Tina Hoffmann

Freie Texterin und Journalistin, Berlin

1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Neu in Berlin: Das Deutschlandmuseum

Heute eröffnet am 70. Jahrestag des DDR-Volksaufstandes eine neue Familienattraktion in Berlin, die einen interaktiven, immersiven Ritt durch die deutsche Geschichte bieten will - von der Varusschlacht bis zum wiedervereinigten Deutschland, das Ganze in nur 12 Kapiteln. Ich durfte mir das Deutschlandmuseum schon vor zwei Tagen bei einem Presseevent ansehen ...

Die Reise beginnt im Jahr 9 n. Chr.

Dass hier alle Sinne angesprochen werden sollen, erkennt man gleich beim Betreten des ersten Bereiches, der euch mitnimmt in einen düsteren Wald. Weicher Boden, es huschen Gestalten durchs Dickicht, Vogelgezwitscher ... Ein extrem knapper Einleitungstext erklärt, was hier vor knapp 2.000 Jahren geschah.

Auch viele nicht-geschichtsversierte Besucher*innen dürften hier ein bisschen was an vagem Vorwissen mitbringen - schließlich hat Netflix den Kampf der Germanen gegen die Römer als „Barbaren" mit jeder Menge Sex und Blut unters Volk gebracht. Keine Kritik, ich liebe die Serie! Wer testen will, wie gut er sich auskennt, kann an einem Touchscreen an einem Quiz teilnehmen. Mit Vorwissen merkt man aber schnell, dass man nicht die Zielgruppe ist, was ich aber in Ordnung finde, schließlich sollen hier auch Kinder eine Chance haben.

Frage 4 lautet beispielsweise: „Wie wurde Arminius lange Zeit auch genannt?" Mögliche Antworten: Dieter, Herrmann, Klaus, Helmut. Echt lachen musste ich über den Kommentar von Erik Heier dazu im tip Berlin: „Wer hier „Helmut" klickt, ist tatsächlich ganz ohne Vorwissen ins Deutschlandmuseum gekommen. Oder überengagiertes Mitglied der CDU."

Das Mittelalter stinkt

Kaum betritt man die mittelalterliche Burg, nimmt man als erstes den Mief wahr, der einen umhüllt. Dazu schummriges Licht und der Blick aus dem Fenster auf das Leben im Mittelalter. Auch hier etliche Stationen, wo Mitmachen gefragt ist. In der Buchdruckerei könnt ihr euch beispielsweise ein Lesezeichen designen und ausdrucken. Sowas kommt bei Kids gut an, denke ich.

Ich hätte tatsächlich gerne deutlich mehr Zeit gehabt. Viel mehr als Eindrücke sammeln ist für die Presse heute aber nicht vorgesehen. Also weiter durch die Aufklärung ...

... und rein in die Barrikadenkämpfe der Revolution von 1848. Auch hier sind es für mich vor allem die Gerüche, die einen Eindruck hinterlassen.

Weltkriege und Zwischenspiel

Mit dem Eintritt in die Schützengräben des Ersten Weltkrieges ändert sich das allerdings. Hier ist es eindeutig die Soundkulisse, die man am intensivsten wahrnimmt. Kampfflugzeuge, Bombenabwürfe - es dröhnt ohne Ende und so richtig umschauen will man sich eigentlich gar nicht. Ab 5 Jahren soll das Deutschlandmuseum konzipiert sein, aber ich bin mir sicher, dass die Szenerie in diesem Alter für einige zu heftig ist.

Ich bin direkt erleichtert, als es in den 20er-Jahre-Bereich geht. Allerdings: zwar tanzen hier fröhlich Hologramme in einer Bar, aber der Bombenhagel ist hier noch mehr als deutlich zu hören. Überhaupt ist der Raum weniger verklärt, als ich es erwartet hätte. Prothesen gibt es hier ebenso zu sehen wie die Hyperinflation. Und schon stehen hitlergrußzeigende schwarze Figuren im nächsten Gang. Für mich eindeutig die am besten gestaltete Station der Attraktion: hier spürt und hört man förmlich, was für ein kurzes, fragiles Zwischenspiel die Weimarer Republik tatsächlich war. Mit einem Bein noch im Matsch der Schützengräben, mit dem anderen schon im nächsten braunen Sumpf.

Der Crashkurs deutscher Geschichte endet natürlich mit den Bereichen des geteilten und dann wiedervereinigten Deutschlands. Mit einer S-Bahn fährt man am Schluss, begleitet von den Sportfreunden Stiller und einigen berühmten Zitaten von Politiker*innen zurück ins Heute.

Die Idee des Deutschlandmuseums

In der Pressekonferenz stellten die Macher ihr Konzept so vor, dass sie möglichst viele Menschen abholen wollten: alle Altersklassen, mit und ohne Vorkenntnisse. Beeindruckend sollte es sein und fundiertes Geschichtswissen mit Freizeitparkcharakter vereinen. Man wollte sich der Geschichte spielerisch nähern und ein immersives Erlebnis bieten. Und Direktor Robert Rückel fügt noch hinzu, dass sie vor allem neugierig auf Geschichte machen wollen und ihr Ziel erreicht haben, wenn die Gäste danach ein Geschichtsbuch kaufen.

Deutschlandmuseum - Fazit

Ich persönlich mag ja solche Sachen sehr gerne - problematisch finde ich den Eintrittspreis, der maximal 21 Euro für einen Erwachsenen beträgt (es geht auch günstiger, z.B. als Frühbuchende), denn der Besuch wird auf eine Stunde veranschlagt. Für eine komplette Familie schon eine teure Stunde. Aber das haben ja ausnahmslos alle diese Erlebnisattraktionen wie z.B. das Madame Tussauds oder das Berlin Dungeon gemeinsam. Allerdings kann man ja auch deutlich länger bleiben. Ich habe bisher nur einen Bruchteil der Mitmach-Möglichkeiten ausprobiert und hab auch Lust, mir das alles nochmal genauer anzusehen. Da die Räume sehr klein und eng sind, ist die Frage, wie lang man dann überall warten muss, wenn sich hier viele Leute drängen. Kleinere Kinder können mit der Thematik wenig anfangen, denke ich, aber spätestens ab 10 Jahren sollte das Ganze gut geeignet sein, um das Interesse an Geschichte zu wecken.

Einen Kritikpunkt möchte ich noch anbringen: Frauen spielen in dieser deutschen Geschichte leider keine Rolle. Heutzutage wäre es ratsam, wenn sich Macherteams auch weibliche Perspektiven ins Boot holen würden. Denn neben dem berüchtigten Satz von Merkel, den wir am Ende in der S-Bahn hören, hab ich quasi nur das hier entdeckt: Broschüren über Frauengurt und Brüste. Naja, okay!

Öffnungszeiten, Preise und alle anderen nützlichen Infos für einen Besuch findet ihr auf der Webseite des Museums.

Zum Original