Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Wärme aus der Tiefe für den Landkreis Landsberg?

Landkreis - In Bayerns Süden brodelt's: Tief unter der Erde fließt heißes Wasser - ideale Bedingungen für die Geothermie. Sendling beherbergt Deutschlands größte Geothermieanlage. Und von den gut 40 Kraftwerken in Deutschland sind 25 in Bayern beheimatet. Das liegt am hiesigen „Molassebecken", in dem das heiße Wasser wabert. Und das auch den Untergrund im Landkreis Landsberg durchzieht.


„Der Landkreis Landsberg ist für Geothermie geeignet", konstatiert Berthold Lesch von der Landsberger Energieagentur LENA. Erforscht habe man den Untergrund bisher nur im Süden des Landkreises, „dazwischen ist bohrtechnisch eine weiße Fläche". Dass im Süden gebohrt wurde, liegt daran, das dort das Molassebecken tiefer liegt: in rund 7.000 Metern, was auch, laut Lesch, bis zu 120 Grad heißes Wasser bedeutet. „Damit könnte man auch Strom erzeugen und das abgekühlte Wasser für die Wasserversorgung verwenden", ist er überzeugt. Diese 120 Grad werden aber im Gebiet Landsberg, wo das ‚Molasse-Wasser' nur noch vier Kilometer unter der Erde fließt, nicht erreicht. Dennoch: „Das Wasser hat hier wohl eine Temperatur von rund 80 Grad, das reicht." So schreiben es auch die Stadtwerke München auf ihrer Webseite: Bei Tiefengeothermie werde Erdwärme genutzt, die bis zu mehreren Kilometern unter der Erde liege. Und: „Tiefe Geothermie kann ganze Stadtviertel mit Wärme oder Strom versorgen."

Dass Lesch insbesondere den Raum Landsberg und Kaufering als geeignet für Geothermie hervorhebt, liegt an der dortigen „Wärmesenke" - also der Zahl der dortigen Wärme-Verbraucher: „Je dichter die Besiedelung ist, desto besser bekomme ich die Wärme los." Natürlich sei auch in den Gemeinden Richtung Ammersee Geothermie möglich, betont Lesch. Dennoch, in weniger dicht besiedelten Gegenden sei es wegen der Wege von der Bohrstelle bis zur jeweiligen Kommune - und dem damit kälter werdenden Wasser - schwieriger. „Das ist technisch schon möglich, aber dann auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit."

Geothermie ist dabei nur ein Baustein von mehreren, weiß Lesch. Auch Wasserstoff könne nur ein Teil sein: „Der wird vor allem in die Industrie gehen." Wärmepumpen seien gut. So würden beispielsweise auch die geplanten zwei Wasserwärmepumpen für die Landsberger Altstadt, die die Stadtwerke errichten wollen ( der KREISBOTE berichtete), nicht reichen, um die gesamte Altstadt mit Wasserwärme zu versorgen. Man müsse eben alle Quellen anzapfen.

Wichtig sei, jetzt zu handeln. Eine Studie des Klimaministeriums von diesem Jahr beziffere die Klimafolgeschäden für Deutschland bis 2050 bei 300 bis 900 Milliarden Euro, werde nichts unternommen. „Der Umbau der Wärmeversorgung mit Investitionen von 250 bis 300 Milliarden Euro ist da auf jeden Fall günstiger", sagt Lesch. Der „Earth Overshoot Day" war am 4. Mai, „seither leben wir auf Kosten anderer. Wenn wir jetzt nichts machen, warum dann noch Kindergärten bauen? Die Erde wird uns überleben. Es geht um die Lebenszukunft der Menschheit."

Mit „jetzt handeln" meint Lesch vor allem den Bau von Wärmenetzen. Jeder müsse wissen, ob er in Zukunft Zugang zu einem Wärmenetz hat. „Aber es fehlen Leute, die die Ärmel hochkrempeln und sagen ‚ich mach was!'" Ebenfalls wichtig seien Wärmebedarfsanalysen in jeder Kommune. Um zumindest das nötige ‚Wärme-Wissen' anzubieten, werde LENA nach den Sommerferien Infoveranstaltungen zum Thema Wärme und allen möglichen Wärmequellen - also auch Wasser- oder Luftwärmepumpen - machen. Es gehe auch darum, den Bürgern die Angst zu nehmen. „Bei Geothermie tauchen ja auch immer die Fragen nach Mikroerdbeben (s. Artikelende, Anm. d. Red.) oder nach der Trinkwasserbelastung auf."

Interkommunal

Die Gemeinde Windach hat erst kürzlich die Bürgermeister von zehn weiteren Kommunen zu einer Infoveranstaltung mit Thema Geothermie geladen (der KREISBOTE berichtete). „Wir haben uns im Februar auch eine Anlage angeschaut", erzählt Windachs Energie- und Klimamanager Dr. Daniel Gehr. Das Thema „Geothermie" sei von einer Kommune alleine nicht zu stemmen, „das muss interkommunal laufen".

Forschende der Geothermie-Allianz Bayern, ein Forschungsprojekt an fünf bayerischen Universitäten, sehen im nordöstlichen Landkreis das höchste Potenzial für Geothermie, so Gehr. Aber vor der ersten Bohrung könne man nichts sagen. „Oder wie es im Bergbau heißt: ‚Vor der Hacke ist es dunkel.'"

Bei Bohrungen mit mehr als 1.900 Meter Tiefe geht Gehr von Wassertemperaturen über 90 Grad aus - „wenn man denn eine wasserführende Schicht trifft". Deshalb seien Probebohrungen nötig - „die auch jeweils schon rund zehn Millionen Euro kosten". Bis dahin sei es aber ein „vielschichtiger Prozess', weiß Gehr: Geologische Gutachten, Machbarkeitsstudien und Wärmebedarfsanalysen gingen einer Probebohrung voraus. Und zudem gebe es vom Bund eine nicht geringe Förderung der Geothermie-Projekte. „Zuerst muss der politische Wille da sein. Das Geld kommt hinterher."

Bei der Infoveranstaltung hätten sich die Kommunen offen gezeigt - weshalb auch einige Anträge für eine „kommunale Wärmeplanung" in ihren Gremien stellten. „Wir müssen was für die Bürger bieten, um vom Öl und Gas wegzukommen" - und das in allen Bereichen, so Gehr: Biogas, Hackschnitzel - je nachdem, was die Regierung bei dem Thema entscheiden werde. Aber auch Wind bleibe ein Thema. Und die Wasserwärmepumpen: „Vielleicht kann man ja auch den Ammersee dafür anzapfen."

Löst die tiefe Geothermie Erdbeben aus?

Bohrungen für die tiefe Geothermie reichen ab 2.000 Metern in die Tiefe. Dafür werden zwei Löcher gebohrt; aus dem einen kommt das heiße Wasser, dessen Wärme über Wärmetauscher abgeleitet wird, in das andere wird das kältere Wasser wieder abgeleitet.

Erdbeben entstehen durch einen plötzlichen Spannungsabbau entlang von Brüchen in der Erdkruste. Und den gibt auch durch technische Eingriffe wie den Kohleabbau oder auch Geothermiebohrungen. Diese Beben seien aber meist kaum spürbar, informiert der Schweizerische Erdbebendienst der ETH Zürich - abgesehen von einem 2006 in Basel, wo „unter hohem Druck in den Untergrund eingepresstes Wasser" ein Beben der Stärke 3.4 auslöste.

Die Geothermieanlage in Poing wurde 2017 nach mehreren Beben abgestellt - obwohl es keine Belege für den Zusammenhang mit der Anlage gab. Eines der stärksten durch Geothermie ausgelösten Beben gab es 2017 in Pohang (Südkorea) mit der Stärke fünf. Die Anlagen im Raum München (Riem seit 2004, Sauerlach seit 2013 und Freiham seit 2016) haben bisher keine ‚schädlichen' Beben ausgelöst, ebenso wenig die seit 2021 laufende Anlage in Sendling. Denn im Molassebecken in Südbayern gibt es nur ein geringe bis keine Grundspannung.

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