Tina Hoffmann

Freie Texterin und Journalistin, Berlin

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Romantik in Berlin: Städtereise in den Norden der Hauptstadt

Mit Sekt und Ausblick in den Tag starten

Bei schönstem Herbstwetter wollen wir mal abseits der hippen Bezirke etwas zu zweit erleben und wählen den nördlichen Ortsteil Berlin-Tegel. Als Ziel haben wir uns die Insel Valentinswerder ausgeguckt - alleine schon weil uns der Name so gut gefällt. Aber eins nach dem anderen: Als erste Station auf dem Weg zur Insel im Tegeler See steuern wir die Seeterrassen an. Bei einem leckeren Sonntagsbrunch weckt die Aussicht auf die Greenwichpromenade und den verträumten Tegeler Hafen mit seinen Anlegestellen unsere Neugier. Aber für ein Gläschen Haussekt mit Namen Lakeside nehmen wir uns noch die Zeit.

Romantik in Berlin-Tegel: Flanieren in einer anderen Zeit

Direkt vor dem Restaurant betreten wir die Greenwichpromenade, die völlig aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Ein kleiner Pavillon mit Café steht vermutlich seit den 60er Jahren unverändert an dieser Stelle. Nur einige Schritte weiter können wir uns an einem kleinen Holzkiosk zwischen Minigolf oder Tretboot entscheiden. Die Wahl fällt uns nicht schwer, denn wir beide lieben es, auf dem Wasser zu sein. Zu einer Fahrt mit dem weißen Schwanenboot kriege ich meinen Partner zwar nicht überredet, aber das rote Ruderboot ist für die nächste Stunde unseres. Perfekt für einen ersten romantischen Törn auf dem Tegeler See. Wir schippern gemächlich um die idyllische Insel Hasselwerder, die uns einen Vorgeschmack auf unser eigentliches Ziel gibt. Begleitet vom Waffelduft der von einem fahrenden Süßigkeitenverkäufer herüberweht, geht es zurück ans Ufer. Wir schlendern über die leuchtend rote Tegeler Hafenbrücke, von wo uns ein dicht mit Weiden bewachsener Uferweg weiterführt. Die romantische Stimmung verlockt anscheinend viele Paare, ihre Liebe in einem der Bäume zu verewigen. Luana und Tamer, Kürt und Ünal ...

Auf den Spuren der Humboldts

Wir gelangen zur Dicken Marie, Berlins ältestem Baum, benannt nach der beleibten Köchin der Humboldt-Brüder. Hier verweilen wir einen Moment - immerhin hat auch Goethe hier schon haltgemacht. Durch den urwüchsigen Tegeler Forst geht es weiter zum Anwesen, das die Berliner schlicht Humboldt-Schloss nennen. Es handelt sich nämlich um das Elternhaus der Brüder Humboldt. Wir stehen vor einem hölzernen Tor, das Areal scheint im Dornröschenschlaf zu liegen. Dürfen wir eintreten? Wir drücken die Klinke, es ist nicht verschlossen. Das klassizistische Gebäude erstrahlt in Weiß, doch die liebevoll gepflegten und berankten Nebengebäude sind unsere heimlichen Favoriten. Immer noch unsicher schleichen wir um das Bauwerk herum, wo eine kleine Spendenbox den Haupteingang in den Schlosspark markiert. Besser versteckt geht's nicht, darum sind wir auch die einzigen Besucher. Wir spazieren durch die verträumte Lindenallee, sehen die berühmte Humboldt-Eiche und können unser Glück kaum fassen. Wir haben den vielleicht geheimsten Geheimtipp für Romantik in Berlin entdeckt.

Mit der Odin zu neuen Ufern

Nach einer kurzen Busfahrt durch den Wald erreichen wir Tegelort, wo wir einem Fähren-Schild folgen. Doch bei der Autofähre sind wir falsch, wir werden einen Weg den See hinuntergeschickt, wo an einem kleinen Steg die „Odin" bereit zum Ablegen ist. Der Kapitän mit einem etwas ruppigen Seebär-Charme bestätigt, dass es sich um die Fähre nach Valentinswerder handelt. Auf dem kleinen Kahn, der nur von April bis Oktober an den Wochenenden auf dem See verkehrt, ist etwa Platz für zehn Menschen. Außer uns scheint der Steuermann die meisten Mitfahrenden persönlich zu kennen - für uns aus dem eher anonymen Stadtzentrum ein echtes Erlebnis. Die romantische Fahrt dauert leider nicht sehr lange, schon nach wenigen Minuten erreichen wir den Steg mit dem Schild „Valentinswerder".

Stimmungsvoller Tagesausklang für Romantiker

Während die anderen Fährgäste zielstrebig davoneilen, bleiben wir in der romantischen Stimmung am Anleger noch einen Moment zurück. Dann beginnen wir unseren Spaziergang auf diesem verwunschenen kleinen Fleckchen in Berlin-Tegel. Viele der Villen auf Valentinswerder stammen aus der Gründerzeit und verbergen sich hinter von Pflanzen berankten Eisentoren, die sie vor zu neugierigen Blicken schützen. Wir wollen aber ohnehin keinen der knapp 30 Einwohner sehen und peilen das Rondell an, von dem sternförmig vier Alleen abgehen. Hier finden wir einen märchenhaften Ort voller Romantik: ein schmiedeeiserner Pavillon mit einigen Tischen und Stühlen. Alles sieht so aus, als ob hier eben erst die letzten Gäste aufgestanden sind - wäre der Platz nicht bereits leicht verwittert, bedeckt mit Blättern und ein wenig angerostet. Wir haben unseren neuen Lieblingsort gefunden und packen das mitgebrachte Picknick aus. Besser hätte der Ausflug nicht enden können!

Unser Fazit: Unglaublich, welche unbekannten und gleichzeitig reizvollen Ecken wir auf einer Städtereise durch Berlins Norden erkunden konnten. Tegel hat uns verzaubert und wir wollen ganz schnell wiederkommen. Im Winter ist Valentinswerder zwar nicht zugänglich, aber wir nutzen einfach die Zeit bis zum Frühling, um den Rest des Tegeler Sees zu entdecken.

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