Die Menschen haben das Luxusleben ihres Königs satt
Während die Menschen zu Hause gegen sein Regime protestieren,
vergnügt sich der thailändische Monarch in einem bayerischen
Luxushotel. Nun droht einigen Aktivist:innen 15 Jahre Haft – wegen
Majestätsbeleidigung. Doch die junge Elite setzt sich zur Wehr.
Wenn sich der thailändische König Maha Vajiralongkorn nicht in seiner Zweitresidenz am Starnberger See aufhält, kommt er am liebsten im Grand Hotel Sonnenbichl in Garmisch-Partenkirchen unter. Im März 2020 belegte er laut Medienberichten mitsamt seiner Gefolgschaft ganze 100 Suiten und Zimmer auf unbegrenzte Zeit.
Das opulente Leben des thailändischen Monarchen in Deutschland hat schon die Seiten so mancher Boulevardzeitung gefüllt. Doch während er die Juweliergeschäfte und Feinkostläden in Garmisch als Stammkunde beglückt, kämpft das Volk in Thailand gegen die Unterdrückung durch die militärgestützte Regierung des Premierministers Prayut Chan-o-cha, eines ehemaligen Generals.
Mehrere Wellen landesweiter Proteste hielten Thailand seit Februar 2020
in Atem: angestoßen durch die Auflösung der prodemokratisch
ausgerichteten Future Forward Party und die Entführung eines bekannten Netzaktivisten, der in Kambodscha im Exil lebte. Die
Demonstrant:innen fordern seitdem den Rücktritt des Premierministers
und eine Verfassungsreform.
Mit Beginn der Demonstrationen kursierten im Netz zeitgleich Bilder
davon, wie ihr König sich in Deutschland aufhielt und mit einem
Privatflugzeug zwischen Hannover, Leipzig und Dresden hin und her
jettete – rein zum Vergnügen. Die Wut der Demonstrant:innen entlud
sich schließlich auch gegen den König. Forderungen nach einer Reform
der Monarchie wurden laut. Im Oktober war König Maha Vajiralangkorn
gezwungen, in sein Land zurückzukehren.
Und dort greift das Regime nun durch: Wegen Majestätsbeleidigung verurteilte ein Gericht die 64-jährige Anchan Preelert, eine ehemalige Finanzbeamtin, zu 43 Jahren Haft. Der Vorwurf: Sie habe online Videos weiterverbreitet, die die königliche Familie beleidigt hätten. Das Urteil geht auf den Artikel 112 des Strafgesetzbuches zurück – ein Gesetz, das die Demonstrierenden abschaffen wollen und das gleichzeitig droht, auch gegen sie angewandt zu werden.
Ich konnte mit einem Aktivisten sprechen, der vor Ort die Proteste aus
der Region Chiang Mai im Nordosten Thailands organisiert. Gegen den
21-jährigen Studenten Thanathorn wird wegen mutmaßlichen Verstoßes
gegen das Versammlungsverbot polizeilich ermittelt. Nach seiner
Vorladung bei der Polizei treffen wir uns zum Zoomgespräch.
Thuy-An Nguyen: Thanathorn, zu Beginn der Proteste gehörten zu euren
Kernforderungen der Rücktritt des Premierministers Chan-o-cha und die
Verfassungsreform. Weil der König nicht darauf eingegangen war, rückten
Forderungen nach einer Reform der Monarchie weiter in den Vordergrund. Wie
sehen diese aus?
Thanathorn: Wir fordern die Beschneidung der Macht des Königs, zum
Beispiel durch Abschaffung des Majestätsbeleidigungsgesetzes, das sie
seit Oktober verstärkt nutzen, um uns einzuschüchtern. Außerdem
fordern wir die Reduzierung seiner Verfügungsmacht über die Armee und
die Reduzierung des königlichen Haushaltsbudgets. Die Gelder sollen stattdessen in Bildung oder den Sozialstaat investiert werden. Sollte der
König unseren Forderungen zur Reform nicht nachgeben wollen, werden
wir womöglich noch weitere Forderungen stellen.
Thuy-An Nguyen: Schon im Februar und Juli gab es Proteste in Thailand, doch
im Oktober eskalierte die Gewalt seitens des Staates. Du warst in Chiang Mai,
der größten Provinz im Nordosten Thailands, vor Ort – was hast du erlebt?
Thanathorn: Bei den Protesten ging die Polizei mit Tränengas gegen uns
Demonstrant:innen vor, obwohl wir uns friedlich verhalten hatten. Sie
nahmen viele führende Aktivist:innen fest. Ab dann geriet alles außer
Kontrolle. Die Protestierenden in Bangkok #6 waren wegen der
Festnahmen ihrer Anführer:innen so wütend, dass sich die
Demonstrationen über mehrere Tage unkontrolliert fortsetzten.
Normalerweise gehen die Leute nicht auf die Straße, wenn es niemanden
gibt, der dazu aufruft. Das hat sich mit den Festnahmen geändert. Die
Leute haben dadurch gelernt, sich selbst zu mobilisieren.
Du kommst selbst aus der Region Chiang Mai. Wie unterscheidet sich die
Situation für die Aktivist:innen aus der ländlichen Region im Vergleich zur
Situation derer in der Hauptstadt?
Thanathorn: In Chiang Mai gehen wir nicht mit so einer Wut auf die
Straße wie die Leute in Bangkok. Wenn wir hier demonstrieren, dürfen
wir uns nur auf dem Unicampus aufhalten. Die Polizei droht, zu härteren
Mitteln zu greifen, sollten wir diesen verlassen. Wir unterstützen aber
manchmal auch die Proteste in Bangkok, indem wir uns zusammentun
und dorthin fahren.
Was gehört zu den politischen Forderungen der ländlichen Provinz Chiang Mai?
Thanathorn: Unsere Hauptforderungen betreffen die Dezentralisation,
den Wohlfahrtsstaat und die Rechte von Minderheiten. In Provinzen wie
Chiang Mai ist die Luftverschmutzung ein Problem. Dennoch plant unsere
Regierung, ein Kohlebergwerk zu bauen. Und zwar im Bezirk Om Koi – wo sich das Dorf einer ethnischen Minderheit befindet, die seit mehr als
100 Jahren dort lebt. Wir fordern, dass Chiang Mai und andere Provinzen zu autonomen Bezirksregierungen werden, damit die Menschen selbst
entscheiden können. Wir fordern auch, dass Minderheiten als
thailändische Staatsbürger:innen anerkannt werden. Ohne den
Bürger:innenstatus können sie nicht zur Schule gehen und werden nicht
krankenversichert.
Kommen wir zu der Frage, wie ihr die Proteste organisiert. Bei der Organisation
spielen soziale Medien sowie kurze Aktionen in Form von Flashmobs eine
zentrale Rolle. Warum ist das so?
Thanathorn: Das hat zum einen den Grund, dass viele von uns Studierende sind und wegen Prüfungen nicht die Möglichkeit haben, viel Zeit in Protestaktionen zu stecken. Zum anderen sind Flashmobs ein nützliches Tool, um Festnahmen zu vermeiden. Wir können schnell die Location ändern, wenn nötig. In Thailand gibt es kein freies Mediensystem. Da sind soziale Medien wie Facebook und Twitter wichtig, damit wir schnell und unkontrolliert von der Regierung kommunizieren können.
Was wünschst du dir für 2021?
Thanathorn: Momentan ist die Lage schwierig, weil das Coronavirus das Land wieder fest im Griff hat. Wir beraten, wie wir unsere Demonstrationen gestalten können. Ich habe aber Hoffnung, dass wir in diesem Jahr das militärgestützte Regime bekämpfen können. Wir kämpfen nicht nur für uns selbst, sondern dafür, dass alle Menschen in Thailand genug Essen und eine bessere Lebensqualität haben. Von anderen Ländern wünschen wir uns Unterstützung, zum Beispiel in Form von Sanktionen.