Susanne Karr

freie Kulturredakteurin, Wien/München

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Artikel

Shine like the stars

Headquarter YG Entertainment, Seoul von UNStudio @rohspace

Immer häufiger besetzen Werke aus der südkoreanischen Unterhaltungsindustrie mit spektakulärer Optik, vehementer Gesellschaftskritik und viel Glamour die Spitzenplätze internationaler Preisverleihungen und Rankings. Einer der führenden K-Pop-Produzenten, YG Entertainment, ließ sich von UNStudio sein neues, extravagantes Headquarter mit viel Glas und Aluminium errichten.



Die glitzernde Welt des K-Pop ist längst kein Geheimtipp mehr. Der rasante Erfolg einiger Bands baut auf den perfekten Umgang mit der Social-Media-affinen Fangemeinde. Das Publikum findet sich in Asien, in den USA, zunehmend auch in Europa. Vor allem junge, urbane und global vernetzte Menschen fühlen sich angesprochen und können sich identifizieren.

Exakte Marketinganalysen und -strate­gien bilden das Fundament für die Erfolge der Unterhaltungsindustrie. Wo und wie aber werden diese Formate erdacht und in Form gebracht? Es gibt in Südkorea mehrere Entertainmentgiganten, die eine oder mehrere Unterhaltungsbranchen bedie­nen. Einer der größten davon ist YG Entertainment, der Musik und Videos produziert und managt. Die multinationale Unterhaltungsagentur agiert als Plattenlabel, Talentagentur, Musikproduktionsfirma, Eventmanagement, Konzertproduzent und Musikverlag. 


Adaptiv, resilient und zukunftssicher
Internationaler Glamour verlangt selbstverständlich eine entsprechend repräsentative Architektur. Die Verantwortlichen bei YG haben sich für ihr neues Flagship ein Architekturbüro ausgesucht, dessen Renommee durch Vielfalt und Avantgarde beschrieben werden kann. Das holländische Architekturbüro UNStudio hat in zahlreichen Genres der Architektur internationale Erfahrung. Seine Werksliste umfasst Kultureinrichtungen, Museen, Universitätscampusse, Bahnhöfe, Firmenzentralen, Wohnungs- und Hausbau. UNStudio hat für sich bei der Gestaltung folgende Prinzipien definiert: Gebäude sollen adaptiv, resilient und zukunftssicher sein, das Interior im umfassenden Sinne urban, entworfen für eine geteilte menschliche Erfahrung.

Das vor 30 Jahren von Ben van Berkel und der Kunsthistorikerin und Archi­tektur­­journalistin Caroline Bos gegründete Architektur­büro verfolgt die Idee, Menschen mit Orten und miteinander zu verbinden, „und zwar auf relevante, flexible und zukunftssichere Weise“, wie es in einem Statement heißt. Die Planungen erfolgen „mit Blick auf eine mutige, komplexe und aufregende Zukunft“. Inzwischen arbeiten über 200 Architekten und Designer von sechs internationalen Büros aus und entwerfen in über 30 Ländern, immer unter dem Aspekt der Nutzung neuer Techno­logien. 2017 beauftragte YG Entertain­ment UNStudio, das neue Headquarter zu planen. Im Frühjahr wurde das Gebäude in Betrieb genommen.


Weiß und Silber, Aluminium und Glas 

 Das neue Gebäude schließt sich an das bestehende YG-Büro mit Sichtbetonhülle an. Höhe und Geschoßanzahl korres­pon­dieren mit dem alten Headquarter, die dynamische Optik der neuen Zentrale setzt jedoch neue, hellere Akzente. Dies spiegelt sich auch im Inneren wider: Während das bestehende YG-­Gebäude auf einem „Schwarz in Schwarz"-Konzept beruht, setzt das neue auf lichtdurchflutete Räume, Weiß- und Silbertöne und klare geometrische Linienführung. Die Lochstruktur der Fassade erinnert einerseits an Regentropfen, andererseits an die Aussteuerungs­signale auf einem Mischpult in der Soundtechnik. Die Fassade mit ihren organischen Rundungen ist einem wohlgeformten Lautsprecher nachempfunden. Die Transparenz der äußeren Hülle variiert: Während ein Teil undurchsichtig ist, entstehen durch ein Perforationsmuster und eine abwechselnde Anordnung von Aluminiumpaneelen und Glas Öffnungen ins Innere des Gebäudes. Die nachempfundene Figur eines stylishen Lautsprechers hat zur Bezeichnung „Urban Speaker" geführt. „Die schützende Hülle des neuen Headquarters ist so konzipiert, dass sie eher an ein Produkt als an ein Gebäude erinnert; ein Produkt, bei dem jedes Designmerkmal eine performative Funktion hat", heißt es bei UNStudio. Tagsüber schimmert die Fassade in einem eleganten Silbergrau, in der Dämmerung eröffnen sich hingegen Einblicke in das Innenleben. Beleuchtung im Inneren lässt die semitrans­parente Struktur des Entwurfs sichtbar werden. Ein gläserner Einschnitt erlaubt den Blick von außen auf großzügige Treppenhäuser und große Screens. Nicht von ungefähr befindet sich vis-à-vis ein Fancafé, von dem aus sich möglicherweise ein kurzer Blick auf eine Berühmtheit erhaschen lässt. Für viele K-Pop-Fans hat der Ort inzwischen den Status einer Pilgerstätte erreicht.


Visuelle Interaktion 

 Im Inneren des Atriums bieten sich kapselartige Räume als Ruhezonen oder Arbeitsräume an. Sie schaffen eine visuelle Verbindung zu den Büroetagen. Die Bepflanzung in der unteren Etage trägt zu einer entspannten Atmosphäre bei. Dieser Bereich fungiert als Welcome Lounge für Besucher. Durch transparente Gestaltung ist visuelle Interaktion innerhalb des Atriums und auch in Richtung Büroetage möglich. Höhe und Geschoßanzahl orientieren sich am älteren YG-Bestandsgebäude. Das Headquarter ist ein multifunktionaler Ort. Nicht nur Verwaltung und Organisation sind hier untergebracht, sondern auch Aufnahmestudios, Besprechungs- und Proberäume. Untertags konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf bestmögliche Arbeitsatmosphäre im Inneren, während nachts der Performancecharakter des Gebäudes sichtbar wird. Durch die unterbrochene Fassade dringt Licht nach außen und bestimmt den Platz des Konzerngebäudes in der nächtlichen Skyline Seouls. Das Beleuchtungskonzept arbeitet mit der Optik der unterschiedlichen Innenbereiche und kombiniert diese mit den Linien und Farbtönen der perforierten Fassade.


Volle Transparenz 

 Der Standort von YG Entertainment liegt zwischen intensiv befahrenen Autorouten und einem Park, also an einer Schnittstelle zweier völlig verschiedener Atmosphären. In Parknähe befindet sich ein gering bebautes Wohngebiet. Das Parkthema wird durch die Bepflanzung außerhalb und innerhalb des Gebäudes aufgegriffen. Im Atrium gibt es einen „versteckten Garten". Die andere Seite grenzt an Brücken und Stadtautobahn. Diese Lage schlägt sich in der Positionierung und Ausrichtung des Headquarters nieder. Zudem wird die Nähe des Flusses als Sichtpunkt in den Öffnungen der Fassade genutzt. Die Bereiche zur Parkseite hin bieten volle Transparenz, sind komplett verglast und bieten mit Balkonen zudem Outdoorzonen für die Nutzer. Gleichzeitig entsteht Beschattung für die darunter liegenden Stockwerke. Ökologie ist integriert: Das Dach der nach Süden ausgerichteten Fassade ist mit gebäude­integrierten Photovoltaikelementen ausgestattet. Jede der sieben Büroebenen erhält ­Tageslicht durch die Ausrichtung zum Park hin. Besprechungs- und Kollaborations­räume auf den ersten vier Ebenen fokussieren auf ein im Inneren liegendes Atrium, das wie ein zentraler Meeting Point funktioniert. Hier treffen alle zusammen - Mitarbeiter aus den Büros, Musiker und Techniker aus den Aufnahmestudios und etwaige Besucher, die an den strengen Security­vorschriften vorbeikommen. K-Pop-Fans erleben vielleicht den ein oder anderen Glücksmoment, wenn sie eines ihrer Idole aus dem Gebäude ein- oder ausgehen sehen. Auch das trägt zur Prominenz des neuen Headquarters bei.

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