Schallschutz im Orchester?!
Eine Initiative der AG „Gesundheit und Prophylaxe“ der Deutschen Orchester Vereinigung (DOV)
Ein
Vierteljahr standen die neu entwickelten Schallschutzwände in Konstanz bei der
Südwestdeutschen Philharmonie. Die drei mannshohen Stellwände mit den oben
abgewinkelten Acrylglasscheiben gehören der DOV, die sie auf Initiative der AG
„Gesundheit und Prophylaxe“ angeschafft hat, um sie kostenlos an Orchester zu
verleihen. Die Musiker sollen Erfahrungswerte sammeln. Noch immer gehen die
Meinungen über den geeigneten Schutz in Proberaum, Konzertsaal oder
Orchestergraben auseinander. Über jene Schallschutzwände kursieren nicht
zuletzt Vorurteile: Die einen denken negativ, dass via Schutzwand der Klang
verzerrt und die Kommunikation zwischen Musiker und Dirigenten erschwert würde.
Andere wiederum denken durchaus positiv, haben jedoch zu hohe Erwartungen an
die Schutzmaßnahme: Eine Schallreduktion, die an sämtlichen Pulten des
Orchesters gleichermaßen wirksam ist, liefern auch diese Schallschutzwände
nicht. Aber sie bieten nach objektiv-akustischer Messung eine deutliche Senkung
des etwa von den Blechbläsern erzeugten Schallpegels, wobei die Reduktion
dieser Klanggruppe am Platz der Holzbläser mehr als 12 dB(A) beträgt. Das kann
sich hören lassen!
Entwickelt wurden die Wände bzw. deren Vorläufer von der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig zusammen mit der
Unfallkasse NRW und dem Sinfonieorchester Münster der Stadt Münster. „Damals
war das ein Eigenbau“, sagt Willibert Steffens von der AG
„Gesundheit und Prophylaxe“. Auf ihn gehen die Idee und die Initiative zurück. Erfreulicherweise baut nun
die Firma Hund aus Biberach die
Wände. Der Büromöbelausstatter ist spezialisiert auf Lärmschutz in Großraumbüros.
Jetzt ist er auch in punkto Musikergesundheit aktiv. Der Preis der Wände liegt
bei 500 Euro.
In Konstanz hat man von der Möglichkeit, die Schallschutzwände testweise auszuleihen, gerne Gebrauch gemacht und eine Umfrage unter den Orchestermitgliedern gestartet.
Befragt wurden – auf freiwilliger Basis – diejenigen Kollegen, die unmittelbar vor oder hinter den Wänden gesessen sind. Die Wände werden im hinteren Drittel des Orchesters positioniert, so dass sie zum Beispiel Schlagzeug, Pauken und Blechbläser von Holzbläsern und Streichern trennen. „Die Umfrage ist deutlich ausgefallen“, sagt die Cellistin Johanna Kreuzhuber. Bei 16 abgegebenen Stimmen haben sich 13 mit einem „Ja“ für die Wände ausgesprochen, eine Stimme lediglich entschied sich mit „Nein“ und zwei Stimmen votierten als Enthaltung; letztere legen nahe, dass es gar nicht so leicht ist, zwischen den Vor- und Nachteilen der Wände abzuwägen. Das machten auch Gespräche unter den Kollegen immer wieder deutlich.
An erster Stelle gelobt wurde, dass der „Direktschall“ spürbar verringert
werde. Die Konstanzer, die im so genannten „Studio am Fischmarkt“ proben, haben
generell ein akustisches Problem mit ihrem Probenraum. „Der Gesamtschall ist zu
hoch, wie ein Akustiker in der Vergangenheit bestätigt hat, und auch der
Direktschall ist intensiv“, sagt Johanna Kreuzhuber. Es verwundert also nicht,
dass die Konstanzer die „dämpfende“ Wirkung der Schallschutzwände sehr wohl am
Ohr gespürt haben.
„Wenn ich unmittelbar vor den Wänden sitze, spüre ich einen akustischen Grundfilter, ohne dass es zu einer klanglichen Verfremdung kommt“, sagt der Bratscher Peter Achtzehner. Dies sei wesentlich angenehmer als der angepasste Gehörschutz via Ohrstöpsel, durch die man sich letzten Endes eingeschränkt fühle. Wobei: Als hoher Streicher müsse man bei den Wänden mitunter darauf achten, dass man nicht mit der Bogenspitze anstößt. Akustisch hatte Peter Achtzehner allerdings auch das Gefühl, dass die glatte Oberflächen der Wände den Schall unnötig weiterleite: „Ich frage mich, ob man die Oberflächen nicht besser aufgeraut strukturiert gestaltet, damit noch etwas mehr gedämpft wird?“
Die oberen Schrägen jedenfalls müssen glatt und durchsichtig bleiben,
damit Sichtkontakt und Kommunikation zwischen den Musikern nicht beeinträchtigt
werden. Ein Minuspunkt der Wände: Mitunter spiegelt sich das Deckenlicht
ungünstig in den Acrylschrägen, so dass man geblendet werden kann. Prüft man
vor Probenbeginn jedoch Sitzposition und Lichtverhältnisse, ist dieses Problem
in der Regel leicht zu umgehen.
Immer wieder in der Diskussion ist, ob die Schallschutzwände nicht nur in der Probe sondern auch bei Aufführungen zum Einsatz kommen sollen. Die Konstanzer haben sie ausschließlich bei Proben genutzt, weil die Wände zum einen eine logistische Mehrbelastung beim Transport bedeutet hätten, zum andern weil auf der Konzertbühne nochmals weniger Platz ist. Ob man dem Publikum den Anblick der Wände zumuten würde, wurde noch nicht diskutiert.
Der Oboist Alex Haußmann sieht den Vorteil der Wände insbesondere beim
beruflichen Alltag der Probenarbeit. „Im Konzert kann ich schon mal was an
Lautstärken aushalten“, so Haußmann. Für einen kurzen Moment dürfe es sogar ein
bisschen über die Schmerzgrenze gehen. Beim Probenalltag aber wolle er sich
sicher und geschützt fühlen.
Peter Achtzehner plädiert dafür, die Schallschutzwände vor allem bei Extremfällen aufzustellen – egal, ob Probe oder Aufführung. Er erinnert sich an ein modernes Stück mit extrem viel Schlagzeug, was an seinem Sitzplatz schier unerträglich laut gewesen sei. „Ein Musiker ist nur so gut, wie er hört und gesund ist“, so Achtzehner. Es wäre falsch – gerade bei Musikaufführungen – die Optik, sprich den Anblick der Wände, zu wichtig zu nehmen.
Was weiterhin positiv für die Wände spricht: Diejenigen, die „laut“ sind,
fühlen sich freier. So jedenfalls zieht der Trompeter Peter Moriggl sein
Resümee. „Wenn ich ständig mit der gefühlten Schuld musiziere, für die anderen
zu laut zu sein, bedeutet das auch eine Belastung. In diesem Punkt haben die
Wände die Situation entschärft.“
Für die Blechbläser wurde ein Podest aufgestellt. Auf dieser erhöhten Position können sie so über die Wände hinwegspielen. Ansonsten würde der Schall in die Wand gehen und von dort reflektiert über Umwege und mit zeitlicher Verzögerung zum Dirigentenpult gelangen.