Susanne Karr

freie Kulturredakteurin, Wien/München

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Raus aus den Gedankensilos

Wie beim historischen Vorbild sollen beim Neuen Europäischen Bauhaus Wissensquellen aus unterschiedlichen Disziplinen und aus verschiedenen Orten zusammenfließen. © iStock

Die anhaltende Krise in Umwelt- und Gesundheitsbelangen zeigt, wie wichtig das Vernetzen unterschiedlicher Wissensgebiete ist. Nicht nur, um kreatives Lösungspotenzial zu generieren, sondern auch, um einen größeren Horizont zu gewinnen. Genau dies möchte die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ erreiche


Aktive Bekämpfung des Klimawandels 

 Die Ziviltechnikerkammer hat ein entsprechendes Positionspapier verfasst, in dem sie die Ausgangslage und Ziele aus österreichischer Perspektive formuliert. Darin wird ein Wandel des Bausektors zu einem Sektor verlangt, „der sich den Prinzipien einer nachhaltigen und inklusiven Baukulturentwicklung verpflichtet und der auf der Basis optimierter Lebenszykluskosten und minimierten Ressourcenverbrauchs negative Umweltauswirkungen in allen Bereichen des Bauens reduziert". Die Ziele gehen aber darüber hinaus. Schädliche Auswirkungen sollen nicht nur verhindert, sondern die Initiative soll „zu einem konstitutiven und unverzichtbaren Element bei der aktiven Bekämpfung des Klimawandels, der Schaffung neuer, gesunder Lebensräume und -formen und der Ermöglichung von Stoffkreisläufen zum Wohle heutiger und künftiger Generationen werden".


Positionspapier 

 Im Positionspapier bekennt man sich klar zur Notwendigkeit überregionaler, europaweit geltender Vorgaben. Man hat sich auf folgende Fokuspunkte verständigt: Zur Verringerung von Bodenversiegelung, Flächennutzung und Flächennutzungsänderung werden Raumplanung und Raumordnungspolitik verstärkt zur Verantwortung gezogen. Qualitätsorientierte Nachnutzung von Brachflächen soll bundesweit in Städten und Dörfern gefördert werden und absoluten Vorrang vor der Erschließung unberührter Landschaften erhalten. Die Modernisierung bestehender städtischer und dörflicher Strukturen muss den bereits stattfindenden Klimawandel berücksichtigen und Entwicklungen in Richtung Post-Öl-Gesellschaft und Digitalisierung mitdenken.Die Erhaltung bzw. Revitalisierung bestehender Gebäude muss als wesentlicher Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und zum Erhalt des kulturellen Erbes begriffen werden. Besonderes Augenmerk liegt hier auf sozialem Wohnungsbau, Arbeitersiedlungen und öffentlichen Gebäuden. Deutlich werden sollen wechselseitige Abhängigkeiten zwischen gebautem und sozialem Raum. Gleiches gilt für technische Infrastruktur und Grünraum. Diese Zusammenhänge sollen als eigene Planungsaufgabe ausgewiesen und durch gleichberechtigte Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche ausgearbeitet werden. Als weiterer wichtiger Punkt wird eine stärkere Positionierung von nachhaltigem und integrativem Planen und Bauen bereits in den Ausbildungen genannt. Diese Ziele sollen auch durch offene Wettbewerbe, Preisverleihungen und Subventionen mehr Sichtbarkeit, gemäß ihrer Relevanz für zukunftsfähige Gestaltung, erhalten.


Stufenweise Umsetzung 

 Die Durchführung der New-European-Bauhaus-Initiative ist in drei Phasen geplant: Gestaltungs-, Realisierungs- und Verbreitungsphase. Sie müssen nicht zeitlich linear ablaufen. Zunächst lud die Europäische Kommission alle Europäer in der Gestaltungsphase dazu ein, bis Ende Juni 2021 Vorstellungen von einer nachhaltigen und inklusiven, ästhetisch, intellektuell und emotional ansprechenden Zukunft zu entwickeln. In zehn Kategorien wurden zudem bis Ende April 2021 die ersten New-European-Bauhaus-Awards ausgeschrieben, außerdem jeweils zwei parallele Wettbewerbsstränge. Seit September läuft nun die Realisierungsphase mit schriftlicher Ausarbeitung der Neuen-Bauhaus-Strategie und Präsentation der Gewinner der Bauhaus Awards. Mit 2022 beginnt die Verbreitungsphase. Sie befasst sich mit den herausgebildeten Ideen und Maßnahmen sowie einer verstärkten öffentlichen Sichtbarkeit. Wie können nun Ziviltechniker die Ziele des Bauhauses umsetzen?, lautet die Fragestellung an Gestalter von Raum und Gesellschaft. Die Anfang Dezember durchgeführte Onlineveranstaltung „Städte- und Raumplanung im Kontext des Neuen Europäischen Bauhauses", eine Zusammenarbeit der österreichischen Bundeskammer der Ziviltechniker, der Bayerischen Architektenkammer und der Europäischen Kommission, stellte aktuell zur Diskussion, wie der städtebauliche Wettbewerb zum zukunftsfähigen Instrument bei der Umsetzung der Bauhausziele werden kann.


Grenzüberschreitende Kreative 

 Ein Beispiel liefern die seit zwei Jahren stattfindenden, grenzüberschreitenden Wettbewerbe zwischen der österreichischen Ziviltechnikerkammer und der Bayerischen Architektenkammer. In der Online­veranstaltung „New European Bauhaus" wurden die Vorteile einer solchen Kooperation formuliert, auch in Bezug auf internationale Wettbewerbsfähigkeit: „Der Architekturwettbewerb muss (wieder) als sinnvolles und notwendiges Instrument erkannt werden - auch im Sinne von Forschung und Entwicklung; zum Nutzen des Berufsstandes und im Interesse der Gesellschaft. Selbst wenn die Spielregeln in beiden Ländern teils unterschiedlich sind, teilen wir die gemeinsame Haltung, grenzüberschreitend und nach der Idee des New European Bauhaus Lebensräume innovativ gestalten zu wollen und die Kreativwirtschaft wieder positiv in den Vordergrund zu setzen." Die nächste Netzwerkveranstaltung ist für das Frühjahr 2022 geplant. Sie wird das Thema „Generalplanung - partnerschaftliche Verfahren" fokussieren.


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