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6 Lektionen, die wir auf der Cannabis Business Conference gelernt haben

Einstecktücher, auf Hochglanz polierte Lederschuhe, Business-Kostüm. Und: Vergoldete Pins in Form von Hanfblättern am Revers. So präsentierten sich die Teilnehmer der "International Cannabis Business Conference", die diese Woche in Berlin stattfand. Mittlerweile ist Cannabis weltweit zu einem Milliardengeschäft geworden, nachdem Länder wie Uruguay und US-Bundesstaaten wie Kalifornien Cannabis vollständig legalisiert haben.

Um rauszufinden, wie die Chancen für ein erfolgreiches Gras-Geschäft in Deutschland stehen, trafen sich hunderte Teilnehmer für zwei Tage im Maritim Hotel in Berlin Mitte. Wir waren dabei und haben für euch sechs Lektionen aufgeschrieben, die wir auf der Konferenz gelernt haben.


1. Der Green Rush hat Deutschland erreicht

Seit es letztes Jahr möglich wurde, medizinisches Cannabis auf Rezept zu bekommen, ist Deutschland zu einem der spannendsten Märke weltweit für Cannabis-Investoren geworden. Während früher eine komplizierte Ausnahmegenehmigung notwendig war, um für Krankheiten wie ADHS oder chronische Schmerzen Cannabis zu bekommen, reicht jetzt theoretisch ein Gang zum Arzt und anschließend zur Apotheke.

Bisher nehmen nach Schätzungen zwischen 15.000 und 30.000 Patienten in Deutschland medizinisches Cannabis - Tendenz steigend. Hochrechnungen, die auf der Konferenz präsentiert werden, gehen davon aus, dass in einigen Jahren bis zu 1,2 Millionen Patienten mit Bedarf an medizinischen Cannabis geben könnte. Damit wäre Deutschland unter den Top drei der größten Märkte weltweit für medizinisches Cannabis.

Und auch einer der teuersten: Ein Gramm medizinisches Cannabis kostet in der Apotheke locker mal über 20 Euro. Selbst bei konservativen Schätzungen ist klar: Deutschland ist ein Milliardenmarkt.

Dementsprechend groß ist die Goldgräberstimmung unter den Importeuren von medizinischem Cannabis. Moment - warum muss man den Kram eigentlich importieren? Kann Deutschland nicht einfach sein eigenes Gras anbauen? Leider nicht, denn...


2. ...Deutschland kriegt es mal wieder nicht hin

Patienten in Deutschland, die nachgewiesenermaßen Cannabis als Medikament benötigen, dürfen immernoch nicht selbst ihre Pflanzen anbauen. Ergo muss das Gras in der Apotheke erworben werden. Diese bezieht das Cannabis von Unternehmen. Doch wer als Firma in Deutschland eine Lizenz für den Anbau von medizinischen Cannabis will, muss mehrere Jahre Erfahrung im Anbau von medizinischen Cannabis nachweisen. Ähm... wie bitte? Wie soll dass denn eine deutsche Firma können, wenn es bis letztes Jahr illegal war?

Aus diesem Grund gibt es bisher kein einziges deutsches Unternehmen, dass medizinisches Cannabis anbauen darf. Alles wird importiert, zum Beispiel aus Kanada. Die erste deutsche Ernte war für 2019 geplant, aber aufgrund eines Fehlers bei der Ausschreibung einer Frist wurde das Lizenzvergabe-Verfahren noch einmal komplett gestoppt - und muss von vorn beginnen. Es wird also auch 2019 keine deutsche Ernte geben. Deutsche Firmen haben also bisher noch nichts vom "Green Rush", es sei denn, sie haben sich einen internationalen Partner gesucht. Wer letztendlich darunter leidet, sind die Patienten. Denn...


3. ....Patienten haben es immernoch viel zu schwer

Weil das medizinische Cannabis erst importiert werden muss, kommt es zu Engpässen. Beziffern kann man diese nicht, denn die Hersteller sind nicht verpflichtet, irgendwo zu melden, wenn sie nicht liefern können. Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands, weiß durch seine Kontakte, wie die Lage ist. Im Gespräch mit NOIZZ sagt er: „ Wir reden jeden Tag mit Patienten, die monatelang auf ihre Ware warten. Wir sprechen mit Apotheken, die sagen, dass viele Sorten nicht lieferbar sind. Der Engpass ist da."

Aber wenn die Patienten ein Rezept haben, sind sie schon vergleichsweise gut dran. Besonders, wenn es von den Krankenkassen bezahlt wird, in vielen anderen Ländern absolut unvorstellbar. Oft scheitert der Weg zu medizinschen Cannabis aber schon beim Arzt, und zwar....


4. ..weil keiner Bescheid weiß

Viele Ärzte verschreiben lieber bekannte Medikamente, wie zum Beispiel Ritalin bei ADHS, statt es mit dem möglicherweise verträglicherem Cannabis zu versuchen, berichtet Tobias Loder während seines Vortrages. "Deutschland ist total chemie-verliebt", so der Apotheker und Betriebswirt. Viele Ärzte hätten außerdem ein mulmiges Gefühl, medizinisches Cannabis zu verschreiben, weil die Studienlage in Deutschland bisher schlecht sei.

Die Apotheken, die das Cannabis ausgeben, haben außerdem noch ein ganz anderes Problem: "Die Belegschaft und die Kunden müssen sich erstmal daran gewöhnen, dass es in der ganzen Apotheke nach Cannabis riecht", erzählt der Pharmazeut Tobias Loder. Ein Geruch, den die Stammkunden eher mit zwielichtigen Kneipen und Dealern aus Bahnhofsvierteln assoziieren als mit der Apotheke ihres Vertrauens. Da ist viel Aufklärungsarbeit nötig - aber bisher findet die kaum statt.

Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes, sieht noch ein weiteres Problem für die Patienten: " Cannabis gilt immer noch als böse Droge und Menschen, die es verschrieben bekommen wollen, als Junkies, die Gras von Krankenkassen abgreifen wollen", erklärt Wurth. Aufgrund solcher Vorbehalte tun sich viele Ärzte schwer, Rezepte für medizinisches Cannabis auszustellen.

Patienten bekämen außerdem oft immernoch Ärger mit der Staatsgewalt: "Die Polizei muss sich erstmal an die Situation gewöhnen, dass Leute plötzlich legal mit Hanfblüten durch die Gegend laufen", so Georg Wurth. "Viele Polizisten veranstalten einen riesigen Zirkus, fragen beim Arzt und in der Apotheke nach. Am Ende haben sie meist nur Ärger verursacht und müssen die Ware an die Patienten zurück geben."


5. CBD ist der neue Hype

CBD, also Cannabidiol, ist ein nicht berauschender Bestandteil von Cannabis. Es wirkt nicht psychoaktiv, aber angstlösend, entkrampfend und entzündungshemmend. Und diese Kombi verkauft sich weltweit verdammt gut.

Die Wachstumschancen des CBD-Marktes gelten als noch besser als die des Cannabis-Marktes, berichten verschiedene Experten auf der Konferenz.Auf der Messe, die parallel zu den Veranstaltungen im Hotel statt findet, zeigt sich das an diversen Produktständen: CBD hier, CBD da. In Cremes, Ölen, Süßigkeiten. Außerdem angeboten werden die neusten Vaporizer, Luxus-Grow-Schränke für zuhause und LED-Lampen für Anbau-Begeisterte. Außerdem: Immobilienangebote für Leute, die gerade ein paar Millionen übrig haben, um in ihre eigenen Gewächshäuser in Deutschland zu investieren. (Sollten sie je eine Lizenz zum Anbau hier bekommen - siehe Punkt 2.)


6. Legalisierung als Genussmittel kann noch dauern

"Ich spüre hier in Berlin die gleiche Energie, die wir in den USA vor circa fünf Jahren gefühlt haben", ruft der Moderator nach einer Veranstaltung enthusiastisch ins Mikrofon. "Dieses Gefühl: Wow, es passiert wirklich! Wer hätte daran geglaubt, wenn man das vor 20 Jahren erzählt hätte?" Viele der Teilnehmer der im Saal nicken. Aber auch, wenn es auf der Cannabis-Konferenz wirkt, als sei Gras schon lange in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wird es mit der Legalisierung als Genussmittel noch dauern. " In dieser Legislaturperiode wird das definitiv nichts mehr. CDU und CSU sind gegen jede Liberalisierung. In einer Jamaika-Koalition hätten sie sich vielleicht noch bewegt, aber die Neuauflage der GroKo wird auch hier den Stillstand verwalten", sagt Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband. Wurth hofft jedoch, dass sich bald Modellprojekte zur kommunalen Cannabisabgabe in Städten wie Berlin durchsetzen. Wenn diese Projekte gut verlaufen, könnte es in der nächsten Legislaturperiode ernst werden mit der Legalisierung. Je nach Wahlergebnis könnte es aber auch noch länger dauern.

Quelle: Noizz.de

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