Thomas Beschorner

Prof.denkt.schreibt, St.Gallen

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Neymar-Transfer und Geld im Profifußball: Drei Wege aus der Unmoral, Gastbeitrag

In diesen Tagen diskutiert die Fußballwelt über die Sinnhaftigkeit des Vereinswechsels des brasilianischen Fußballers Neymar, der dem abnehmenden Verein Paris St. Germain und der dahinterstehenden katarischen Investorengruppe eine Ablösesumme von 222 Millionen Euro wert ist. Nimmt man die zu leistende Steuerzahlung und das Gehalt des Spielers von ca. 150 Millionen für die kommenden fünf Jahre hinzu, so landet man bei mindestens einer halben Milliarde Investitionskosten für zwei sehr begabte Beine.

Bei den Fußballfans setzen verschiedene Reflexe ein. Da ist die Rede von unmoralischen Gehältern im Profifußball, von einem Transfer-Wahnsinn und gar von einem modernen Menschenhandel mit den Spielern. Ich kann verstehen, dass man sich einen romantischen Fußball zurückwünscht. Einen Fußball, bei dem es ums Spiel und nicht ums Geld geht, bei dem geackert und nicht kalkuliert wird; bei dem Straßenfußballer entdeckt und nicht in Talentschmieden produziert werden. Doch diese Zeiten sind vorbei - sie sind schon lange vorbei. Das wissen wir alle.

Wenn wir auf die Moral des neuen Spiels schauen, wäre zu fragen, mit welcher Motivation die katarischen Investoren eine derart große Summe auf den Tisch legen. Für den Katar ist es eine Investition zur Verbesserung seines "business as usual image", wie die "Washington Post" titelte. Dies ist besonders auch vor dem Hintergrund diplomatischer Konflikte des autoritären Regimes mit seinen Nachbarländern zu sehen.

Politische Fragen werden aus dem Sport aber traditionell gerne herausgehalten. Das gehört irgendwie nicht auf das Spielfeld. Auch der Fußballfan drückt hier schon einmal beide Augen zu, solange das eigene Team gewinnt oder ein toller Transfercoup gelingt. "Brot und Spiele" hat schon im alten Rom gut funktioniert.

Klassengesellschaft innerhalb der Ligen

Mit Blick auf den grünen Rasen sind die Entwicklungen im europäischen Profifußball besorgniserregend, denn sie unterminieren etwas, das zu jedem guten Sport dazugehören sollte: einen (fairen) Wettbewerb. Es zeichnet sich sehr deutlich ab, dass Klubs sowohl innerhalb ihrer jeweiligen Profiligen als auch international nach verschiedenen Spielregeln spielen, die über eine zentrale Größe bestimmt werden: Geld, denn Geld schießt Tore!

Der FC Basel wird in der kommenden Saison seinen neunten Meistertitel in Serie einfahren, und die Bayern werden das Rennen vermutlich wieder in der Bundesliga für sich entscheiden; Barcelona oder Real Madrid natürlich in Spanien; und so weiter. Es gibt sehr klare Klassengesellschaften und verschiedene Ligen in den Ligen. International sieht es nicht anders aus. Wenn wir ehrlich sind, so haben wir schon eine ungefähre Ahnung davon, wer in den nächsten Champions-Ligue-Halbfinals stehen wird. Jedenfalls wird darunter nicht die Partie zwischen dem FC Kopenhagen und Slavia Prag sein. Und wenn wir noch einmal ehrlich sind, dann wäre das auch ein Spiel, das keiner sehen will. Fußballfans beklagen heute gerne die zunehmende Langeweile, von dem Glamour der großen Namen lassen wir uns aber dennoch irgendwie einfangen.

Das Spiel braucht neue Meta-Regeln

"Fußball ist wie Schach - nur ohne Würfel", soll Lukas Podolski einmal gesagt haben. Recht hat er. Der Würfel ist aus dem Spiel. Es gibt kaum noch Überraschungen, weil die Finanzkraft zunehmend ungleich verteilt ist. Um mittel- und langfristig einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, bedarf es Meta-Spielregeln. Dazu gibt es prinzipiell vier Vorschläge:

Erstens, die hoheitliche Instanz für Meta-Spielregeln im europäischen Fußball ist die Uefa. Sie hat im Jahr 2013 das sogenannte Financial Fair Play eingeführt, das vereinfacht gesagt gewährleisten soll, dass europäische Vereine nur noch in etwa so viel Geld ausgeben, wie sie einnehmen; andernfalls drohen Sanktionen (von Geldstrafen bis zum Ausschluss von internationalen Wettbewerben). Mit dem Fall Neymar steht diese Institution nun auf dem Prüfstand, denn zu den Ausgaben der Vereine zählen natürlich auch Transferzahlungen. Experten halten es für ausgeschlossen, dass es Paris Saint-Germain gelingen kann, Erlöse in der Größenordnung des Neymar-Einkaufs zu generieren. PSG pokert hier und bedient sich eines einfachen Tricks: Formal bezahlt nicht PSG oder seine Eigentümerin die Qatar Sports Investment-Gruppe (QIA) die Ablösesumme an denFC Barcelona, sondern Herr Neymar selbst. Der Fußballer kann sich dies leisten, weil er zeitgleich zu seinem Engagement in Paris zum "Botschafter" der katarischen Tourismusbehörde QTA wurde. Sowohl die QIA als auch die QTA gehören dem Staat Katar. Das scheint zugegebenermaßen alles etwas sehr plump und durchsichtig. Dass die Uefa diese Kröte schlucken wird, ist dennoch nicht ausgeschlossen, hat sie doch in der Vergangenheit nicht gerade demonstriert, dass sie es mit dem " Financial Fairplay" wirklich sehr ernst meint. Der zweite Vorschlag geht tendenziell in eine gegenteilige Richtung für eine bessere Etablierung gleicher Spielregeln. Forscher von der Technischen Universität München zeigen in einer jüngsten Studie, dass die Einführung des Uefa-"Financial Fair Play" die Unterschiede zwischen den Vereinen nicht verringert, sondern gegenteilig noch verstärkt hat. Sie schlagen vor, Investoren im Profifußball, gerade auch bei finanzschwachen Klubs, ein Engagement zu erleichtern, weil damit international konkurrenzfähige Mannschaften entwickelt werden könnten. Das ist, wenn man so will, der kapitalistische Lösungsvorschlag. Er würde für die Bundesliga übrigens bedeuten, die 50+1-Regelung abzuschaffen. Drittens müsste dringend über neue Verteilungsmechanismen nachgedacht werden, was auch eine Berücksichtigung von Transfererlösen beinhalten sollte. Eine Transfersteuer, die in einen Fonds wandert, könnte gewährleisten, dass Vereine unter besseren Wettbewerbsbedingungen spielen. Die Chinesen machen es gerade vor: Bei Ablösesummen von über 5,9 Millionen Euro muss der aufnehmende Verein den gleichen Betrag an den chinesischen Fußball-Verband entrichten, der dieses Geld in die Ausbildung des eigenen Nachwuchses steckt. Wenn man, viertens, über radikalere Veränderungen zur Problemlösung nachdenken möchte, lohnt ein Seitenblick nach Nordamerika. In der National Hockey League (NHL), aber beispielsweise auch in der Major League Soccer (MLS), gibt es ein "Salary Cap", das ein Gehaltsbudget für Teams definiert - für alle Teams im gleichen Umfang. Das kapitalistische Amerika präferiert im Sport interessanterweise ein eher sozialistisches Modell und ist damit auch ökonomisch sehr erfolgreich. Das Spiel findet auf dem Platz statt - irgendwie auf Augenhöhe.
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