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Die kleinen Momente zählen

Kämpfen für eine neue Kirche - deshalb engagiert sich Katharina Hubrich in der Reformbewegung Maria 2.0. Ein stillschweigender Austritt ist keine Option. Manchmal verlässt die 60-Jährige der Mut, aber sie hat Hoffnung. Jesus hätte die Kirche so nicht gewollt, davon ist Katharina Hubrich überzeugt. Foto: Theresa Brandl

Noch bleibt sie in der katholischen Kirche. Das betont Katharina Hubrich immer wieder. Sie ist ungeduldig und müde. Seit langer Zeit seien es die gleichen Argumente, weshalb Frauen keine Priesterinnen werden dürfen. Deshalb versteht sie ihre Mitstreiterinnen von Maria 2.0 aus Münster, Andrea Voß-Frick und Lisa Kötter, die ihren Austritt öffentlich gemacht haben. „Sie gehen nur aus der römisch verfassten Kirche - sie bleiben in der Glaubensgemeinschaft", sagt Hubrich. Auch sie selbst zweifle immer wieder, ob sich überhaupt etwas ändere - zuletzt beim Antwortschreiben des Papstes auf die Amazonas-Synode, in dem die Rolle der Frau in der Kirche zementiert worden sei. „Dann denke ich: Was habe ich denn für eine Chance hier in der Kirche?"

Katharina Hubrich engagiert sich in der Liebfrauengemeinde Osnabrück-Eversburg und ist Förderschullehrerin an einer Caritasschule. Dort erfährt sie täglich, was es heißt, jeden Menschen in seiner Individualität anzuerkennen, sein Potenzial und seine Begabungen wahrzunehmen. Etwas, das sie in der Kirche oft vermisst: „Die Kirche verschließt die Augen vor dieser Vielfältigkeit. Wer aus der Norm fällt, wird als Einzelperson zwar noch geliebt, aber weiter geht es nicht. Das verstehe ich nicht."

„Erst einmal würde ich meine Ehrenämter niederlegen"

Als Hubrich 2019 die Petition von Maria 2.0 aus Münster erreichte, musste sie deshalb keine Sekunde überlegen, ob sie mitmachen würde. Denn sie war und ist oft wütend auf die Kirche und hat auch schon oft daran gedacht, sie zu verlassen. Aufklärung der Missbrauchsfälle, eine lebensgerechtere Sexualmoral und die Rolle der Frau: Es müsste sich etwas ändern. Besonders der Ausschluss von Frauen ist für Hubrich etwas, das gegen ihre Menschenwürde gehe.

Deshalb sieht sie es als einen Akt des Selbstschutzes an, diese Institution gegebenenfalls zu verlassen. Aber auch als Zeichen des Protestes und ihrer Unzufriedenheit: „Erst einmal würde ich alle meine Ehrenämter niederlegen und dann wäre mein Protest, dass ich konvertiere", sagt die 60-Jährige.

Der größte Vorteil der evangelischen Kirche sei für sie die Frauenfrage. Wenn sie eine Frau hinter dem Altar sieht, die predigt, weiß sie: „Die hat die gleichen Probleme wie ich. Die weiß, wovon sie redet." Bis zu ihrem Ruhestand in fünf Jahren erwartet Hubrich vom Synodalen Weg in Deutschland Ergebnisse. Sonst, sagt sie, ziehe sie endgültig die Konsequenzen.

Katharina Hubrich spricht mit energischer Stimme, wenn es um die Versäumnisse der Institution Kirche geht. Denn ihr großes Vorbild im Glauben ist Jesus - und der, so ist sich Hubrich sicher, hätte das niemals so gewollt. Jesus hätte kein Priesteramt in-stitutionalisiert oder Kirchensteuern verlangt: „Das ist vollkommener Blödsinn! Jesus lebte von der Naherwartung des Reiches Gottes", sagt sie.

Lautstarker Protest, weil ihr die Kirche wichtig ist

Dass Hubrich lautstark Kritik übt, zeigt aber auch, dass ihr die Kirche nicht egal ist. Aufgewachsen ist sie in einer Kirchengemeinde bei Hannover, ihre Eltern waren sehr engagiert, auch sie selbst war in der katholischen Jugendgemeinde aktiv. Damals gab es in der Gemeinde einen „relativ modernen holländischen Pastor, der uns da sehr unterstützt hat". Und auch ihr Religionslehrer legte die Bibel historisch-kritisch aus und erklärte zum Beispiel, dass „Jungfrau Maria" eigentlich „junge Frau" meine. Dass es sich um einen Übersetzungsfehler handle. Als Hubrich zum Studium der Sonderpädagogik nach Dortmund ging, gründete sie in der Studentengemeinde sogar eine Frauengruppe.

Irgendwann aber verlor sie das Interesse, „weil die Angebote nicht mehr so toll waren". Sie entfernte sich von der Kirche, „15 kirchenlose Jahre" habe es in ihrem Leben gegeben, schätzt sie. Am Ende des Studiums heiratete sie - kirchlich. Doch es sollte dauern, bis sie an ihre Jugendzeit anknüpfte. Erst als ihr Sohn zur Erstkommunion kam, stieg Katharina Hubrich über die Katechese wieder ein. Sie wurde gefragt, ob sie im Pfarrgemeinderat mitarbeiten wolle, und näherte sich so der Kirche wieder an. Heute ist sie Mitglied im Pfarrgemeinderat und sagt: „Natürlich ist die katholische Kirche auch meine Heimat, da bin ich aufgewachsen." Deshalb wäre es auch kein leichter Schritt, sie zu verlassen.

Heilige Geistkraft nicht unterschätzen

Hubrich erinnert sich an zahlreiche Osternächte, das seien Rituale, die eine tolle Bedeutung hätten: „Das Licht kommt in die Kirche und wird von Mensch zu Mensch weitergegeben." Sie schätzt auch die Begegnungen, die sie als Kommunionhelferin hat. Und die kleinen Momente: Wie kürzlich, als sie in eine Kirche ging und eine Kerze anzünden wollte. Dort stand ein Mann, der aus vollem Herzen Schuberts „Heilig" sang und zu Hubrich sagte: „Ich singe so gerne und habe zurzeit keine Gelegenheit in Chören. Trägt meine Stimme noch?" Hubrich antwortete „Ja". Sie habe an diesem Tag „ein Geschenk" bekommen.

Auch die Reformbewegung Maria 2.0 ist für Hubrich ein solches Geschenk. Sie fühlt sich dort getragen. Als sie die sieben Thesen von Maria 2.0 an die Kirchentüren hängen wollte, hatte sie weitere Frauen um sich: „Wir haben uns gegenseitig mit unserer Begeisterung angesteckt", sagt Hubrich. Manchmal denkt sie: „Die heilige Geistkraft ist auch ab und zu dabei - sonst würde das nicht so begeistern." Und die Geistkraft dürfe man nicht unterschätzen, ähnlich wie beim Fall der Mauer 1989. Deshalb hat Hubrich noch einen Funken Hoffnung. Für die Kirche wünscht sie sich, dass der Heilige Geist nach Rom kommt, „da wird er dringend gebraucht und der muss die starren Strukturen wegfegen, um Platz für die wirkliche Botschaft Jesu zu machen - es braucht so ein richtiges Pfingsten".

Theresa Brandl Mit diesem Porträt endet die Reihe "Frauen in Kirche". Insgesamt erzählen sieben Frauen, warum sie in der Kirche bleiben.
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