Susanne Karr

freie Kulturredakteurin, Wien/München

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Artikel

Ein Schiff im Auwald

Das Gebäude soll mit dem Naturraum Verbindung aufnehmen. ©POS architekten ZT GmbH

Das Schulgebäude Heidemarie Lex-Nalis in der Rappachgasse im 11. Bezirk hat schon aufgrund seiner Lage den unausgesprochenen Auftrag, sich möglichst in den Naturraum einzugliedern und mit diesem in Verbindung zu treten. Denn es befindet sich im Bereich der ehemaligen Donauauen. Diese Aufgabe haben POS architekten gemeinsam mit outside< landschaftsarchitektur in ihrem Gewinnerprojekt des Realisierungswettbewerbs als Leitmotiv ernst genommen.

Entlang der Rappachgasse zog sich früher ein Donauarm. „An der Siedlungskante zu einem ehemaligen Donauarm ist ein Schiff vor Anker gegangen, durch Landebrücken verbunden, innen klar organisiert. Eine behutsame Farb- und Materialsprache bietet den sehr jungen Nutzenden eine freundliche und sichere Basis für die eigene Entwicklung", heißt es aus dem Architekturbüro. Der historische und räumliche Kontext der ehemaligen Gewässernähe erweckte in der Planungsphase die Assoziation eines Schiffes. Der Erschließungsweg folgt der Idee eines mäandernden Flusslaufes und lässt Buchten an der Rappachgasse entstehen. So ergeben sich geschützte Aufenthaltsbereiche.


Räumliche Organisation

Breite begrünte „Landebrücken" verbinden die Gebäude mit der bewaldeten „Uferzone". So soll durch die vielen Grünanlagen eine Art Spielhügel entstehen. Man möchte ein Maximum an Bewegungsmöglichkeiten bereitstellen. Aus diesem Grund legt das Projekt besonderen Wert auf die Außenanlagen. Neben einem Kleinkinder-Spielplatz und Freiflächen für Sonderpädagogik gibt es einen Motorikpfad. Freiluftklassen sowie Spiel- und Sportbereiche gehören zur Infrastruktur. Zudem möchte man auch die Bewohner der Umgebung in das neue Angebot integrieren: So wird etwa der Hartplatz im Sinne einer Mehrfachnutzung außerhalb der Schulzeiten für die Nachbarschaft zugänglich gemacht.

Die Verbindung von Innen- und Außenräumen zieht sich wie ein Leitmotiv durch die Planung. So sind die Bildungsräume zum „Auwald" und den dortigen Spielbereichen ausgerichtet, und, um im Bild des Lernschiffes zu bleiben, drei „Landebrücken" führen direkt in den Garten. Die unmittelbare Wegführung erleichtert den Zugang ins Freie auch in kürzeren Pausen.


Transparenz und Weitläufigkeit

Das Innenleben des Gebäudes setzt auf Transparenz und Weitläufigkeit. Von jedem Raum aus hat man Einblick in die angrenzenden Bereiche. Die Bildungsräume sind hauptsächlich mit Holzwänden und -böden ausgestattet. Farben werden minimal eingesetzt. Die Bildungsbereiche schaffen durch Glasoberlichten Bezüge zu den Multifunktionsbereichen. So entsteht Offenheit in der Raumwahrnehmung bei gleichzeitiger Belichtung von oben. Die großzügig bemessenen Multifunktionsräume lassen sich durch mobile Raumteiler flexibel organisieren und fungieren als Abgrenzung zu Gangflächen. Für Organisation und Stauraum stehen Regale und Präsentationswände zur Verfügung.

Der neue Bildungscampus sieht Platz für rund 825 Kinder im Alter von null bis zehn Jahren vor. Die gesamtheitlich integrative Bildungseinrichtung besteht aus einem Kindergarten mit drei Kleinkindergruppen und neun Kindergartengruppen, einer 17-klassigen Ganztagesvolksschule und vier sonderpädagogischen Bildungsräumen. Zudem gibt es einen Turn- und einen Gymnastiksaal, einen Veranstaltungssaal und Kreativräume. Verwaltungsräume, Therapieräume, Einrichtungen der Ganztagesbetreuung (Verpflegung) sowie Bewegungs- und Spielflächen im Freien ergänzen das Raumkonzept.


Bildungsräume statt Klassenzimmer

Als Teil des BIENE-Programms (Bildungseinrichtungen-Neubauprogramm) der Stadt Wien versteht sich die Schule als Beispiel für moderne und pädagogisch hochwertige Bildungseinrichtungen. Zentral ist dabei das von der Stadt Wien entwickelte Campus-Plus-Konzept. Es sieht offene und transparente Bildungsräume vor, die Kinder unterstützen, miteinander zu wachsen und zu lernen. Die Ganztagsbetreuung, die gemeinsames Essen und Freizeit beinhaltet, erfordert auch ein Umdenken in der Gebäudearchitektur. Anstelle des traditionellen Klassenzimmers treten Bildungsräume, die in multifunktionale Bereiche für gemeinsame Aktivitäten übergehen.

Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler kommentierte die Namensgebung für den neuen Bildungscampus: „Die Benennung von Verkehrsflächen ist eine wertschätzende Möglichkeit, um Persönlichkeiten mit herausragenden Verdiensten im öffentlichen Raum zu verankern und an sie zu erinnern." Heidemarie Lex-Nalis war eine Pionierin der Elementarpädagogik in Österreich, die lange Zeit als Direktorin der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik in der Ettenreichgasse in Wien-Favoriten gewirkt hat.

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