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Nora fiebert ihrem ersten Rennen entgegen

Nora fiebert ihrem ersten Rennen entgegen Formula-Student-Team der Technischen Hochschule Nürnberg tritt bei einem Wettbewerb in Italien an - 09.09.2013 15:57 Uhr

Nürnberg  - Nach jahrelangem Hinterherhinken ist es jetzt endlich soweit. Ein Team der Technischen Hochschule Nürnberg tritt in der Formula Student an. Aber lassen wir doch das Rennauto selbst erzählen: Es heißt Nora, berichtet von seiner Entstehung und blickt voraus auf seinen ersten großen Einsatz.

Der große Moment: die offizielle Enthüllung des fertigen Rennautos.

Foto: Strohm & Söhne

Der große Moment: die offizielle Enthüllung des fertigen Rennautos.

Fünf junge Männer treten durch eine Stahltür ein. Sie sehen sich kurz in dem Raum um, der voller technischer Gerätschaften ist. Nach kurzer Zeit beginnen die Herren, mich mit ihren Messinstrumenten zu begutachten. Nun kommen auch noch andere Werkzeuge ins Spiel, und die fünf Jungs beginnen, an mir zu arbeiten.

Wer nun denkt, er wird Zeuge eines chirurgischen Eingriffes, liegt nicht mal so verkehrt. Es gibt nur einen gravierenden Unterschied: Ich bin kein Mensch, sondern ein Auto. Die jungen Herren sind auch keine Halbgötter in Weiß, sondern Studenten an der Technischen Hochschule Nürnberg.

Sie beteiligen sich an einem Projekt mit dem Namen Formular Student. Es geht darum, einen Rennwagen mit Elektromotor zu bauen. Mich. Ich heiße Nora, das steht für Noris Racing. Für das Projekt haben sich die Studenten unter dem Namen Strohm & Söhne zusammengeschlossen. Das „Strohm“ enthält „Ohm“, den Namen der Hochschule, und klingt wie „Strom“, der mich antreibt. Auf und neben den Tischen in der Werkstatt kann ich Gerätschaften erkennen, die das Herz jedes Maschinenbauers höher schlagen lassen. Doch bei diesem Projekt wird nicht nur der Wagen selbst – also ich – bewertet, sondern zudem meine Vermarktung, ein Businessplan und eine Kostenanalyse.

Der Anfang: ein paar Räder, ein bisschen Werkzeug und sehr viel Begeisterung.

Foto: Strohm & Söhne

Der Anfang: ein paar Räder, ein bisschen Werkzeug und sehr viel Begeisterung.

Auf diese Weise können auch Studenten und Mitarbeiter von anderen Fakultäten, die wenig mit Technik am Hut haben, bei der Formula Student mitmachen. „Durch die Arbeit bei Strohm & Söhne lernt man viele Leute kennen. Für das weitere Studium sind solche Beziehungen sicherlich hilfreich“, meint Maschinenbau-Student Rolf Seebeck, einer der Teamchefs.

Anfangs war das ganze Projekt noch ziemlich chaotisch. Aber die Probleme wurden bald überwunden und verschiedene Unterteams kümmerten sich um meine einzelnen Komponenten. Aber alle zusammen haben ein langfristiges Ziel: „Bei den Besten mitmischen“, sagt Nico Richter, ein anderer Teamchef.

Ein ganz wichtiger Schritt: Der Gitterrohrrahmen ist fertig.

Foto: Strohm & Söhne

Ein ganz wichtiger Schritt: Der Gitterrohrrahmen ist fertig.

Ob das jetzt schon klappt, wird sich Ende dieser Woche zeigen: Vom 13. bis 16. September fahre ich mit dem Team Strohm & Söhne zu einem internationalen Formula-Student-Wettbewerb in Italien. Für die Jungs und Mädels – ja, auch ein paar Mädels sind dabei – ist es der allererste Wettkampf seit Gründung der Gruppe im Sommer 2011. Für mich natürlich auch.

Aber ich fühle mich bestens gerüstet. Den sogenannten Roll out vor ein paar Wochen habe ich gut überstanden. Ich wurde komplett in meine Einzelteile zerlegt, auf eventuelle Beschädigungen geprüft und wieder zusammengesetzt. Da haben die Teammitglieder ganz schön geschwitzt und geflucht.

Mein Fahrwerk wurde von einer Konstruktionsgruppe unter der Leitung von Prof. Hans-Jürgen Tretow gezeichnet. Es besteht aus Baustahl und Aluminium. Diese Bauweise findet sich im Rennsport wieder. Und sie haben mir Dämpfer verpasst, richtige Rennsportdämpfer, die ganz verschiedene Abstimmungen ermöglichen.

Sehr viel Arbeit: Teile wie Radaufhängung und Bremsen werden angeschraubt.

Foto: Strohm & Söhne

Sehr viel Arbeit: Teile wie Radaufhängung und Bremsen werden angeschraubt.

Die werden wir in Italien auch dringend brauchen. Denn die sogenannten Dynamic Events, bei denen ich aktiv bin, bestehen aus vier Teilen: 1. Acceleration = ein Beschleunigungsrennen auf einer 75 Meter langen Geraden; 2. Skid Pad = eine Strecke in Form einer Acht; 3. Auto Cross = eine Rundstrecke, die auf Zeit zu fahren ist; 4. Endurance = eine Langstrecke über 22 Kilometer mit Fahrerwechsel.

In jedem dieser Teilwettbewerbe werden Punkte vergeben und Ranglisten erstellt. Aus der Addition aller Punkte ergibt sich dann das Gesamtklassement.

Da kommt einiges auf mich zu. Mein Chassis wurde von den Studenten alleine konstruiert und umgesetzt. Hierbei handelt es sich um einen Stahlgitterrohr-Rahmen. „Wenn der gut konstruiert ist, ist der auch relativ leicht und kann hohen Belastungen Stand halten,“ behauptet Ralf. Wichtig wird vor allem sein, dass das Team die Verkabelung zu den Bremsen sowie zwischen dem Akku und dem Elektromotor richtig hinkriegt. Der Motor wurde vom Hauptsponsor Schaeffler zur Verfügung gestellt und wiegt nur 50 Kilogramm. Der Akku besteht aus 1512 einzelnen Notebookzellen mit 3,7 Volt und 1,3 Amperestunden.

Ganz entscheidend: der elektische Antriebsstrang.

Foto: Strohm & Söhne

Ganz entscheidend: der elektische Antriebsstrang.

Damit wird auch schnell klar, warum ich auf dem Prüfstand immer über ein Netzteil angesteuert werde. Sollte sich die Energie von sieben Kilowattstunden schlagartig auf einmal freisetzen, könnte dies zu einem Brand führen.

Ende der Woche in Turin werde ich meine ganz Power endlich loslassen können. „Was zählt, ist die technische Herausforderung“, sagt Nico. „Am wichtigsten ist, dass wir Nora richtig zum Laufen bringen“. An mir soll es nicht liegen. Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben.

Die Gedanken von Nora aufgezeichnet hat Tobias Freund. Er studiert Technikjournalismus im 3. Semester an der Technischen Hochschule Nürnberg.   

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