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Kunst-Demonstration zum Lichtfest

Ausstellungstitel skandierend zieht das Künstlerkollektiv „Famed“ mit rund 200 Teilnehmern durch Leipzigs Innenstadt und demonstriert das Demonstrieren. Ratlose Passanten rätseln über die Forderungen der Transparente. Die sind nun noch einen Monat im Museum der bildenden Künste ausgestellt. 

Dabei handelt es sich genau genommen um keine Demonstration, sondern um eine Kunst-Performance zum Lichtfest am Montag. Der neue Direktor des Museums der bildenden Künste, Alfred Weidinger, hat das Künstlerkollektiv Famed angesprochen. Für einen Beitrag zum 9. Oktober hatte er die beiden Künstler des Kollektivs um eine Kooperation gebeten. Sebastian M. Kretzschmar und Jan Thomaneck bereiteten Transparente und Fahnen vor. Darauf: sämtliche Titel von Ausstellungen von Famed. Museen, Galerien und Künstlergruppe luden über soziale Medien zur Aktion „More Than A Feeling" (Mehr als ein Gefühl) ein. „So kommt es, dass sich Museumspublikum und Menschen der jüngeren Kunstszene zur Performance treffen", sagt ASPN-Galeristin Arne Linde.

Ausstellungstitel skandierend zieht die Performance durch die Innenstadt

Die Besucher kommen ins Museum ohne zu wissen, was sie erwartet. Ohne eine Erklärung zu bekommen, nehmen sie Fahnen und Transparente. Sie ziehen - Ausstellungstitel skandierend - zuerst durch das Museum, dann durch Katharinenstraße, Grimmaische Straße und durch die Nikolaistraße. Vor der Nikolaikirche müssen die Megafone der Künstler schweigen: In der Kirche hält Adam Krzeminski die „Rede zur Demokratie".

Kretzschmar, in Leipzig geboren, und Thomaneck, aus Rostock stammend, haben die Ereignisse von 1989 selbst als Jugendliche miterlebt. Mit ihrer Aktion wollen sie Dynamik der Umbruchszeit nachempfinden. Mit den beliebigen Aufdrucken auf den Transparenten weisen sie außerdem auf die Variabilität von Forderungen hin.

Ein junger Passant nähert sich dem Zug: „Was wollen Sie überhaupt? Wenn wir wüssten, für was demonstriert wird, würden wir auch mitlaufen." Menschen, die in Restaurants sitzen, beobachten die Aktion interessiert, ein paar Menschen bleiben im Einkaufsrummel stehen und filmen den Zug mit ihren Handys. „Das ist total cool, wie sich das hier einfädelt", findet Heike Hennig. Sie kam auf Anraten ihres Sohnes zur Performance. Es sei beeindruckend, wie schnell man einer Masse hinterherlaufe, sagt sie. „Ich habe mir die Transparente angesehen und kann alle vertreten." Die Menge skandiert „Ideal, Ideal, Ideal".

Verwirrte Passanten, begeisterte Teilnehmer

Zum einen sind es die Besucher, die bei „More Than A Feeling" unerwartet Teil einer Gruppe werden. Zum anderen sind es die unvorhersehbaren Reaktionen der Passanten, die den Reiz der Aktion ausmachen. Heribert Schneiders hat im Internet von der Aktion gelesen. Nun läuft er mit und findet es klasse, dass das Leipziger Museum sich traut, beim Lichtfest „mal was anderes als den Standard zu machen".

Ein weiterer Teilnehmer fühlt sich vor den Kopf gestoßen. Er rätselt über den Sinn der Demonstration. „Das ist alles willkürlich, vielleicht ist es ironisch gemeint, vielleicht hat es einen Hintergrund", sagt er. Der junge Mann hofft, dass er am Ende darüber aufgeklärt wird - wenigstens, was die Sprüche auf den Fahnen zu bedeuten haben. Während der Performance wird das Geheimnis aber nicht gelüftet. Die Teilnehmer legen am Ende der Demonstration die geschwenkten Fahnen und Transparente im Foyer des Museums ab. Dort bleiben sie nun: Genau wie sie abgelegt wurden, werden die Relikte nun für einen Monat im Museum ausgestellt, begleitet von einer Videodokumentation.

Im Museum der bildenden Künste ist die Ausstellung zur Performance „More Than A Feeling" bis zum 9. November zu sehen.

Von Theresa Held


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