Ich kenne die Geschichte nur über Kollegen. Es war kurz bevor ich wieder im Adlon angefangen habe. Ein Gast, er kam aus dem arabischen Raum, hat darauf bestanden, dass er morgens einen halben Liter frische Kuhmilch bekommt. Kosten und Mühen waren ihm egal. Es war aber schon abends. Meine Kollegen hingen sich ans Telefon. Und fanden einen Bauern in Brandenburg, der bereit war, ihnen jetzt noch eine Kanne Milch abzufüllen. Sie lockten ihn mit einem Tausch: Kuhmilch gegen Champagner. Und holten die Milch noch in der Nacht ab. Und der Gast - der bekam frühmorgens seine frische Kuhmilch serviert. Wir versuchen, alle kulinarischen Wünsche unserer Gäste zu erfüllen. Ein Concierge-Kollege aus Hawaii kam mit der Bitte auf mich zu, ihm unser Hollandaise-Rezept zu schicken. Warum? Der CEO seiner Kette, ein amerikanischer Hotelier, hatte vor Jahren mit seiner Frau im Adlon übernachtet. Nun wollte er für den runden Geburtstag seiner Frau ein Rezeptbuch zusammenstellen. Mit all ihren Lieblingssachen, die sie auf der Welt gegessen hatte. Und sie liebt die Hollandaise aus dem Adlon. Die Dame erinnerte sich genau an ihr Frühstück - Egg Benedict mit Spinat, Forellenkaviar und mit ebender Sauce Hollandaise, die sie so liebt. Haben wir gerne gemacht.
Chef Concierge André Höftmann, 39, ist seit sieben Jahren im Hotel tätig. Villa Feltrinelli, Gardasee Krokodilfleisch gibt es keins, aber Kutteln jeden TagIch finde es immer wieder faszinierend, wenn Gäste mit etwas sehr Einfachem ganz glücklich sein können. Wenn sie sich zum Beispiel runter ans Seeufer setzen, eine schöne Caprese (Mozzarella mit Tomaten und Basilikum) bestellen und sich eine Flasche für 500 Euro gönnen. Einen Pommery Cuvèe Louise Rosé Brut '03. Letztens hatten wir Tina Turner und auch Herbert Grönemeyer zu Gast. Die beiden Künstler wünschten sich schlicht „Spaghetti al pomodoro". Die stehen nicht auf der Karte, doch unser Sternekoch Stefano Baiocco hat sie gerne für sie gemacht. Die italienische Küche zeichnet sich ja auch durch so einfache, phantastisch schmeckende Gerichte aus. Wir versuchen, alle Wünsche unserer Gäste zu erfüllen, bei dem Wunsch nach Krokodilfleisch am Gardasee allerdings haben wir gepasst. Ich denke, der Gast wollte uns austesten: Was muss ich machen, damit die endlich mal nein sagen. Ein Stammgast aus Wien bestellt sich jedes Jahr Kutteln bei uns. Das könne er eigentlich nirgends mehr finden, und es erinnere ihn an seine Oma, an seine Kindheit zurück. Wenn er bei uns ist, bestellt er sich fast täglich Kutteln und auch Innereien in den verschieden Zubereitungsarten. Unsere Küche kennt das schon und besorgt vorher die Kutteln. Sie werden mit ‚Tomatensauce in umido' (stark einkocht) oder auch zu einer aromatischen Suppe zubereitet. Seine Gattin teilt die Liebe ihres Mannes zu Kutteln nicht so ganz. Doch unser Gast ist glücklich.
Hotelmanager Peter Eisendle, 46, leitet den Hotel- und Restaurantbereich seit sechs Jahren. Nassauer Hof, Wiesbaden Darf ich im Kurpark Enten jagen?Das Gastgewerbe steckt voller Überraschungen. Es gibt immer wieder Einmaligkeiten. Champagner floss früher mehr im Bankenbereich, heute ist es die Immobilienbranche. Da kann es schon die Fünf-Kilo-Dose Kaviar sein und beim Champagner gerne die Doppel-Magnum. Oder wenn zum Beispiel der eine oder andere Gast den Wert eines guten Glas Weines zu schätzen weiß, aber aus ethnischen Kreisen kommt, denen der Konsum untersagt ist, und aus diesen Kreisen dann die Bitte kommt: „Wir hätten gerne einen Tiganello oder wir würden gerne eine Flasche Chateau Palmer trinken." Es freut einen, dass einige so prowestlich eingestellt sind und diese Kultur schätzen. Etwas Besonderes war es, als das Oberhaupt einer Königsfamilie aus dem Nahen Osten ein ganzes Lamm bestellte. Das haben wir in unserer Küche zubereitet und, auf einer Platte angerichtet, in die Suite gebracht. Ein Speisemeister filetierte dort das Lamm, und der Vorkoster, beide gehörten zum Hofstaat, probierte, bevor es serviert wurde. Dem Familienoberhaupt war dabei das Fleisch, das direkt um das Herz des Tiers sitzt, vorbehalten. Ein andermal wollte ein junger Gast tatsächlich im benachbarten Kurpark Enten jagen, um sie dann zu essen. Er kannte es so aus seiner Heimat. Wir sollten sie ihm zubereiten. Es brauchte eine gewisse Überzeugungsarbeit von uns, dem Gast begreiflich zumachen, dass man bei uns in Deutschland nicht so einfach wilde Tiere schießen darf, um sie hinterher zu essen.