Der Austritt der USA stürzt die UNESCO in eine schwere Krise. Bei der diesjährigen Generalkonferenz werden die Staaten eine neue Chefin designieren. Einfach wird es für sie nicht.
Unesco Logo Quelle: reuters
Am Montag wurde in Paris die 39. Generalkonferenz der Internationalen Organisation für Bildung, Wissenschaft und Entwicklung (UNESCO) eröffnet. Zwei Wochen lang beraten sich die Delegationen der 197 Mitgliedsstaaten in Ausschüssen und Arbeitsgruppen, bis schließlich Ende nächster Woche in der Vollversammlung ein Vierjahresplan verabschiedet und die Französin Audrey Azoulay als Generaldirektorin abgesegnet wird. Doch was für die teilnehmenden Bürokraten und Diplomaten sonst alljährliche Routine ist, erlangt in diesem Jahr Brisanz. Denn es ist ein Krisenjahr - das schlimmste in der Geschichte der Organisation.
USA und Israel kehrten UNESCO den Rücken
"Ich gehe von Katerstimmung aus", sagt Klaus Hüfner. Der Berliner Wirtschaftsprofessor war über viele Jahre der Präsident der deutschen UNESCO-Kommission. US-Präsident Donald Trump hält die Organisation nämlich für ineffizient und zu teuer und ließ sein Außenministerium Mitte Oktober den Rücktritt zum Jahresende 2018 erklären. Doch auch wenn man angab, finanzielle Erwägungen hätten den Ausschlag für diese Entscheidung gegeben - der eigentliche Grund ist ein anderer. Es gehe um "anti-israelische Tendenzen", die das State Department der UNESCO schon länger vorhält.
Israel schloss sich dem amerikanischen Rückzieher postwendend an. Es war der Schlusspunkt einer jahrelangen Entfremdung. Die UNESCO war 2011 die erste internationale Organisation, die Palästina als eigenen Staat den Status der Vollmitgliedschaft zusprach. Dies führte zu vehementen Protesten des israelischen Komitees und dazu, dass die USA schon seit 2011 ihren Mitgliedsbeitrag nicht mehr bezahlen.
Untergraben durch politische Ränkespiele
Seither wurde die Weltkulturorganisation zunehmend zum Schauplatz wechselseitiger Affronts. Arabische Staaten nutzten ihr Engagement in der UNESCO, um durch die Formulierung einiger Resolutionen und Beschlüsse Spitzen in Richtung Israels zu senden (siehe Faktenbox). Auch budgetpolitisch taktierten die arabischen Staaten geschickt. Als ein Notfall-Fonds eingerichtet wurde, um den amerikanischen Zahlungsausfall aufzufangen, erweiterten sie ihren Einfluss.
"Die arabischen Staaten haben zwei Drittel dieses Fonds abgedeckt, während die EU keinen Cent eingezahlt hat", bedauert Klaus Hüfner. Mit Blick auf die westlichen Interessen sei dies "politisch dumm" gewesen. Hüfner erkennt darin auch einen allgemeinen Trend. Die UNESCO sei immer mehr zum Schauplatz politischer Ränkespiele geworden. Statt unabhängiger Fachexperten geben Diplomaten und Politiker den Ton an. "Diese Politisierung zulasten der Fachexperten hat der UNESCO erheblich geschadet". Mit dieser Kritik ist Hüfner nicht allein. Auch Verena Metze-Mangold, ebenfalls Professorin und aktuelle Präsidentin der deutschen UNESCO-Kommission beklagt die Politisierung.: "Man muss sich ernsthaft fragen 'Wer ist die UNESCO' angesichts der vielen turbulenten Probleme dieser Welt", und fügt hinzu: "Leider fehlen bislang die konkreten Reformvorschläge".
Die Organisation liegt finanziell am Boden
Audrey Azoulay, designierte UNESCO Generaldirektorin Quelle: epa
Die sinnvolle Umstrukturierung der Organisation dürfte eine der größten Baustellen werden, der sich die designierte neue Generaldirektorin Audrey Azoulay gegenübersieht. Die 45-jährige Französin mit marokkanischen Wurzeln war Kulturministerin unter François Hollande. Mitte Oktober wurde sie vom Exekutivrat für die kommenden vier Jahre gewählt. Nächste Woche wird sie in der Vollversammlung bestätigt.
Doch auch wenn viele gespannt auf die Reformvorschläge der neuen Chefin warten: Ihre akuteste Sorge ist das Geld. Die UNESCO verliert ihren mit Abstand wichtigsten Geldgeber. Der amerikanische Beitrag macht fast ein Viertel des Gesamtetats der UNESCO aus und fehlt in den Kassen schon seit 2011. Insgesamt sind die Schulden der USA gegenüber der UNESCO höher als ein ganzes Jahresbudget - eine riesige Finanzlast, die es bei der Konferenz aufzuteilen gilt.
"Es braucht einen guten Manager"
Doch sind die USA nicht die einzigen Vertreter der Geldhahn-Diplomatie. Im Dauerstreit mit China über die Eintragung eines japanischen Massakers in das Weltdokumentenerbe, hat auch Tokio den aktuellen Mitgliedsbeitrag noch nicht bezahlt. Dasselbe gilt für Großbritannien, welches die Beitragszahlungen mit Reformforderungen verknüpft. Damit fordert man Reformen, entzieht diesen aber gleichzeitig die finanziellen Mittel.
Einen "richtigen Teufelskreis" nennt das UNESCO-Experte Klaus Hüfner und fügt hinzu: "Die UNESCO ist jetzt in ihrem Bestand gefährdet ist." Daher gibt er der neuen Chefin einen Rat, der vielleicht auch von ihrem Präsidenten Macron kommen könnte: "Schauen Sie sich im UN-System um. Schauen Sie, wo es einen guten Manager gibt und versuchen Sie, den abzuwerben."
Die USA und Israel verlassen die UNESCO - Wie es so weit kam
Ausgangspunkt war die Anerkennung Palästinas als Vollmitglied der UNESCO im Jahr 2011, noch bevor die UN-Generalversammlung im Herbst 2012 Palästina den Beobachterstatus zusprach. Die Obama-Regierung stellte damals die Beitragszahlungen ein, weil sie sich nach amerikanischem Recht dazu verpflichtet sah. Zu einem weiteren Konflikt kam es 2016, als das UNESCO-Welterbekomitee den Jerusalemer Tempelberg ausschließlich als muslimisches Heiligtum bezeichnete. Israel zog daraufhin seinen UNESCO-Botschafter ab. Im Juli wurde die Altstadt von Hebron im Westjordanland als palästinensisches und nicht auch als israelisches Weltkulturerbe eingetragen. Die USA und Israel erklärten schließlich ihr Ausscheiden am 12. Oktober.
Bildquelle: epa