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Tunesiens Jugend radikalisiert sich weiter

Ende Dezember kam es wieder zu gewalttätigen Protesten in Tunesien. Junge Leute protestieren gegen Perspektivlosigkeit – ein Nährboden für Radikalisierung. Foto: Reuters/Stringer

Leylas Sohn war ein normaler Bub aus der Mittelschicht. Mit der Revolution begann ein Wandel, den sie sich nicht erklären kann


Majids Bild hängt im Wohnzimmer, direkt neben dem seiner Großmutter. Sie schaut grimmig unter ihrem schwarzen Tuch hervor, das locker um den Kopf liegt und einige Haarsträhnen hervorlugen lässt. Ihr Gesicht schließt die Reihe der Ahnen ab, die auf vergilbten Schwarz-Weiß-Fotos altehrwürdig dreinblicken. Majids Bild sticht hervor: ein lachendes Kind, das einzige Foto in Farbe. Und er ist der Einzige in der Reihe, der noch lebt. Aber er hängt trotzdem dort.

Für seine Mutter Leyla ist er verloren. Sie hat mit ihm seit Jahren nur noch über Skype Kontakt. Heute ist er Mitte zwanzig und lebt sein eigenes Leben. Leyla ist mit seinen Entscheidungen nicht einverstanden, etwa dass er jetzt "einer von denen" ist, wie sie es nennt. Hätte er auf ihre Ratschläge gehört, dann wäre es nicht zum Bruch mit der Familie gekommen.

"Es werden hier jeden Tag mehr, die zu den Salafisten gehen", erzählt sie. "Hier, direkt nebenan, ist ein Zentrum. Wie in einer Schule werden dort Kinder im strengen Glauben erzogen." Die Hälfte aller jungen Leute würden sich deshalb in der Gegend einer radikalen Form des Islam anschließen. "Die wollen aus Tunesien einen islamischen Staat machen. Hier haben sie schon angefangen", empört sich Leyla, die eigentlich anders heißt, wie auch ihr Sohn.


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