"Mondlicht und Magnolien" bei den Burgfestspielen Bad Vilbel
Die Burgfestspiele in Bad Vilbel haben ihr Programm aufs nächste Jahr verschieben müssen. Aber so ganz ohne Theater geht es dann doch nicht: Am Wochenende gab es die zweite Premiere. Tamara Marszalkowski hat "Mondlicht und Magnolien" in der Bad Vilbeler Wasserburg gesehen. Da geht es um einen ganz großen Kinoklassiker "Vom Winde verweht", das mittlerweile durchaus auch kritisch gesehene Südstaaten-Epos überhaupt, basierend auf dem Roman von Margaret Mitchell. Doch das Stück hat einen ganz besonderen Zugang?Es geht in dem Stück von Ron Hutchinson um die Entstehung des Films, also, wie das Buch damals in Hollywood verfilmt worden ist. Die Handlung: Produzent David O. Selznick muss den Stoff des Romans für die Verfilmung kürzen. Dafür hat er nur fünf Tage Zeit, weswegen er den Drehbuchautor Ben Hecht engagiert. Aber das Problem ist: Hecht hat den Roman von Margaret Mitchell nicht gelesen. Produzent Selznick steht unter riesigem Druck.
Gemeinsam mit Regisseur Victor Fleming schließen sich die drei im Büro von Selznick ein, und Regisseur und Produzent spielen dem Drehbuchautor die Handlung vor, um ihm diesen über tausendseitigen Roman zusammenzufassen. Essen gibt es nur in Form von Bananen und Erdnüssen, und unterbrochen werden sie höchstens mal von dem einen oder anderen Nervenzusammenbruch. Der Drehbuchautor muss immer wieder Kompromisse eingehen, und das gefällt ihm natürlich gar nicht. Das größte Problem ist: Er weigert sich, den Rassismus aus dem Roman ins Drehbuch zu übernehmen.
Tja, und damit haben wir ja dann den Finger in der Wunde. "Vom Winde verweht" war ja gerade auch Thema in den Demonstrationen um den Tod von George Floyd. Es ist kaum zu bestreiten: Sowohl im Roman, als auch im Film gibt es rassistische Szenen. Wie geht Regisseur Ulrich Cyran damit in der Inszenierung von "Mondlicht und Magnolien" um?Er lässt die Figuren darüber diskutieren, hauptsächlich den Drehbuchautor und den Produzenten. Beide Figuren sind selbst Juden und gerade zur Zeit, in der diese Handlung spielt, bricht in Europa der Zweite Weltkrieg aus. Dieses Thema Rassismus ist sehr präsent. Der Autor Ben Hecht will den Rassismus der Südstaaten aus der Handlung des Romans nicht ins Drehbuch übernehmen. Für Produzent Selznick sind das aber häufig die Schlüsselszenen.
Außerdem wird für den Produzenten die Zeit natürlich knapp. Deswegen will er sich nicht mit der Rassenfrage auseinandersetzen, denn die ist natürlich auch nicht so schnell zu beantworten. So begnügt sich der Autor mit kleinen Änderungen und versucht dadurch, mit seinem Drehbuch Amerika den Spiegel vorzuhalten. Diese Diskussion bleibt in der Inszenierung in Bad Vilbel recht klein und oberflächlich, was aber auch in Ordnung ist, weil man das jetzt hier nicht unbedingt erwartet.
Was ist denn dann der Anspruch der Inszenierung?Es soll in erster Linie ein unterhaltsamer Abend sein. Und das ist Regisseur Cyran definitiv gelungen, vor allem die Nervenzusammenbrüche von Sebastian Zumpe - dem Regisseur im Stück - sind einfach zum Brüllen. Der macht anfangs einen auf dicke Hose, hat dann aber doch ein ziemlich dünnes Nervenkostüm. Und was mich begeistert hat, ist auch die Art, wie Regisseur Cyran mit den Corona-Vorgaben umgeht. Die werden auf der Bühne strengstens eingehalten, wobei "streng" vielleicht das falsche Wort ist. Vielmehr spielt er damit.
Sekretärin Miss Poppenghul läuft immer wieder über die Bühne und sprüht mit Desinfektionsmittel um sich. Mitten auf der Bühne steht auch ein Apparat, aus dem automatisch Desinfektionsmittel für die Hände herauskommt. Und immer wieder desinfizieren sich die Schauspieler die Hände damit und das in den absurdesten Momenten. Das ist nicht nur sehr lustig, das ist auch ein bisschen ein Bruch mit der vierten Wand, also die Darsteller fallen ein bisschen aus ihrer Rolle raus. Und das verleiht dem Stück dann noch mal eine ganz andere Ebene von Witz.
Ja, also mehr Witz als Tiefgang, was - Stichwort Rassenfrage - bei diesem Thema durchaus möglich gewesen wäre. Ich höre bei Ihnen aber doch heraus, dass Sie ziemlich zufrieden waren mit dem Theaterabend?Auf jeden Fall. Es ist schon ein Kunststück, zwei so große Erzählebenen in so kurzer Zeit miteinander zu verweben - die Geschichte des Romans und die zum Film. Und das gelingt hier in dem Theaterstück in unter zwei Stunden. Der Theaterabend schnurrt nur so ab. Und der ist eben einfach sehr vergnüglich. Besonders in dieser tollen Atmosphäre der malerischen Wasserburg ist es einfach sehr schön.
"Mondlicht und Magnolien" - das Stück wird noch den ganzen August über zu sehen sein bis Mitte September bei den Bad Vilbeler Burgfestspielen. Vielen Dank, Tamara Marszalkowski. Die Fragen stellte Rosemarie Tuchelt. Sendung: hr2-kultur, "Kulturfrühstück", 03.08.20, 07:30 Uhr