Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Artikel

Die fünf Pilger im Schondorfer studioRose

Schondorf - Wahre Kreativität entsteht im stillen Kämmerlein, behauptet das Künstler-Klischee. Neues braucht aber Konfrontation mit dem Außen. Anders gesagt: „Nur wer vom Weg abkommt, lernt die Gegend kennen." Dieses ‚Verirren' prüfen fünf Künstler im studioRose.

Das Sprichwort ist auf eines der Post-its gekrakelt, die im studioRose an der Wand kleben. Hingepappt hat den Gedankenschnipsel einer der fünf Kunstschaffenden. Ein Dokument der Arbeit für das Projekt „Pellegrini": das Wandgemälde über die Innenflächen - ein Gesamtkunstwerk von fünf Künstlern, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

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Kann das gut gehen? Stefan Wehmeier steht auf der obersten Leitersprosse im Giebel, um seinem Gebirge noch einen Hauch Blau zu schenken. „Soll ich halten?", fragt Katinka Schneweis von unten? Wehmeier scheint ein ‚Nein' zu brummen, von unten nicht wirklich zu hören. Wehmeier und Schneweis, deren Wandbereich rechts an den Giebel angrenzt, sind im Dialog. In Worten, die Schneweis dokumentierend auf ein Post-it in ihren Abschnitt gehängt hat: „So?" fragt sie. „Zu dick", sagt er. „So?" fragt sie. „Zu dünn", sagt er. Sagt sie: „Halt die Klappe." Oder in einem Schneweis-Graffiti „Amore per Favore". Aber auch in Formen und Farben. Denn wie treffen die Wandflächen aufeinander? Wie entsteht ein Übergang? Oder ganz ideal gedacht: Wie kann aus der Kreativität vieler ein Ganzes wachsen? Denn rechts neben Schneweis' Wandfläche docken die sattbunten Formen Paulo de Britos an. Da hilft nur miteinander reden, den anderen beobachten, auf ihn eingehen - mit Respekt. Auch mit de Brito läuft die Kommunikation: „Das funktioniert nicht", sagt Schneweis zu de Britos kräftiger Farbkante. „Können wir die Farbe da zurücknehmen?" „Kein Problem", antwortet de Brito und wischt mit der Hand die Farben ins Pastellene. „Ist Kreide."

„Das ist eher ungewöhnlich hier", sagt Alexander Hupfer. „Normalerweise gibt es mehr Ellenbogen unter den Künstlern." Er ‚teilt' sich die gegenüberliegende Wand, die Claudia Hassel schon mit geometrischen Formen in Pastell strukturiert hat. „Ich komme aus der Farbe", sagt Hassel. Ihr Post-it: „Farbe macht glücklich." Hupfer, eher figürlich unterwegs, will Personen in Hassels Grafische setzen. Während Schneweis, Wehmeier und de Brito beim Arbeiten diskutieren, lachen und sticheln - der häufigste Satz: „Ich habe keinen Plan" -, planen Hassel und Hupfer ‚ihre' Wand. Was nicht heißt, dass alles in Stein gemeißelt ist: „Wir sind hier auf der Suche. Unser Ziel ist der Weg", formuliert es Hassel. Dementsprechend ändert sich der ganze Raum ständig, manchmal innerhalb einer halben Stunde. Figuren verschwinden, Linien tauchen auf, Farbe wird weiß übermalt. Sowohl das Technische - Wehmeiers Giebelgipfel ist fertig, er arbeitet jetzt vom sicheren Gerüst aus - als auch das Miteinander: Es scheint zu funktionieren.

Dokumentierte Kunst

Kuratorin Dr. Silvia Dobler hat die fünf Künstler aus rund 35 Bewerbern ausgewählt. Bei einem ersten Treffen im Januar fanden sie das Thema „Pellegrini", Pilger, wegen Schondorfs Pilgerkirche, vor allem aber wegen des „Sich auf den Weg"-Machens. Dieser Weg wird dokumentiert. „Wir halten fotografisch die Entwicklung der gesamten Fläche fest", sagt Dobler. Zudem dokumentieren die Künstler ihre Gedanken und wie sich ihre Arbeit - und ihr Denken - im Prozess des Entstehens ändern. Seit Februar arbeiten die Fünf an den Wänden. Ab dem 18. Februar können Besucher ihnen über die Schulter schauen, dazu gibt es Events wie Konzerte und Tango-Tanzen. Bis Ende März haben die Künstler Zeit, aus ihren Einzelteilen ein Gesamtkunstwerk entstehen zu lassen. Dann bleibt das Ergebnis für einen Monat sichtbar - bevor es wieder reinweiß übermalt wird.

Für Wehmeier ist auch diese Vergänglichkeit - neben der Herausforderung, eine so große Fläche zu gestalten - ein Reiz des Projekts. Hassel ist gespannt, wie die Symbiose der unterschiedlichen Stile gelingen kann. Hupfer genießt die neue Situation, „dass hier jemand in deine Leinwand reinmalt" - „das Miteinander, das man ins eigene Repertoire aufnimmt", formuliert de Brito. „Schaffen wir es, aus unserer Komfortzone rauszukommen?" ist Schneweis' Ansatz, um sich am Projekt „Pellegrini" zu reiben.

Noch arbeiten alle fünf an ihren Grenzen zum anderen. Aber was, wenn nicht Kunst, könnte diese Grenzen öffnen.

Infos und Öffnungszeiten: www.studiorose.de. Das Projekt verfolgen kann man auf dem Instagram-Kanal unter @studio_rose_schondorf.

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