In einer Serie beleuchtet TM-User Thomas Hürner („ Interisti") den Weg des FC Augsburg aus der Oberliga Bayern bis in die Europa League mit Interviews und Fanreportagen. In der letzten Folge spricht er mit FCA-Coach Markus Weinzierl (Foto) über das Abenteuer Europa, die sportliche Talfahrt in der Bundesliga und die im Augsburger Umfeld gestiegene Erwartungshaltung.
Transfermarkt: Nicht nur für den FC Augsburg ist die Teilnahme an der Europa League eine Premiere, sondern auch für Sie. Was ist anders im Vergleich zum Bundesliga-Alltag?
Weinzierl: Es waren zwei tolle Erlebnisse, auf die wir uns gefreut haben, weil es die Belohnung für die fantastische letzte Saison ist, die sich unsere Mannschaft durch großartige Leistungen verdient hat. Die Atmosphäre war besonders, sowohl in Bilbao als auch bei uns im Stadion. Es ist ein anderes Gefühl, weil schon die Optik des Stadions und die Einlaufmusik anders sind, als in der Bundesliga. Noch schöner wäre gewesen, wenn sich unsere Mannschaft für ihre guten Leistungen belohnt hätte.
Transfermarkt: Die Spiele gegen Bilbao und Belgrad waren ein Sinnbild für die Saison: Wie so oft gut gespielt und trotzdem nichts Zählbares mitgenommen. In der Vorsaison hätte der FCA solche Spiele wahrscheinlich gewonnen. Wo ist die Leichtigkeit hin?
Weinzierl: Es war uns allen klar, dass es eine schwere Saison werden könnte. Es ist eine ganz neue Situation mit den vielen englischen Wochen, die Gegner treten anders gegen uns auf und wir schaffen es bisher auch nicht, so an unsere Leistungen aus dem Vorjahr anzuknüpfen. Aber wir kennen die Situation und arbeiten gemeinsam daran, wieder erfolgreich zu sein.
Transfermarkt: Niederlagen sind nicht gerade förderlich für das Selbstbewusstsein. Durch die Europa League hat der FCA nun zwei mehr davon zu verkraften. Sehen Sie die Gefahr, dass man dadurch schneller in eine Abwärtsspirale gerät?
Weinzierl: Nein, das sehe ich nicht. Die Europa League-Spiele sind die Belohnung für die tolle letzte Saison. Wir können dort jedes Spiel genießen und sehen es als Chance, dabei zu überraschen. In der aktuellen Situation sehen wir es aber auch als Chance, uns dort mit guten Leistungen Selbstvertrauen zu holen.
Transfermarkt: Tabellarisch steht der Verein aktuell so da, wie zu seiner Anfangszeit in der Bundesliga. Sie sagten kürzlich, die Mannschaft sei in der Normalität angekommen. Rückt durch Normalität auch das Abschneiden in der Europa League in den Hintergrund?
Weinzierl: Nein, es war klar, dass es nicht ewig so weiterlaufen wird, wie in den letzten beiden Jahren. Es war uns bewusst, dass auch mal wieder eine schwierige Phase kommen wird. Die ist nun da und wir werden alles tun, um so schnell wie möglich wieder in die Erfolgsspur zu kommen. Jetzt steht die Europa League wieder im Mittelpunkt, weil am Donnerstag das Spiel in Alkmaar ansteht. Für uns ist aber auch klar, dass der Klassenerhalt in der Liga höchste Priorität besitzt.
Transfermarkt: Vom Höhenflug zurück in den Abstiegskampf. Diese Umstellung muss der FCA von Donnerstag bis zum Wochenende vollziehen. Wie gehen Sie und die Mannschaft mit dieser Diskrepanz um?
Weinzierl: Da sehe ich keine Diskrepanz. Wir freuen uns auf diese Herausforderungen.
Transfermarkt: Sie haben Ihren Vertrag verlängert und - wie man hörte - Angebote von Traditionsvereinen wie Schalke 04 und Gladbach abgelehnt. Sie haben sicher die Ambition, zukünftig wieder international zu coachen. Wie gehen Sie mit solchen Offerten gedanklich um?
Weinzierl: Ich bin Trainer des FC Augsburg, alles andere interessiert mich in dieser Situation nicht.
Transfermarkt: Einer Ihrer Kollegen, Lucien Favre, hat sogar auf das Abenteuer Champions League verzichtet und hingeschmissen. Obwohl man in Gladbach immer gepredigt hatte, dass man wisse wo man herkommt, wurden ihm Druck und Erwartungshaltung zu viel. Steigt auch in Augsburg - trotz aller Bekundungen - der mediale Druck?
Weinzierl: Es ist generell nach den erfolgreichen letzten beiden Jahren im Umfeld eine größere Erwartungshaltung zu spüren. Das gilt aber nicht für uns und die Verantwortlichen des FCA. Wir schätzen die Situation genauso realistisch ein, wie die der letzten Jahre.
Transfermarkt: Früher ging der FCA zumeist als Außenseiter in Bundesliga-Partien. Auch gegen die Bayern fühlt man sich in dieser Rolle pudelwohl und ist immer wieder in der Lage, Paroli zu bieten. Hat die Mannschaft Schwierigkeiten, wie etwa gegen Ingolstadt oder Darmstadt, einen Gegner aus der Favoritenrolle heraus zu bespielen?
Weinzierl: Es gilt auf die veränderten Spielweisen der Gegner, Lösungen zu finden.
Transfermarkt: Vergangene Saison war der FCA vor allem zu Hause eine Macht und holte dort rund zwei Drittel seiner Punkte. Was muss besser werden, um da wieder hinzukommen?
Weinzierl: Es bringt nichts, in der Öffentlichkeit Punkte zu benennen, die besser werden müssen. Wir analysieren diese Dinge intern und leiten daraus unsere Schlüsse ab, um in Zukunft wieder die nötigen Punkte einzufahren.
Transfermarkt: Abdul Rahman Baba spielt jetzt für Chelsea, vorher machte er unter Ihnen leistungstechnisch den Sprung seines Lebens. Wie schwer fällt der Abschied von jungen Spielern, die unter Ihnen gewachsen und besser geworden sind?
Weinzierl: Es ist doch klar, dass wir einen Spieler mit der Qualität von Abdul Rahman Baba gerne behalten hätten. Aber es macht uns stolz, dass wir einen Spieler hier in Augsburg so entwickeln konnten, dass er diesen Schritt machen konnte. Das zeichnet die Arbeit des FCA aus und zeigt anderen jungen Spielern eine klare Perspektive beim FCA auf.