glaubst nicht, wie episch das da unten aussah.“
„Ja, wirklich? Ich will mal das Video sehen.“
„Das war voll geil der letzte.“
„Boho! Die Fontäne ey, das war der Wahnsinn.“
„Das hat mir die ganze Wirbelsäule zusammengedrückt.“
„Das hat aber auch gescheppert, du!“
„Voll Geil, der erste Sprung von 17!“
„Du hast meinen höchsten Respekt, Phil!“
Die Stimmung unter den Jungs hört sich ja wirklich ziemlich gut an.
Die pumpen in dem Moment ja auch noch richtig Adrenalin. So eine Arschbombe, die löst beim Springer ein Glücksgefühl ganz besonderer Art aus. Der Splashdiving-Guru Oliver Schill hat mir das so beschrieben.
Oliver Schill: „Sie kommen aus sagen wir mal zehn Meter Höhe auf die Wasseroberfläche. Jetzt ist der erste Moment, in dem der Arsch Kirmes feiert. So. Und in dem Augenblick haben Sie eine Wohlwehe, die durch den ganzen Körper geht, diese Wohlwehe geht in ein Glücksgefühl über, dieses Glücksgefühl sind hormonelle Ausschüttungen vom wahrscheinlich Hypothalamus, und derjenige, wenn aus dem Wasser rauskommt, ist mit höchstem Glück und fast einer Glücksseligkeit bestückt, das heißt, so ne Arschbombe ist nicht nur was für den Körper, sondern auch was für das Glück.“
Die Arschbombe aus 17 Metern als Weg zur Glücksseligkeit. Mehr braucht man glaube ich wirklich nicht dazu sagen. Hast du vielleicht noch eine letzte dabei?
Klar.
Springer: WOAAAH!
3 Sekunden später
PLATSCH!
„Woah ist das lang!“
„Boah ist das n Schlag Alter! Ave Maria“
„Hahaha!“
Mit den Arschbombern im fränkischen Fichtelgebirge unterwegs für uns, Tobias Krone, vielen Dank für deinen Einblick.
Gerne.
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