Heiße Sommer sind für Obdachlose besonders gefährlich. Doch während andere Städte Sonnensegel aufhängen, Gutscheine fürs Schwimmbad verteilen oder sogar Notunterkünfte eröffnen, hängt Hamburg beim Hitzeschutz hinterher.
Hamburg im Sommer 2018: Die Stadt ächzt unter einer Hitzewelle. Am 24. Juli klettert das Thermometer auf mehr als 30 Grad. Für zweieinhalb Wochen wird es tagsüber fast durchgängig so heiß bleiben. „Die Hitze ist scheiße", sagt Hinz&Künztlerin Bonnie damals im Gespräch mit der Redaktion des Straßenmagazins. „Wir schlafen spät ein, und tagsüber sind wir hundemüde." Die Hilfsorganisationen schlagen Alarm: 140 Liter Wasser verteilen die „Bergedorfer Engel" in einer Stunde vor der Beratungsstelle Drob Inn. An einem Sonntag Anfang August versorgen die Ehrenamtlichen vom Gesundheitsmobil Hamburg mehr als doppelt so viele Obdachlose wie sonst - viele haben Sonnenbrände und entzündete Wunden. Beinahe geht an diesem Tag das Verbandsmaterial aus.
Vor fünf Jahren waren solche Sommer noch die Ausnahme. Schon bald werden sie normal sein - wenn nicht sogar eher kühl. Vergangenes Jahr knackte Hamburg sogar die 40-Grad-Marke. „Hitze ist die größte Bedrohung, die der Klimawandel nach Europa bringt", sagt Henny Annette Grewe von der Hochschule Fulda. Seit mehr als zehn Jahren forscht die Medizinerin zu Klimawandel und Gesundheit und berät Kommunen zum Hitzeschutz. „Ab 30 Grad Umgebungstemperatur müssen wir schwitzen. Anders geht's nicht", erklärt sie im Interview mit Hinz&Kunzt. Gelingt das nicht, gerät der Körper an seine Grenzen - es droht ein Hitzschlag. „Das klingt viel zu niedlich", findet die Professorin: Nieren, Lunge, Leber und Gehirn können ausfallen. 2018 starben in Deutschland 8300 Menschen an den Folgen der Hitze.
Besonders gefährdet: Kinder, Alte, Schwangere sowie Menschen mit Vorerkrankungen. Und alle, die sich der Sonne nicht entziehen können, weil sie zum Beispiel draußen arbeiten - oder auf der Straße leben. „Obdachlose trifft die Hitze besonders", sagt Grewe. Das liegt schon daran, dass sie sich oft in Innenstädten aufhalten, die sich tagsüber stark aufheizen - und selbst nach Sonnenuntergang kaum abkühlen. Eine enorme Belastung für den Organismus, der bei Obdachlosen meist ohnehin am Anschlag läuft: Viele sind chronisch krank, haben schlechten Zugang zu ärztlicher Versorgung und strengen sich körperlich stark an, weil sie ihr Hab und Gut mit sich rumschleppen müssen. Zur Überhitzung von außen kommt nicht selten ein Hitzestau von innen: Manche haben keine Sommerkleidung, andere tragen mehrere Schichten, weil sie ihre Kleider nirgends verstauen können. Und wer im Rausch einschläft, bekommt nicht mit, wenn der Schatten weiterzieht.