Püree for peace
Trendcheck Hummus- Püree for peace
Orientalisch. Schon das Wort birgt einen Zauber in sich. Vor allem die Märchen aus 1001 Nacht
schufen, was man die Magie des Orients nennt. Das war einmal. Doch ein
Schatz ist dem Orient geblieben: seine Küche – mit ihren Früchten, ihren
Kräutern, ihren Gewürzen.
Kardamom, Sternanis, Zimt, Kreuzkümmel, Safran, Berberitzen, Minze,
Nüsse – sie können mit ihren exotischen Düften und Aromen den verloren
geglaubten Zauber zum Leben erwecken, uns mitnehmen auf eine
kulinarische Reise. Erst recht mit so leidenschaftlichen Reiseführern
wie dem israelischen Koch und Buchautor Yotam Ottolenghi. Ihm ist es zu
verdanken, dass die orientalische Küche einen Boom
erlebt. Er führt uns kulinarisch auch durch Länder, deren Feindschaft
Familien auseinanderbrechen ließ. Er lebt vor, dass Essen verbinden
kann. So hat er sein Kochbuch „Jerusalem“ nicht allein geschrieben, sondern mit seinem Geschäftspartner Sami Tamini – einem Palästinenser!
Wichtiger
Klebstoff für eine Verbindung, die der Politik nicht gelingen will, ist
dabei ein unscheinbares orientalisches Püree, nach dem Israelis,
Palästinenser, Libanesen und Syrer gleichermaßen verrückt sind: Hummus. Der Name bedeutet auf Arabisch nichts anderes als Kichererbse.
Sie ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt, reich an Eiweiß und
ungesättigten Fettsäuren. Wer auf die Idee kam, Kichererbsen zu Brei zu
kochen und sie mit Tahini zu verrühren, einer Paste aus fein gemahlenen
Sesamkörnern, dazu gibt es unzählige Theorien. Sicher ist nur, dass
Hummus im arabischen Raum erfunden worden ist. Cremig, nussig und erdig
verführt dieses Püree den Gaumen. Und ist damit einer der wenigen grenz-
und religionsübergreifenden gemeinsamen Nenner im Nahen Osten.
Die Kunst der Zubereitung
Hummus braucht nur fünf Zutaten: Kichererbsen, Tahini, Zitrone, Salz und Olivenöl.
Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht: Kleine oder große
Kichererbsen? Acht Stunden einweichen oder gar länger? Kichererbsen
enthäuten oder nicht? Das Kochwasser zum Aufrühren benutzen – oder
besser frisches, eiskaltes Wasser nehmen? Tahini aus geschältem oder
ungeschältem Sesam? Vom Tahini nur wenige Löffel? Oder dieselbe Menge
wie bei den Kichererbsen? Knoblauch ja oder nein? Wie viel Zitronensaft?
Einige fügen noch Kreuzkümmel hinzu. Ein regelrechter Kult wird auch um
die Zubereitung getrieben. Sämig, körnig, samtig oder seidig – welche
Konsistenz ist die beste? Genießt man Hummus kalt oder erwärmt, wie die
Palästinenser ihn bevorzugen. Jede Region, jede Familie hat ihr Rezept.
So friedensstiftend Hummus sein mag, so lebhaft wird über ihn
debattiert. Jeder hat etwas beizutragen, jeder glaubt zu wissen, wo es
den besten Hummus gibt. Am liebsten unterhält man sich darüber, während
man gemeinsam aus einem Teller Hummus löffelt oder mit Fladenbrot
aufnimmt.
Dass nun auch in Deutschland das Hummusfieber ausgebrochen
ist, liegt nicht zuletzt an den vielen jungen Israelis, die es nach
Berlin gezogen hat. Mitgebracht haben sie ihr Nationalgericht. In der
deutschen Hochburg der Vegetarier und Veganer hat Kichererbsenpüree
natürlich beste Bedingungen für eine Karriere. Es eröffnen immer mehr
israelische Restaurants, die dem Lebensstil und Geschmack einer neuen
Generation gerecht werden wollen.
Die Restaurants-Trends
Hummus
wird in der Hauptstadt in großer Vielfalt angeboten: pur und
fleischfrei mit Roter Bete oder geröstetem Gemüse, aber auch als
Unterlage für pikant gewürztes Lamm, Rind oder Huhn. Üblicherweise
streut man Petersilie, Minze, Paprikapulver drüber, und ein Schuss
Olivenöl darf auch nicht fehlen. Zum Dippen nimmt man Fladenbrot. „Im
Norden Israels wird Hummus auch mit einer frischen Zwiebelscheibe
gelöffelt“, erzählt Oz Ben David, der mit seinem palästinensischen
Partner Jalil Dabit das Hummus-Restaurant „Kanaan“ in Prenzlauer Berg
eröffnet hat.
Direkt vom Streetfood-Markt in Tel Aviv brachte die in
Wien lebende Israelin Haya Molcho das köstliche Sabich in ihr
fröhlich-buntes Restaurant „Neni“ in Berlin. Sabich ist ein
erfrischender Mischmasch aus Hummus, gebackenen Auberginen, pochiertem
Ei, Tomaten-Chili-Koriander-Pesto und scharfwürziger Mangosauce. „Meine
Küche ist von Einflüssen aus aller Welt geprägt, dem Orient und dem
Okzident“, erzählt Haya Molcho, „sie ist so vielfältig wie die Herkunft
der Menschen in Israel.“
Mit „Make Hummus, not Walls“ in
großen Lettern auf der Wand empfängt das koschere Restaurant „Hummus and
Friends“ in der Oranienburger Straße seine Gäste, gleich neben der
Synagoge – eine Aufforderung, Gemeinsamkeit zu finden im Genuss.
Dem
Hummus widerfährt hier eine ganz besondere Behandlung: „Wir waschen die
Kichererbsen dreimal, bevor wir sie in Wasser einweichen, danach wieder
dreimal, und nach dem Kochen nochmal viermal“, erzählt
Restaurantleiterin Malka Gretschko. „Beim letzten Waschen fällt die Haut
ab, der Hummus wird dadurch leichter und schmeckt frischer.“
Auch
in die Hochküche hat die Kichererbse längst Einzug gehalten.
„Kennengelernt habe ich Hummus durch einen syrischen Mitarbeiter, der es
wunderbar zubereiten konnte“, erzählt die Basler Top-Köchin Tanja
Grandits. „Das Hummus-Püree hat einen Biss in der Cremigkeit, den andere
Pürees nicht haben.“
In Hamburg verführt Hanna Saliba seit mehr als
20 Jahren seine Gäste mit Hummus, bietet ihn als Teil seiner
orientalischen Mezze an. „Am nussigsten schmecken die großen,
fleischigen Kichererbsen“, sagt er. Saliba muss es wissen. Sein Vater
schickte ihn in seiner syrischen Heimat jeden Mittag mit einem Teller in
der Hand zum Hummusmacher. „Alete für Erwachsene“ nennt er das Gericht
scherzhaft. Der in Anatolien aufgewachsene Spitzenkoch Ali Güngörmüs
(„Le Canard nouveau“, Hamburg) toppt seinen Hummus mit einem knackigen
Potpourri aus Sultaninen, Haselnüssen, Minze, Petersilie, Gurkenwürfeln,
Granatapfelsirup und Olivenöl. Und es klingt absolut überzeugend, wenn
der 39-Jährige schwärmt: „Hummus tut der Seele gut.“